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29.05.2016 | 17:20 | Milchpolitik 

EU-Kommission hat Milchkrise unterschätzt

Brüssel - Die Europäische Kommission hat die Milchmarktkrise unterschätzt. Das hat der Vizegeneraldirektor in der Generaldirektion für Landwirtschaft der EU-Kommission, Joost Korte, bei einer Anhörung des Landwirtschaftsausschusses des Europaparlaments unter dem Titel „Neue außergewöhnliche Marktmaßnahmen zur Begrenzung der Milchproduktion“ in Brüssel eingeräumt.

Milchpolitik
(c) proplanta
Die Behörde habe einen Preisverfall auf den europäischen Agrarmärkten in diesem Ausmaß nicht erwartet. Korte stellte in dem Zusammenhang fest, dass die Milchwirtschaft in der EU nicht nur das einhellig begrüßte Ende der Quote zu verkraften habe, sondern auch das Importverbot Russlands, auf das zuvor ein Viertel der EU-Milchexporte entfallen sei. Gleichzeitig erklärte er, dass die europäische Landwirtschaft den größten Anteil am aktuellen Milchüberangebot auf dem Weltmarkt habe.

Derweil betonte der Generaldirektor für Landwirtschaft im niederländischen Wirtschaftsministerium und Repräsentant der bis Ende Juni laufenden EU-Ratspräsidentschaft, Prof. Hans Hoogeveen, dass die Krise kein Grund dafür sein dürfe, die Marktorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aufzugeben und etwa wieder zu einer Quotenregelung für bestimmte Agrarprodukte zurückzukehren. Antworten auf EU-Ebene - wie die Vereinfachung von Antrags- und Abrechnungsverfahren - seien geboten, aber wichtig sei auch eine Flexibilität der Länder, auf die jeweiligen Krisenbranchen einzugehen, sagte Hoogeveen.

Immer noch geprüft werde, ob die Förderung von Exportkrediten ein geeignetes und auch im Blick auf die Grundsätze der Welthandelsorganisation (WTO) erlaubtes Instrument sein könnte.

Zwischenbericht der Experten erwartet

Ähnlich wie Agrarkommissar Phil Hogan vertröstete auch der Niederländer die auf ein verstärktes Handeln drängenden Europaabgeordneten auf den Agrarrat Ende Juni in Luxemburg. Laut Hoogeveen gilt es aber rasch, die Analysefähigkeit des europäischen „Milchmarktobservatoriums“ zu erhöhen; auch sollte die von der Kommission eingerichtete und mit zwölf Experten besetzte „Task Force Agrarmärkte“ (AMTF) baldmöglichst ihrer Aufgabe nachkommen und mögliche Maßnahmen für eine verbesserte Marktorganisation vorlegen.

Hoogeveen wies darauf hin, dass der Agrarrat den AMTF-Vorsitzenden Prof. Cees Veerman jetzt gebeten habe, bereits auf dem Juni-Rat einen Zwischenbericht zu liefern. Der endgültige Bericht soll im Herbst präsentiert werden.

Finanzielle Anreize bieten

Der Vorsitzende für Milch und Milchprodukte beim EU-Ausschuss der Bauernverbände (COPA), Mansel Raymond, warnte, dass mehr und mehr Landwirte in den Konkurs getrieben und zur Aufgabe ihrer Höfe gezwungen würden. Kurzfristige Hilfen reichten nicht. „Wir brauchen eine europäische Milchpolitik“, die den Landwirten einen höheren Anteil am Milchpreis garantiere, sagte Raymond. Die auf Grundlage von Artikel 222 eingeleiteten Maßnahmen zeigten bis jetzt keine Wirkung und müssten um finanzielle Anreize ergänzt werden.

Der Walliser zeigte sich jedoch kritisch gegenüber Forderungen nach einer neuen Marktregulierung oder einem Zurück zum Quotensystem. Die würde vor allem für junge Landwirte „sehr teuer“ werden. Dagegen vertrat der Vizevorsitzende der Arbeitsgruppe für Milch und Milchprodukte beim EU-Ausschuss ländliche Genossenschaften (COGECA), Tommaso Mario Abrate, die Auffassung, dass die Quote den Bauern in der Vergangenheit „sehr geholfen“ habe. Zur Bewältigung der aktuellen Krise könnte es sinnvoll sein, wenn etwa Genossenschaften zeitlich befristet „Erzeugerquoten“ aufstellten, so der Italiener.

Schaber für freiwilligen Lieferverzicht

Der Präsident vom European Milk Board (EMB), Romuald Schaber , stellte fest, dass eine nicht an die Markterfordernisse angepasste Milchproduktion das Problem sei. Der anhaltende Rückgang der Erzeugerpreise sei vernichtend. „Wir vom EMB setzen auf einen freiwilligen Lieferverzicht, der die Wenigerproduktion aus EU-Geldern mit 30 Ct/kg kompensiert“, erklärte Schaber. Derart flankiert könnte eine Senkung der Milchmenge auf freiwilliger Basis funktionieren und schnell greifen.

Die Finanzierung sei auch kein Problem, betonte der EMB-Präsident. Wolle man die Milchmenge, wie von der EU-Kommission berechnet, um 3 % reduzieren, entsprächen die benötigten Gelder in etwa der Summe der Superabgabe der beiden letzten Quotenjahre. Isabel Vilalba von der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC) forderte dagegen eine verpflichtende Mengenreduzierung, bei der es aber gleichfalls einen finanziellen Ausgleich für die Erzeuger geben müsse.

Weltmarktkonkurrenz beachten

Indes verwies der Präsident des europäischen Milchindustrieverbandes (EDA), Michel Nalet, auf die Anbieterkonkurrenz auf dem Weltmarkt, die unter erheblich günstigeren Bedingungen produzieren könne. In Neuseeland beispielsweise belaufe sich der Milchpreis auf 17,5 Cent/kg. Der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Dr. Czes ław Siekierski , resümierte zum Abschluss der Anhörung, dass Rat und Kommission jetzt gefordert seien, auf der Basis von Artikel 222 Maßnahmen der Milchmengenreduzierung zu ergreifen und diese auch finanziell zu flankieren. Für Anfang dieser Woche plane die größte Fraktion im EU-Parlament, die Europäische Volkspartei (EVP), einen Vorschlag mit einem Bündel von Maßnahmen zur Krisenbekämpfung auf dem Milchsektor vorzulegen, hieß es am vergangenen Freitag (27.5.) in Brüssel.
AgE
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