Landwirte müssen ihre Produkte nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts künftig entweder privat vermarkten oder einen neuen Weg für die gemeinsame Werbung finden. Denn laut Gericht sind die Sonderabgaben, mit denen die Lebensmittelbetriebe und Landwirte bislang den Absatzförderungsfonds der Land- und Ernährungswirtschaft finanzierten, verfassungswidrig.
Durch die Abgabenpflicht werde seit 2002 unzulässig in die unternehmerische Freiheit der Betriebe eingegriffen, ihr Geld für die eigene Werbung statt für die staatliche
Absatzförderung einzusetzen, entschied das Gericht am Dienstag. (Az: 2 BvL 54/06 vom 3. Februar 2009) Mit den jährlich rund 88 Millionen Euro wird die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen
Agrarwirtschaft (CMA/Bonn) finanziert. Die Abgaben betragen durchschnittlich 0,4 Prozent des jeweiligen Warenwerts. Nach den Worten der Richter ist der seit 1969 existierende Fonds seit dem Jahr 2002 verfassungswidrig. Das Verwaltungsgericht Köln hatte das Verfahren in Karlsruhe vorgelegt.
Geklagt haben ein Mühlenunternehmen, eine Geflügelschlachterei sowie der Hühnerhalter Georg
Heitlinger aus dem schwäbischen Eppingen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd
Sonnleitner, zeigte sich enttäuscht. «Ich bin und bleibe überzeugt, dass wir Landwirte auf den hart umkämpften Agrar- und Lebensmittelmärkten als Einzelunternehmer verloren sind, wenn wir nicht durch ein gemeinschaftlich finanziertes Netzwerk im Markt agieren können.» Die geforderten Zahlungen an die Landwirte, die Widerspruch gegen die Abgaben eingelegt haben, will der Verband aus seinen Rückstellungen zahlen. «Wir haben ein Polster angesetzt.»
CMA-Geschäftsführer Markus Kraus sprach von einem «schwarzen Tag für die Landwirtschaft». Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) bedauerte das Urteil. Es müsse nun geprüft werden, ob und welche Möglichkeiten blieben, auch künftig den Absatz im In- und Ausland zu fördern. Vor einer Gesetzesänderung will das Ministerium aber die Urteilsbegründung abwarten.
Dagegen bezeichnete die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Abgabe als «nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich». Im Saarländischen Rundfunk sagte der AbL-Vorsitzende Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, mit der Abgabe sei für Industrieprodukte geworben worden, während die direkt vermarkteten Lebensmittel der Bauern und Bäuerinnen das Nachsehen hatten.
Landwirte hatten sich unter anderem gegen den Fond gewehrt mit dem Argument, eine gezielte Förderung der nationalen Landwirtschaft sei angesichts der internationalen Verflechtungen ohnehin nicht möglich. Von der
EU-Kommission hatte die
CMA aber vor wenigen Wochen grünes Licht für weitere fünf Jahre Absatzförderung bekommen. Karlsruhe erklärte die Abgaben dagegen ohne Übergangsfrist für nichtig.
Eine Sonderabgabe zur Finanzierung einer staatlichen Absatzförderung könne unter engen Voraussetzungen zwar zulässig sein - etwa dann, wenn damit erhebliche Nachteile deutscher Landwirte im EU-weiten Wettbewerb ausgeglichen werden müssten. Davon war das Gericht noch in einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 ausgegangen. Inzwischen habe sich die Situation der Land- und Ernährungswirtschaft aber so stabilisiert, dass staatliche Werbung zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen nicht mehr geboten sei, hieß es. Außerdem sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass staatlich organisierte Werbung besser funktioniere als privatwirtschaftliches Marketing.
Nach Angaben der CMA wird eine zentrale Absatzförderung in den meisten EU-Ländern praktiziert. Teils wird sie aus Sonderabgaben, teils aus Steuern finanziert. Zur Arbeit der CMA gehöre nicht nur die reine Werbung, sondern auch die
Qualitätssicherung der Produkte sowie die Ernährungsberatung. (dpa)