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5 Wochen schweizer Bergbauer | Auslandserfahrungen im Agrarbereich

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Map-Nr.:

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Titel:

5 Wochen schweizer Bergbauer

Beschreibung: Philipp Baisch:
Für 5 Wochen Heidis Kuhpeter

...Mit dem ersten Muuuuhen der Kühe bin ich schon mit beiden Beinen in den Gummistiefeln auf dem Weg über den noch verlassenen, ruhigen Hof zum Stall. Die Sonne lässt die Bergspitzen in einem hellen Rot erleuchten. Ich nehme einen tiefen Zug der frischen Morgenluft und genieße für einen Moment den Ausblick über das Tal, das unter Wolken versteckt ist und die erfrischende Ruhe.

Plötzlich wird eben diese unterbrochen: Mit voller Lautstärke dröhnt das Partyhitmedley von Fantasy aus der Richtung des Stalles und beschallt den ganzen Hof. Aha. Ist also doch schon jemand auf den Beinen. Dann mal nichts wie los und dem Chef helfen! Schließlich bin ich nicht zum Kururlaub hier - auch wenn die Location dafür ausgezeichnet wäre....


Ich bin nämlich für ein Praktikum hierhergekommen. Dieses ist fest in meinen Studiengang Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie an der Universität Hohenheim integriert, muss selbständig für eine Dauer von vier ein halb Wochen arrangiert und während des Grundstudiums absolviert werden.

Im August 2012 hab ich dieses Praktikum in Angriff genommen. Über eine Freundin hab ich von der Caritas Schweiz erfahren und dass diese Organisation Freiwillige an Schweizer Bauern vermittelt.

Ohne viel Bürokratie habe ich mir einen Betrieb in Graubünden, über die Homepage der Caritas, ausgesucht. Nachdem ich mit dem Landwirt ein paar Mal telefoniert hatte, um dies und das abzuklären, ging es auch schon los.

Die Anreise war mühelos und so kam ich am 13. August auf dem „Hof Crals" von N. Meier motiviert an. Der ledige Landwirt bewirtschaftet einen 40 ha großen Milchvieh- und Kälbermastbetrieb, den er biologisch, nach bio inspecta Richtlinien, führt. Die Herde umfasst 29 Milchkühe, einen Stier und 24 Kälber.

Im Gegensatz zu dem rund 100 Jahre alten Wohnhaus ist der Stall, der im Frühjahr 2011 nach fast zwei Jahren Bauzeit fertig gestellt wurde, sehr modern und verfügt über neuste Technik, wie z.B. einen Deckenkran, der Arbeiten rund ums Heu und Stroh deutlich vereinfacht.

Man merkt, dass das Wohnhaus schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und es lädt mit einer urigen Gemütlichkeit ein. Obwohl es sich doch stark von Zuhause unterscheidet, fühlte ich mich sofort wohl.

Ich wurde durch den Landwirt sehr nett begrüßt und aufgenommen. Außer mir war für die ersten beiden Wochen meines Aufenthalts noch eine weitere freiwillige Helferin auf dem Hof. Aus uns entstand ein super Team das sowohl bei den täglichen Pflichten als auch nach getaner Arbeit privat gut harmonierte.

In den folgenden fünf Wochen durfte ich alle Arbeitsbereiche kennenlernen, vom Mähen der Wiesen über das tägliche Melken der Kühe und dem Ausmisten bei den Kälbern bis zum Heu laden mit dem Ladewagen und dem Arbeiten mit dem Deckenkran.

Die Tage begannen eigentlich immer gleich. Nach dem Aufstehen und einem schnellen Tee ging es zunächst in den Stall. Die zehn Kühe, die den Sommer über auf dem Hof blieben, mussten zweimal täglich, also morgens und abends, gemolken werden. Die Milchproduktion auf dem Hof geht zum Großteil in die Kälbermast ein und zu einem kleinen Teil in den Selbstverzehr.

Die anderen 19 Kühe sind in den Sommermonaten auf verschiedenen Bioalpen untergebracht, wo sie von Alppersonal betreut werden. Aus der Milch dieser Kühe wird, direkt auf der Alp, Käse und Butter hergestellt.

Nach dem Melken des Milchviehs und Füttern der Kälber wurde gefrühstückt. Die weiteren Tätigkeiten am Vormittag richteten sich dann nach dem Wetter. Bei schönem Wetter mähten wir die verschiedenen Wiesen, die zum Hof gehören. Da sich der Hof in der Bergzone IV befindet, ist das Mähen mit großen Maschinen quasi unmöglich. Deshalb mähten wir mit zwei Balkenmähern und Motorsensen. Anschließend wurden Felsen und Bachläufe in der Wiese sowie maschinenunzugängliche Bereiche von Hand ausgerecht und das Heu zu Mahden zusammengetragen.

