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05.03.2016 | 07:49 | Schafhaltung in Deutschland 
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Schäfer kämpfen um ihre Existenz - Wolf trägt mit Schuld

Düsseldorf - Wenn bei Kay Krogmann früh morgens das Telefon klingelt, bekommt er Angst. Spät abends das gleiche. Binnen drei Wochen hat der Schäfer zwei Übergriffe von Wölfen auf seine Tiere erlebt.

Schafhaltung in Deutschland
Etwa 1,6 Millionen Schafe gibt es in Deutschland. Der Großteil grast noch friedlich auf den Wiesen. Aber in einigen Bundesländern bedrohen Wölfe schon jetzt die Existenz von Schäfern - und bald könnte der Wolf bundesweit zu einer ernsten Gefahr werden, warnen Schäfer. (c) proplanta
Purer Stress für den 35-Jährigen aus Freiburg an der Elbe. «Ich kann nachts im Stall nicht das Licht ausmachen, weil die Schafe sonst in Panik geraten», sagt der Schäfer. Er könne kaum noch schlafen. Existenzkampf in Niedersachsen.

In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und eben Niedersachsen haben sich Wölfe bislang angesiedelt - und reißen auch Schafe.

«Wir hier in Brandenburg verlieren kaum noch Schafe an den Wolf. Aber wir verlieren Geld», sagt Knut Kucznik, der Vorsitzende des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg. Jens-Uwe Schade vom brandenburgischen Umweltministerium sieht die Schäfer besser vorbereitet: «Die Wölfe vermehren sich, aber die Anzahl der Übergriffe steigt nicht proportional dazu.» Kucznik erklärt: «Wenn man das Geld zum Schutz der Schafe hat, ist der Wolf im Allgemeinen nicht wirklich eine Bedrohung.»

Auch NABU-Wolfsexperte Markus Bathen sagt: «Mit bestimmten Zäunen und Hundetypen können die Schafe hochgradig geschützt werden.» Die Schafhalter müssten beim Aufstellen der Zäune einen anderen Blickwinkel einnehmen: Es gehe weniger darum, dass die Schafe nicht entkommen könnten, sondern darum, dass Wölfe nicht hereinkämen. «Bachläufe müssen zum Beispiel abgesichert werden. Denn Schafe gehen zwar nicht durch Wasser, der Wolf aber schon», sagt Bathen.

«Wir können uns zum Beispiel wegen der vielen Gräben nicht ausreichend mit Zäunen behelfen», klagt Krogmann. Das hat fatale Folgen. Denn Entschädigungen vom Land gibt es nur, wenn die Schafe ausreichend geschützt sind - und für ihn deshalb nicht mehr. «Niemand hier oben im Norden kann sich mit den Zäunen schützen», sagt Krogmann. Man brauche regionale Anpassungen. Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverein sieht das ähnlich: «Es ist völlig unrealistisch, Hunderte von Kilometern an Deichen wolfssicher einzuzäunen.»

Doch an den Deichen gibt es ein weiteres Problem: Herdenschutzhunde wie der Pyrenäenberghund können dort nicht eingesetzt werden, weil sie zu aggressiv gegenüber Fremden sind. «Man müsste die Deiche sperren, weil die Hunde sonst Passanten angreifen», sagt Krogmann.

Zusätzlich seien die Hunde zu teuer. «Unsere etwa 1.800 Schafe haben wir im Winter in sieben oder acht Herden aufgeteilt. Da müsste ich 25 bis 30 Herdenschutzhunde kaufen», sagt der Schäfer. Bei Preisen von etwa 4.000 Euro und Unterhaltskosten von rund 1.000 Euro pro Hund im Jahr sei das nicht bezahlbar.

Die Länder unterstützen die Schäfer nur beim Kauf von Hunden und Zäunen, die Unterhaltskosten muss jeder selbst zahlen. «Wir geben unser letztes Geld für die Schafe», sagt Knut Kucznik im Brandenburgischen. «Wenn dann doch ein Tier gerissen wird, bekommen wir den materiellen Wert ersetzt - aber da werden Tiere gefressen, die man liebt. Das ist nicht mal eben ersetzbar.»

Wölfe, die die Tiere in Ruhe lassen, seien ja in Ordnung. «Aber wenn ein Wolf in Niedersachsen 120 Schafe reißt, dann ist das ein Problemwolf - und den sollte man erschießen», fordert Kucznik.

Auch die Wolfsmanagementpläne sähen das vor - doch die Politik weigere sich. Dass Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) Wolfspate ist, stößt einigen bitter auf.

Das lokale Problem der vier Bundesländer, in denen der Wolf bislang heimisch ist, kann bald ein nationales werden. Denn die Wölfe könnten sich in vielen Regionen in ganz Deutschland ansiedeln, sagt NABU-Experte Bathen.

In Nordrhein-Westfalen wären das zum Beispiel die Eifel, der Westerwald oder das Sauerland. «Ich rechne damit, dass wir in den nächsten zwei bis drei Monaten auch in NRW Risse haben werden», sagt Gerd Dumke, ein Vorstandsmitglied des Schafzuchtverbands in NRW.

Kay Krogmann hat alles probiert: Aber selbst abschreckende Leuchtstrahler aus Australien verfehlten ihre Wirkung. Seine Schafe immer im Stall zu halten, sei zu teuer. Irgendwann müsse er die Notbremse ziehen. «Die Tiere aufzugeben, ist für mich der absolute Horror, aber immer noch besser, als wenn der Wolf sie zerfleischt», sagt der 35-Jährige.

Das Land Niedersachsen etwa müsse auf die Nöte der Schäfer eingehen. Sonst sei seine Existenz und die Tradition der Schäfer gefährdet: «Wenn das so weitergeht und nichts geändert wird, sind wir in zehn Jahren ausgestorben.»


Eine Übersicht über Wolfsichtungen und -angriffe finden Sie im Proplanta-Maps-Projekt Wölfe in Deutschland.
dpa
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Kommentare 
Hans - Georg schrieb am 07.03.2016 10:14 Uhrzustimmen(194) widersprechen(194)
Offensichtlich ist die Politik nicht in der Lage, Probleme zu beheben.
user10 (Satire) schrieb am 05.03.2016 18:57 Uhrzustimmen(241) widersprechen(210)
Na dann ist das Ziel doch bald erreicht! Sobald die Wiesen aufgegeben werden, können sie wieder verwildern und der Natur zurückgegeben werden. Geniale Idee das mit dem Wolf, man muss die Grundstückseigentümer noch nicht mal entschädigen. Und Nahrungsmittel aus dem Ausland sind sowieso billiger.
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