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18.02.2017 | 07:14 | Naturschutz 

Bialowieza-Urwald muss erhalten bleiben

Frankfurt / Bialowieza - Einst jagten russische Zaren und polnische Fürsten in den Wäldern von Bialowieza, die heute durch die polnisch-weißrussische Grenze geteilt sind.

Naturschutzgebiet
Er ist eines der letzten großen Wildnisgebiete Europas: Der Bialowieza-Urwald in Polen und Weißrussland. Hier leben noch Wölfe, Luchse, Wisente und Rotwild. Doch dem Naturparadies droht Gefahr durch den Menschen. (c) proplanta
Mit dem 20. Jahrhundert kam der Naturschutz in die für ihren Artenreichtum bekannten Wälder.

Auf polnischer wie auf weißrussischer Seite sind Teile des Waldsystems Nationalpark mit einer streng geschützten Kernzone, die auf der Weltnaturerbe-Liste der UNESCO steht.

Doch nicht alles ist gut in dem Urwald, in dem auch tagsüber noch Wölfe oder Rotwild, Wisente oder Luchse gesichtet werden. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) engagiert sich auf weißrussischer Seite mit einem Projekt, das Moore wieder verwässert und langfristig den Grundwasserspiegel wieder ansteigen lassen soll.

«Wir wollen den Wald wieder natürlicher gestalten - und dazu gehört, die zur Verfügung stehenden Flächen wieder zu vernässen», sagt Projektleiter Michael Brombacher, der bei der ZGF für die Projekte in den letzten großen Wildnisgebieten Europas zuständig ist.

Mit moosbewachsenen Baumriesen, totem Gehölz voller Pilze und Insekten wirken die Wälder Bialowiezas auf den ersten Blick völlig ursprünglich. Doch es gibt Einflüsse des Menschen: Straßen durch den Wald, aber auch ein riesiges Netz von Entwässerungsgräben und von Flüssen, die begradigt worden sind.

«Das Wasser fließt sehr schnell aus dem Wald heraus, wird nicht gepuffert durch große Niedermoorgebiete, wie das früher der Fall war», erläutert Brombacher. «Die haben wie ein Schwamm gewirkt und das Wasser im Wald gehalten - jetzt fließt es sofort ab.» Der Grundwasserspiegel habe sich gesenkt und der Wald, der noch so ursprünglich wirkt, werde vielleicht in ein paar Jahrzehnten nicht mehr so natürlich aussehen, wenn sich verschiedene Baumarten nicht mehr verjüngen.

Auf einer 1.100 Hektar großen Fläche des Niedermoores Dziki Nikar wurde im vergangenen Dezember begonnen, 75 Kilometer Entwässerungsgräben mit 112 Dämmen zu verschließen, damit sich das Wasser wieder aufstauen kann. ZGF-Mitarbeiter wollen im Rahmen des auf fünf bis zehn Jahre angelegten Projektes die Auswirkungen der Renaturierung regelmäßig überprüfen.

«Wir erwarten, dass bestimmte Vogelarten zurückkehren», sagt Brombacher. Doppelschnepfe und Wachtelkönig etwa seien unter den seltenen Vogelarten, die dann wieder gute Brutmöglichkeiten haben sollen.

Mögliche Probleme gibt es auf beiden Seiten der Urwaldgrenzen. Zwar hat die weißrussische Regierung vor einigen Jahren die Kernzone des Nationalparks von 30.000 auf 60.000 Hektar verdoppelt. Aber trockene Moorflächen außerhalb des Parks stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Wegen der russischen Sanktionen etwa für Milchprodukte aus der EU werde derzeit jede zur Verfügung stehende Fläche in Weißrussland für Milchwirtschaft intensiv genutzt.

Schwerwiegender sind die Auswirkungen der im vergangenen Jahr begonnenen Abholzungen auf polnischer Seite - außerhalb des Nationalparks, aber innerhalb des Ökosystems Bialowieza.

Polnische Naturschützer haben die Entscheidung der nationalkonservativen Warschauer Regierung scharf kritisiert, und auch Brombacher hält die unter anderem mit Borkenkäferbefall begründeten Baumschläge für wenig sinnvoll.

«Im Naturwald ist das kein großes Problem», betont er. «Der Wald wird damit selbst fertig, er regeneriert sich von alleine.» Wenn einzelne Bäume absterben, bedeuten die toten Bäume Lebensraum etwa für Käfer und Pilze.

Auch auf polnischer Seite gebe es begradigte Wasserläufe und mehr Trockenheit angesichts des gesunkenen Grundwasserspiegels. «Aber die Motorsäge ist keine Antwort», betont Brombacher. «Man muss die Natur auch mal Natur sein lassen.» Dabei sei langfristiges Denken gefragt, sagt er mit Blick auf die Langlebigkeit von Bäumen: «Da reden wir von Jahrhunderten.»
dpa
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