Sie überwanden mühelos die Zäune des Kernkraftwerks Koeberg, erklommen das Dach des Betonbaus und hissten ihr Transparent «Nukes out of Africa» (Atombomben raus aus Afrika). Die Aktion am 24. August 2002 demonstrierte auch, wie schlecht das einzige AKW Afrikas gesichert war.
Die Südafrikaner haben sich damals darüber nicht besonders aufgeregt. Ebenso wenig tun sie das nun nach der Katastrophe von Fukushima. In den Tagen, als die Schreckensbilder aus Japan über die Fernsehschirme flimmerten, verabschiedete das Kabinett in Pretoria ungerührt den neuen Energie-Plan. Er sieht den Bau von sechs neuen Kernkraftwerken vor.
Die südafrikanische Atom-Aufsichtsbehörde NNR versteht die Aufregung in Deutschland, wo es jetzt um einen schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft geht, gar nicht. «Die Folgen des Atomunfalls, was den Verlust von Menschenleben angeht, sind im Vergleich zu der Zahl der Opfer als Folge der verheerenden
Überschwemmungen unbedeutend», betont NNR-Chef Boyce Mkhize mit Blick auf die Ereignisse in Japan. «Die Behauptungen über Gefährlichkeit oder Untauglichkeit von Atomkraft basieren nicht auf realen Fakten.» Täglich würden auf den Straßen bei Unfällen ungleich mehr Menschen getötet als in der Atomindustrie, fügt der Nuklearexperte des staatlichen Energieunternehmens Eskom, Tony Scott.
Südafrikas Nuklearanlage liegt inmitten eines dicht besiedelten Ballungsraums mit knapp vier Millionen Einwohnern nahe Kapstadt. Von Koeberg hat man einen ungehinderten Blick auf ein majestätisches Gebirgsmassiv mit dem über 1.000 Meter hohen Tafelberg oberhalb der Metropole. Vor allem aber befindet sich das AKW auch in einem Gebiet, in dem es durchaus ähnliche Erdbeben wie in Japan geben kann.
Nach Angaben der Regierung ist Koeberg für ein Erdbeben der Stärke sieben auf der Richterskala sowie eine Tsunamiwelle von acht Metern gewappnet. Das stärkste Beben, dass es in der Region am Kap seit Menschengedenken gab, hatte 1809 eine Stärke von etwa 6,5. In Japan erreichte das Beben Stärke 9, die Tsunamiwelle war teils mehr als 20 Meter hoch.
Mkhize verweist allerdings auf die nach seiner Einschätzung überlegene Sicherheit des einzigen Kernkraftwerks auf dem schwarzen Kontinent. Das AKW Koeberg, 30 Kilometer nördlich von Kapstadt malerisch an einer Bucht mit Sandstränden gelegen, sei viel besser gewappnet als Fukushima. Es habe vor allem deutlich bessere Vorkehrungen als das japanische Kraftwerk gegen einen Ausfall von Strom und damit der Kühlsysteme.
Experten warnen davor, die Erdbebengefahr in Südafrika zu unterschätzen. «Es ist durchaus vorstellbar, dass das Kernkraftwerk Koeberg einem Erdbeben mit einer Stärke von über acht auf der Richterskala ausgesetzt sein könnte», meint der Geologe Chris Hartnady vom Wissenschafts-Beratungsinstitut Umvoto in Muizenberg bei Kapstadt. «Ich stimme nicht damit überein, dass es überhaupt kein Risiko gibt, allerdings ist es nicht groß», sagt der Wissenschaftler. Gerade die Katastrophe in Japan habe demonstriert, dass Risikovoraussagen auf höchst wackeligen Füßen stehen.
Auch
Greenpeace und andere Umweltorganisationen in Südafrika haben in den vergangenen Tagen die Regierung gewarnt, den Ausbau der Kernenergie wie geplant massiv voranzutreiben. Die Technologie sei letztendlich «nicht beherrschbar». Das gesteckte Ziel des stark von Kohlekraft abhängigen Landes aber bleibt, bis 2030 etwa 23 Prozent des Energiebedarfs mit Atomkraft abzudecken. Derzeit sind es etwa 6 Prozent.
Die Resonanz auf die Warnungen der Atom-Gegner und Skeptiker ist in Südafrika minimal. Öffentlichkeit und Medien beschäftigen sich derzeit mit anderen Problemen: Mit den Korruptionsvorwürfen gegen die Polizei, mit dem Kommunalwahlkampf oder der Frage, ob das Fußball-Nationalteam nun doch den geschützten Namen «Bafana Bafana» behalten darf. (dpa)