Meistens wurde um 12 Uhr zu Mittag gegessen. Die „Mittagspause" ging dann meist bis halb zwei.

Anschließend wurde das gemähte Gras mit dem Terratrac, ein besonders für steiles und bergiges Gelände entwickelter Traktor mit breiter Spur und niedrigem Schwerpunkt, gezettet.

Obwohl der Landwirt mir es mehrfach angeboten hatte, mich auch mal an dem Terratrac zu versuchen, blieb ich doch lieber bei meinem Rechen.
An guten und vor allem warmen Tagen konnten wir zum Teil schon am weiteren Nachmittag das Heu zu Mahden schwaden und später in den Stall einfahren.

Bei Regen oder starkem Nebel haben wir die anfallenden Aufgaben im Stall erledigt: Ausmisten der Kälber und Kühe, Einstreuen der Kälberboxen mit Stroh oder Reparieren verschiedenster Dinge. Bei schlechtem Wetter hatten wir ebenfalls die Möglichkeit die Weiden neu abzustecken.

Da der Bauer Butter, Käse und Fleisch auch zum Teil direkt über seinen Hof vermarktet, wurden auch solche Arbeiten, wie Portionierung von Butter und Käse, an solchen Tagen erledigt.

Vor dem Abendessen und einer erholsamen Dusche wurde in einer täglichen Routine noch einmal gemolken und gefüttert. Auch abends lief die Musikanlage im Stall zu Höchstleistungen auf. Die Schlagersammlung sorgte dafür, dass die Zeit im Stall förmlich verflog.

Beim Heuen und Mähen wird der Bauer von seinem Bruder unterstützt. Zusätzlich hat er mit einem befreundeten Ehepaar eine Art Arbeitskooperation, wobei sie sich gegenseitig bei anfallenden Arbeiten unterstützen. Über die Sommermonate verteilt sind dann meist noch ehrenamtliche Helfer, die über die Caritas Schweiz an Bauernhöfe vermittelt werden, auf dem Hof. Zudem verfügt der Landwirt über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, auf den stets Verlass ist und tatkräftig mithilft.

Auch mein Beitrag als Praktikant wurde sehr geschätzt. Der Landwirt hat mir oft gesagt, dass ich eine große Hilfe bin, was man natürlich gerne hört und Selbstvertrauen beim Erledigen der verschiedenen Arbeiten gibt.
So kam es dann auch, dass er mir den Stall komplett anvertraut hat und ich an zwei Tagen das Melken und Kälberfüttern alleine übernahm.

Ein arbeitsfreies Wochenende hatte ich so an sich nicht. Schließlich müssen auch Samstag und Sonntag diejenigen Aufgaben, die die Tiere betreffen, erledigt werden. Sonntags blieb es bei den Stallarbeiten, wobei der Samstag voll ausgenutzt wurde.

An manchen Tagen war ich bis zu 18 Stunden auf den Beinen. Abgesehen von den Mahlzeiten waren das dann reine Arbeitsstunden. An diesen Tagen war das gemütliche abendliche Beisammensitzen dann eher von kurzer Dauer denn das Verlangen nach einem erholsamen Schlaf war einfach größer.

An weniger arbeitsintensiven Tagen saßen wir aber doch auch mal noch bis in die späten Abendstunden unter freiem Himmel zusammen, diskutierten die verschiedensten Themen oder haben einfach viel zusammen gelacht.

Der gesamte Zeitraum meines Praktikums war sehr arbeitsintensiv, so hielt sich meine Freizeit in Grenzen. Private Unternehmungen beschränkten sich auf kleinere Ausflüge in der Region, welche aber durch grandiose Aussichten und wunderschöne Natur entschädigten.

Mein Praktikum war nicht vergütet, es war ganz nach dem Motto: Kost und Logis gegen Arbeit. Ich war am Schluss auch sehr froh darüber. Wenn ich zwar das Geld für die Arbeitsstunden bekommen hätte, aber für Unterkunft, Lage, Unterhaltung und vor allem Lebensmittel hätte selbst aufkommen müssen, wäre mein Studentenkonto sofort im Minus gewesen.

So gingen fünf anstrengende aber auch wunderschöne Wochen am 19.September auf „Hof Crals" zu Ende. Trotz der körperlich harten Arbeit und den anstrengenden Tagen fiel mir der Abschied sehr schwer.

Der Betriebsleiter und sein soziales Umfeld hatten mich von Anfang an wie ein Teil der Familie behandelt, somit war auch eine längere Überlegung über die Einladung nächstes Jahr wieder kommen zu dürfen hinfällig und ich sagte sofort zu.

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