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17.05.2010 | 11:34 | Geflügelwirtschaft 
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AbL: Spekulationsblase führt zu "Hähnchenblase"

Hamm - Auf „dramatisch anwachsende Überkapazitäten von Schlachtereien und Stallanlagen in der Hähnchenbranche“ hat erneut die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingewiesen.

Geflügelfleisch
(c) proplanta
Parallel zum Ausbau der Schlachtstätten durch den Wesjohann- und den Stolle-Konzern und zum geplanten Neubau eines Riesenschlachthofs durch den Rothkötter-Konzern in Wietze bei Celle wolle nun auch die niederländische Plukon-Geflügelgruppe zusätzliche Kapazitäten in Deutschland aufbauen und ihre Produktion im vorpommerschen Storkow bis 2012 verdoppeln.

AbL-Sprecher Eckehard Niemann verwies auf zahlreiche beantragte 400.000er-Mastanlagen in Ostdeutschland, z.B. in Klein Daberkow und auf eine geplante Großbrüterei im benachbarten Woldegk. Deren Investoren seien auf verschiedenen Internetseiten als Mitarbeiter der Plukon-Tochterfirmen Agrifirm und Strahmann aufgeführt. Die Muttergesellschaft Plukon (Marke „Friki“) wiederum, immerhin drittgrößter Geflügelschlachter Europas, sei kürzlich vom internationalen Finanzinvestor Gilde-Buy-Out übernommen worden. Auch der holländische Geflügelkonzern Storteboom sei von der britischen „ 2-Sisters“-Holding aufgekauft worden. Manche Kritiker sprächen bereits vom „Einmarsch der Heuschrecken in die Hähnchenställe“.

„Offenbar“, so Niemann, „weitet sich die internationale Spekulationsblase nun auch auf den Geflügelsektor aus und führt zu einer Hähnchenblase“. Den zusätzlichen Überschuss- und Preisdruck und den bevorstehenden Zusammenbruch des Hähnchenmarktes würden die Schlachtkonzerne auf die von ihnen total abhängigen Vertragsmäster abwälzen. Der auch in Deutschland produzierende französische Doux-Konzern habe laut Lebensmittelzeitung bereits 2009 rote Zahlen geschrieben. Die AbL wertete es auch als deutliche Warnzeichen, dass der niederländische Futtermittelkonzern Cebeco seine Geflügelfirma Plukon nur noch zu „moderaten Preisen“ habe abstoßen können und dass jetzt auch der französische Landhandelskonzern Unigrains aus der Geflügelbranche ausgestiegen seien. 
 
Angesichts dieser bedrohlichen Vorzeichen wachse in der Geflügelbranche die Verärgerung der bestehenden Schlachtereien über die Förderung der Schlachthof-Pläne des Unternehmens Rothkötter durch die niedersächsische Landesregierung. Branchen-Insider berichteten, dass namhafte Vertreter der Branche kürzlich ihren Unmut in drastischer Form gegegenüber Agrarminister Ehlen und vermutlich auch gegenüber seiner Nachfolgerin Grotelüschen, die ja aus der Geflügel-Agrarindustrie stamme, deutlich gemacht hätten.

Unterdes bestätigte ein Redakteur des Weserkurier der AbL gegenüber nochmals die Äußerung Rothkötters in einem Artikel, wonach der Baubeginn seines Wietzer Schlachthofs womöglich vom Frühjahr 2011 um ein Jahr verschoben werden könnte. Rothkötter hatte diese Äußerung später dementiert, aber gegenüber anderen Journalisten einräumen müssen, dass er die für die erste Ausbaustufe benötigten 120 Vertragsmäster im Umkreis von Wietze nicht habe anwerben können. Dies führt AbL auch auf den anhaltenden Widerstand von mehr als 20 Bürgerinitiativen in diesem Raum zurück. Angeblich solle Rothkötter nur noch mit 50 Landwirten recht vage „im Gespräch“ sein, so dass die Kapazitäten in Wietze dann allenfalls durch „Hähnchen-Importe“ aus dem Emsland oder durch Stallbauten emsländischer Investoren in Ost- und Südniedersachsen auszulasten wären. Letzteres wiederum, so AbL-Sprecher Niemann, würde auf heftigste Proteste der hiesigen Landwirte stoßen. Erste Anfragen aus dem Emsland gebe es bereits.

Die AbL rief Landwirtschaftskammer und Bauernverband/Landvolk auf, die mit den Geflügelkonzernen durchgeführten Anwerbeveranstaltungen für Vertragsmäster sofort zu stoppen. Agrarindustrielle Anlagen mit ihrer nicht artgerechten Tierhaltung isolierten die Landwirte von der Gesellschaft, schafften tiefe Gräben zu den geschädigten Nachbarn in den Dörfern und schadeten dem Image ganzer Regionen. Angesichts zunehmender Exportprobleme und des kaum noch ansteigenden Geflügelverbrauchs seien auch „unseriöse Jubelmeldungen“ über den Geflügelmarkt „völlig neben der Realität“. Die AbL forderte die Politik auf, sich für ein Verbot von Agrarfabriken, bessere Nutztierhaltungs-Verordnungen und die Förderung der Zukunftsmärkte einer „artgerechten Tierhaltung auf Bauernhöfen und in lebendigen Regionen“ einzusetzen. (AbL)
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Kommentare 
Markgraf schrieb am 24.05.2010 17:40 Uhrzustimmen(177) widersprechen(114)
Ohne die beträchtlichen Fördermittel für die Mastanlagen würde kein Hedgefonds, kein Konzern und kein Landwirt diese weitgehend überflüssige Produktionsausweitung anpacken; aber bei 4 Millionen Euro Investition erhält der Antragsteller über EU, Bund und Land eine volle Million vom Steuerzahler. Dafür nimmt man in einer 200 000-Hähnchenanlage schon mal locker das vorzeitige Verenden von monatlich 4 000 bis 16 000 Tieren (zwischen 2% und 8%) in Kauf und beschert den glücklichen Überlebenden eine qualvolle LKW-Fahrt in den Elektroteich der Schlachtfabrik.
Antonietta schrieb am 18.05.2010 07:29 Uhrzustimmen(226) widersprechen(105)
Nur fünf Wochen Lebenszeit werden einem Masthähnchen zugestanden. Ein Quadratmeter ist der gesamte Lebensraum für 25 Tiere. Bis zu 8 Prozent, das sind jährlich rund 3 Millionen Tiere, sterben bereits während der Mast. Die Schlachtung bei völlig unzureichender Betäubung im Elektrobad beendet ein elendes Leben voller Qualen.
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