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28.06.2015 | 08:43 | Feuchttücher bergen Gefahr 

Kanalisation durch Wegspül-Mentalität massiv belastet

Berlin - Als Saubermacher stehen Feuchttücher heute in fast jedem Badezimmer. Es gibt sie als Toilettenpapier, zur Babypflege, zum Abschminken und zum Putzen. Dabei können reißfeste Tücher aus Vlies eine Sauerei verursachen: in der Kanalisation, wenn sie im WC entsorgt werden.

Kanalisation verstopft
Feuchttücher versprechen schnelle und besondere Hygiene. Wie man sie richtig entsorgt, machen Hersteller aber ihren Kunden wohl nicht gut genug klar. Denn reißfest bleiben viele Produkte auch im Abwasser. (c) proplanta
Dieses Verhalten vieler Verbraucher haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) am Mittwoch angeprangert. Bundes- und weltweit verbreitet sieht man dort die Feuchttuch-Plage.

Das Problem stinkt gewaltig: Faulig-schwefeliger Geruch steigt aus einem der knapp 160 BWB-Pumpwerke empor. Sie alle helfen, Abwasser zu den Kläranlagen zu befördern. Aber immer öfter geht nichts mehr. Die Geräte sind blockiert, obwohl sie stark genug sind, um mehrere Badenwannen voller Schmutzwasser pro Sekunde zu verarbeiten. Als Übeltäter haben Spezialisten Feuchttücher ausgemacht: In der Kanalisation verzwirbeln und verklumpen sie, teils zu langen Strängen so dick wie ein Oberschenkel.

«Der Aufwand erhöht sich immer mehr», sagte die Chefin der BWB-Abwasserentsorgung, Ulrike Franzke. Daten zur Situation im Land hat die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) nicht erhoben. Aber man höre verstärkt und immer wieder seit wenigen Jahren von dem Problem. Eine Umfrage unter Verbänden im Nordwesten und Osten zeigt dem BWB zufolge: Mehr als 80 Prozent der Abwasserentsorger beklagen zunehmend «Faserstoffprobleme». «Feuchttücher erweisen sich als wahre Pumpenkiller», sagt ein Sprecher des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV).

Feuchte Tücher sind in Deutschland in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden, das Angebot im Handel breiter. Die BWB verweisen darauf, dass die Produktion von Vliesstoffen in Europa seit 1994 um 200 Prozent zugenommen habe.

In Berlin zeigt eine Mitarbeiterin, dass Tücher den Weg in der Kanalisation unbeschadet überstehen, nur ganz so weiß sind sie nicht mehr. Wie inzwischen auch Taschentücher bestünden Feuchttücher meist aus synthetischen Materialien, die sich im Wasser nicht zersetzen, erläuterte Franzke. Zudem sind sie getränkt mit Pflege- oder Reinigungslösungen und dadurch wie imprägniert.

Für Wasserbetriebe bedeuten verstopfte Pumpen Alarm - zu jeder Uhrzeit. Denn für Abwasser ist der Stauraum begrenzt. Bis zu zehnmal pro Tag müssten Geräte in Berlin geöffnet und manuell von Tücher-Stopfen befreit werden. Dabei passt eigentlich ein Fußball durch deren Öffnungen. Rund eine Million Euro pro Jahr an Kosten fällt den Angaben zufolge für die Arbeiten an.

Welche Art Tücher das Problem verursachen, lässt sich am Ende der Kette kaum noch sagen. Ebenso wenig, ob Kliniken oder Pflegeheime es verschärfen. Hersteller sehen sich kaum in der Pflicht: Einige teilen auf Anfrage mit, ihre Produkte seien mit einem Piktogramm gekennzeichnet, das vom Entsorgen im WC abrate. Andere reagieren gar nicht.

Auf Toilettenpapier oder WC-Desinfektionstüchern prangen Begriffe wie «spülbar» oder «biologisch abbaubar». Was genau das bedeutet, erläutern nur wenige - teils online und auf Englisch. In Großbritannien hatte das Thema schon größeres Aufsehen erregt: Etwa weil eine Umweltschutzorganisation berichtet hatte, dass gebrauchte Feuchttücher in Massen an Stränden angeschwemmt würden - ebenfalls wegen der Entsorgung via WC.

Zwar gebe es in der Industrie vermehrt Tests zum Abbau, eine Deklarationspflicht sei aber erst auf dem Weg, sagte BWB-Experte Jan Waschnewski - so lange blieben einige Verpackungen auch ganz ohne Hinweis. Hersteller sollten einheitliche und vom Verbraucher gut wahrnehmbare Hinweise anbringen, fordert auch das Umweltbundesamt. Daher die BWB-Kritik: «Nur menschliche Ausscheidungen, Klopapier und Wasser gehören in den Abfluss.» Alles andere müsse in den Müll. (dpa)
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