Wie der Grünen-Politiker am Donnerstag (12.1.) bei der Vorstellung der Studie „Fundamente statt Säulen: Vorschläge zur Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik“ in Berlin ausführte, will er weg vom Säulenmodell und hin zu einer Honorierung von Leistungen, die sich den Ökolandbau zum Leitbild nimmt und diesen als Premiumstandard für öffentliche Gelder definiert. Betriebe, die lediglich nach den gesetzlichen Bedingungen wirtschafteten, sollten keine Agrarsubventionen mehr erhalten, so Häusling.
Das derzeitige Modell einer export- und wachstumsorientierten Landwirtschaft beschere zwar dem Handel und der Lebensmittelindustrie satte Gewinne; es sichere aber weder den Bauern ein angemessenes Einkommen noch entspreche es den Erwartungen der Verbraucher. Der Grünen-Politiker will, dass das Zahlungssystem ab 2020 und dann bis spätestens 2034 umgebaut wird. Für den Übergang zu tiergerechteren Haltungssystemen müsse die Förderung schrittweise angepasst werden. Dafür seien eine neue EU-Definition für regional angepasste, artgerechte Haltungssysteme und der Ausbau der Weidehaltung nötig.
Der Erhalt und Wiederaufbau der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft, erweiterte Naturschutzleistungen und die Förderung benachteiligter Gebiete sollte laut Häusling durch spezielle Fördermodule gewährleistet werden, die sowohl für den vorgeschlagenen Premiumstandard Ökolandbau als auch für andere Standards angeboten würden. Dabei denkt der Grünen-Politiker an „einfach zu überprüfende Betriebsfaktoren“, so etwa die Weidehaltung, eine Mindestfruchtfolge oder die ausschließlich organische Düngung. Ansonsten drohe wieder „ein bürokratischer Overkill“. Die Bindung der Tierhaltung an die in der Region vorhandene Futterbaufläche als generellen Standard peilt Häusling als mittelfristiges Ziel an. Grundlage der heimischen Eiweißversorgung müsse der Leguminosenanbau in Europa werden.
Prozessqualität deutlich machenHäusling hatte die Studie in Auftrag gegeben. Mitautorin Reinhild Benning von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch empfiehlt darin, der Nahrungsmittelindustrie und dem Handel zur Auflage zu machen, die Prozessqualität von Lebensmitteln zu kennzeichnen. Analog der
Eierkennzeichnung sollten alle Lebensmittel in die Kategorien 0, 1, 2 oder 3 eingeteilt und gekennzeichnet werden, wobei die Ziffer 0 den Ökolandbauanforderungen entsprechen sollte. Die Ziffer 3 kennzeichne dann, „dass lediglich gesetzliche“ Mindestanforderungen eingehalten würden. In die Ziffern 1 und 2 sollten Bauernhöfe für Verbraucher sichtbar gemacht werden, die beispielweise mit geringerem Pflanzenschutzmitteleinsatz und tierfreundlicher Weidehaltung besondere Leistungen erbrächten. Den Landwirten sollte dabei ausdrücklich kein Mehraufwand entstehen, betonte Benning. So könnten Konsumenten am Verkaufsregal die aus ihrer Sicht „besten Bauern“ erkennen und zu deren Wertschöpfung beitragen.
Bei verarbeitenden Produkten empfiehlt Benning die Einteilung der Produkte nach den Bewertungen der meisten Zutaten ab einem bestimmten Schwellenwert ähnlich der Vorgabe beim Regionalfenster des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Nach Schätzung von Benning dürfte der komplette EU-Agrarhaushalt gebraucht werden, um die Landwirte in die Lage zu versetzen, von einer Stufe in die nächst höhere zu gelangen, Höfe in benachteiligten Regionen zu erhalten und Natur- und Artenschutz in die Agrarfläche zu integrieren. Im Jahr 2028 sollte die Förderung für Betriebe der Kategorie 3 auslaufen.
Passende Märkte suchenIn der Studie wird ausgeführt, dass mehr als 65 % der EUBürger sich „neue Prioritäten für die EU-Agrarpolitik“ wünschen. Klima- und Tierschutz sollten nach dem Willen der Steuerzahler Vorrang bei der Vergabe der aktuell 58 Mrd. Euro an jährlichen EU-Agrarsubventionen erhalten. Kritisiert wird, dass der Tierschutz bisher in der Landwirtschaftspolitik „praktisch keine Rolle“ spiele. In Europa gebe es inzwischen einen gesellschaftspolitischen Konsens, dass öffentliche Gelder nur für öffentliche Leistungen zu zahlen seien, so die Autoren. Dem Greening bescheinigt die Analyse „weitgehende Wirkungslosigkeit“. Mitautor und ebenfalls Germanwatch-Vertreter Tobias Reichert führte als Beleg für das Scheitern der „alten“ Agrarpolitik die Erzeugerpreiskrise bei Milch an. Er kritisierte, dass auf dem Weltmarkt ausschließlich über den Preis konkurriert werde. Sinnvoller wäre es, Märkte zu finden, die den Mehraufwand in der Produktion, für Tierschutz und weitere Maßgaben auch entlohnten.
Vor tiefen EtateinschnittenAuch für Trees Robjins von Birdlife Europe gehört die EU-Agrarpolitik auf den Prüfstand. Die vorgeschlagene Förderabstufung und Kennzeichnung bewertet sie als interessant. Die
GAP müsse auf ihre Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz mit anderen EU-Gesetzen untersucht werden. Gerade in Zeiten des wachsenden Euroskeptizismus, in denen viele Politikbereiche vor tiefen Haushaltseinschnitten stünden, seien Steuergelder der gesellschaftlichen Legitimität besonders verpflichtet. Jan Douwe van der Ploeg von der Universität Wageningen in den Niederlanden betonte, eine zukunftsfeste europäische Landwirtschaft müsse divers und multifunktional, konsequent nachhaltig und den heimischen Märkten und Verbraucheransprüchen verpflichtet sein. Das derzeitige Säulen-Förder-System werde diesem Anspruch nicht gerecht.
Hofläden nicht überfordernDer Vorschlag, klare Angaben über Herstellungsart und Herkunft auch für Fleisch und für pflanzliche Lebensmittel einzuführen, stieß bei der SPD-Landtagsfraktion in Bayern auf große Zustimmung. Verbraucherschutzexperte Florian von Brunn betonte, dass ein einfaches System gebraucht werde, das den Verbrauchern helfe, sich im Label-Dschungel zurechtzufinden. Solche Initiativen seien bei den CSU-Landwirtschaftsministern im Bund und in Bayern bisher „stets auf taube Ohren gestoßen“. Der SPD-Landesumweltpolitiker Klaus Adelt mahnte indes an, dass die Einführung neuer Kennzeichnungen praxisgerecht erfolgen müsse und Hofläden sowie das kleine Ernährungshandwerk nicht überfordern dürfe.