Die dramatische Talfahrt der Milchpreise in den vergangenen Monaten hat nicht nur die Landwirte alarmiert. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) lädt für diesen Montag zum «Milchgipfel», um Auswege aus der bedrohlichen Krise für Tausende Höfe zu suchen. Dabei richten sich viele Blicke auf eine wichtige Schnittstelle: die Molkereien, die erst mit den Bauern verhandeln und am Ende mit den Handelsriesen.
«Ohne die Molkereien gibt es keine Besserung der katastrophalen Lage», heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Schließlich seien sie «der Flaschenhals, durch den fast die gesamte Milch hindurchgeht». Der
Bauernverband betont, nur an dieser Stelle könne die Milchmenge nach der jeweiligen Nachfrage gesteuert werden. Und auch Gipfel-Gastgeber Schmidt zielt in diese Richtung, um das erhebliche Überangebot als Ursache der Krise anzupacken. «Nur wenn wieder weniger Milch auf den Markt kommt, steigt der Preis.»
Dabei gibt es den einen, bundesweit einheitlichen Preis nicht. Jede der gut 90 Molkereien mit 220 Standorten hat ihren «eigenen», wie es beim Milchindustrie-Verband heißt. Und die Preise, die die Bauern bekommen, schwanken auch noch saisonal und regional. Mitte Mai lagen sie laut Bundesverband Deutscher
Milchviehhalter zwischen 17 Cent je Liter im Norden und 29 Cent in Bayern - wobei gilt, dass mindestens 35 Cent für ein kostendeckendes Wirtschaften hereinkommen sollten.
Das Geld für die abgelieferte Milch überweist die Molkerei den Bauern in der Regel im Folgemonat. Darin spiegelt sich also jeden Monat die jeweilige Marktsituation wider - auch im Lichte des Mengenangebots und der Kosten und Erlöse, die wiederum die Molkereien haben. Dabei ist der Einzelhandel einer der großen Abnehmer. Beliefert werden aber auch Weiterverarbeiter, die zum Beispiel tonnenweise Käse für Tiefkühlpizza ordern. Insgesamt die Hälfte der Milch verkaufen die Molkereien über die deutschen Grenzen hinaus im Export.
Neben den konjunkturellen Schwankungen richtet sich der Preis für die Bauern auch nach dem Gehalt an Inhaltsstoffen wie Fett und Eiweiß sowie Qualitätskriterien zum Beispiel zur Gesundheit der Kühe. Dafür gibt es Zu- oder Abschläge auf den Basispreis. Mindestpreise gibt es nicht. Generell können sich Bauern aber darauf verlassen, dass die Molkereien ihre Milch auch in Zeiten schwacher Märkte nicht ablehnen.
Die Konditionen für die Bauern hängen aber entscheidend davon ab, wie gut sich die Molkereien selbst bei ihren Abnehmern behaupten. Für die «weiße Linie» mit Trinkmilch oder Joghurt werden immer im Mai und November die Karten neu gemischt. In Ausschreibungen bewerben sich Molkereien dann bei den großen Handelsketten als Lieferanten für eine bestimmte Produktmenge - mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass ein eher billiges Angebot den Zuschlag bekommt. Größeren Spielraum haben
Aldi,
Lidl und Co. prinzipiell bei Eigenmarken. Denn für Milch und Joghurt mit schlichter Verpackung ohne Logo lassen sich leichter Lieferanten austauschen, als dass eine bekannte Marke aus dem Angebot fliegt.
Als «Milchpreismacher» für die Bauern stehen die Molkereien somit auch selbst unter Druck. Die Erwartungen sind dennoch hoch. Für die Verhandlungen mit dem Handel sollten sie sich stärker verbünden, mahnt der Bauernverband. Generalsekretär Bernhard Krüsken verweist auch auf Modelle, bestimmte Mengen zu einem festen A-Preis abzunehmen - und absehbar schlechter zu vermarktende Milch darüber hinaus zu einem niedrigeren B-Preis.
AbL-Vize Ottmar Ilchmann fordert von großen Molkereien einen «Bonus für Mengenvernunft» für Bauern, die ihre Menge zumindest leicht senken. Die Milchindustrie selbst setzt etwa auf Kosteneinsparungen und weitere Exportmärkte. Auch über neue Preismodelle werde teils nachgedacht, heißt es beim Verband. Über die Milchmengen entscheide am Ende aber der Preis, nicht die Molkerei.