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26.06.2013 | 10:32 | Lobbyland 

Demokratie durch Lobbyismus gefährdet

Berlin - Die Kanzlerin greift zur Mortadella. «Es gibt Dinge, von denen wollen die Menschen wirklich nicht wissen, wie sie gemacht werden: Gesetze und Kriege. Und Wurst.»

Lobby
(c) proplanta
Das sagt die Schauspielerin Katharina Thalbach als Regierungschefin Murkel in der Polit-Satire «Der Minister». Das Gerangel um Regelungen und Formulierungen in Gesetzestexten ist sprichwörtlich.

Verfechter von mehr Transparenz befürchten, dass dabei allzu oft Lobbyisten im Hintergrund die Fäden ziehen. Ein Report der Initiative Lobbycontrol mahnt, Deutschland lasse den professionellen Einflussnehmern viel zu oft freie Hand.

«Es gibt in Deutschland sehr wenig Regeln für Lobbyisten, es gibt sozusagen keine ordentliche Verkehrsordnung, die den Umgang von Lobbyisten mit Politikern regelt», sagt Timo Lange, Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins, der die Einflussnahme von Lobbyisten begrenzen will.

Die Warnung der Lobby-Kritiker: In der jetzigen Form höhlt Lobbyismus die Demokratie aus, macht Entscheidungen undurchsichtig und bevorzugt Interessengruppen mit dickem Portemonnaie. Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann bezeichnete Lobbyismus einmal als «Schattenpolitik».

Beispiel mangelnde Transparenz: Nach Schätzungen arbeiten in Berlin etwa 5.000 bis 6.000 Lobbyisten - die genaue Zahl kennt niemand. Es gibt kein Lobbyregister, die freiwillige Verbändeliste des Bundestags greift aus Sicht von Lobbycontrol und Transparency International zu kurz. Immer wieder gebe es verdeckte PR- und Lobbykampagnen, bei denen unklar sei, wer sie finanziert, warnt Lange.

Beispiel «Seitenwechsel»: Viele Spitzenpolitiker wechseln nach ihrer Amtszeit auf hohe Wirtschaftsstellen - manchmal sehr schnell. Ein bekannter Fall ist das Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Ostseepipeline North Stream. «Wenn Lobbyverbände oder Unternehmen ehemalige Entscheidungsträger einstellen, sichern sie sich Insiderwissen über politische Prozesse und womöglich auch einen privilegierten Zugang zur Politik», kritisiert der Lobbyreport.

Beispiel Abgeordnetenbestechung: Deutschland kann die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifizieren, weil der Paragraf gegen Abgeordnetenbestechung im Strafgesetz zu lax ist.

Beispiel Parteienfinanzierung: Unternehmen können Parteispenden stückeln und so die Veröffentlichung der Herkunft verzögern oder ganz verhindern. Wer statt einer Spende auf Sponsoring setzt - zum Beispiel für Unternehmensstände auf Parteitagen - taucht gar nicht in den Rechenschaftsberichten auf.

«Manche Sachen haben ein Geschmäckle», sagt auch der Politikwissenschaftler Alexander Straßner von der Universität Regensburg. Er warnt jedoch davor, die Rolle von Interessengruppen zu verteufeln. «Politische Entscheidungsträger müssen immer zurückgebunden sein an die Realität.» Es sei sinnvoll, sich dabei Expertenwissen aus Verbänden zunutze zu machen - Interessenverbände als Teil der demokratischen Willensbildung.

«Es ist immer die Rede von der Stromlobby, der Pharmalobby. Aber wenn Greenpeace beim Bundesumweltministerium genau das Gleiche macht, dann ist das kein Lobbyismus», gibt Straßner zu bedenken.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Markus Kerber, sagte kürzlich, Wirtschaft und Politik müssten sich verstehen, um Probleme gemeinsam zu lösen.

«Lobbyismus an sich ist nicht schlimm», sagt Lobbycontrol-Experte Lange. «Schwierig wird es dann, wenn politische Entscheidungen zulasten der Allgemeinheit getroffen werden.» Deshalb fordert Lobbycontrol strengere Regeln, ein verbindliches Lobbyregister, mehr Transparenz, Wartezeiten für den Wechsel von Spitzenpolitikern in die Wirtschaft. Die Bilanz der schwarz-gelben Koalition sieht dabei aus Langes Sicht mau aus: Sie habe Verbesserungen in der Regel blockiert. (dpa)
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