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26.08.2015 | 09:45 | Gift in Neckar und Jagst 

Löscharbeiten bei Mühlenbrand lösen Umweltkatastrophe aus

Kirchberg an der Jagst - Löscharbeiten bei einem Mühlenbrand in Baden-Württemberg haben eine Umweltkatastrophe ausgelöst. Über das Löschwasser wurde giftiges Ammonium in den Fluss Jagst gespült, der in den Neckar mündet.

Fischsterben in der Jagst
Verseuchtes Wasser macht einen Nebenfluss des Neckars zur Todesfalle für Tausende Fische. Behörden warnen vor Kanufahren und Baden, Angler kritisieren das Krisenmanagement. (c) proplanta
Fischvereine holten schon tausende tote Tiere aus dem Wasser. Das Landratsamt Schwäbisch Hall bemüht sich laut einer Sprecherin darum, die Giftkonzentration zu verringern.

«Das ist eine ökologische Katastrophe. Das ist das Aus für die Lebewesen in der Jagst», sagte sie am Dienstag. Aus Sicht von Achim Thoma vom Angelsportverein Jagst Langenburg hat die Behörde viel zu spät reagiert. Er sieht das gesamte Ökosystem in Gefahr. Wie weit sich das Gift im Wasser noch verbreitet, ist nicht absehbar.

Bei dem Großbrand in der Nacht zum Sonntag in Kirchberg an der Jagst war auch ein Gebäude betroffen, in dem größere Mengen Düngemittel lagerten. Darin ist Ammonium enthalten. Trotz Vorsichtsmaßnahmen der Feuerwehr gelangte verunreinigtes Löschwasser in die Jagst.

Die Behördensprecherin erklärte, die Feuerwehr erhöhe den Sauerstoffgehalt im Fluss durch Zuspritzen sauberen Wassers. Das solle den Schadstoffabbau beschleunigen. Andererseits werde belastetes Wasser an einem Wehr in Langenburg in eine Kläranlage gepumpt. Landwirte transportierten verseuchtes Wasser ab und verteilten es auf Feldern. Ein Speicherbecken wurde geöffnet, um Frischwasser in die Jagst zu leiten.

Dennoch fließe kontaminiertes Wasser flussabwärts, sagte die Sprecherin. In rund einer Woche könnte es die Neckarmündung erreichen. Mit einer Fließgeschwindigkeit von 400 Metern pro Stunde sei der Fluss dieser Tage vergleichsweise ruhig. Das Landratsamt im benachbarten Hohenlohekreis rechnete für den Abend damit, dass belastetes Wasser in seinem Zuständigkeitsbereich ankommt. Die Freiwilligen Feuerwehren stünden zur Belüftung bereit.

Je nach Fischart sei eine Ammonium-Konzentration von 0,5 bis 1 Milligramm pro Liter für die Tiere tödlich, hatte das Landratsamt Schwäbisch Hall mitgeteilt. Der kritische Wert wurde nach früheren Angaben anfangs an einigen Stellen bis zum 200-Fachen überschritten. Am Dienstag habe eine Probe in der Schadstoffblase 23 Milligramm pro Liter ergeben, sagte die Sprecherin. «Das ist zwar deutlich weniger - aber natürlich immer noch viel zu viel.»

Die Sprecherin räumte ein, die Behörde sei anfangs davon ausgegangen, die Maßnahmen zur Verdünnung des Wassers griffen schneller. Der Angelvereinsvorsitzende Thoma sagte: «Das Krisenmanagement des Landratsamts ist sehr schlecht.» Die einzige wirksame Maßnahme sei es, die Jagst komplett zu sperren und das Wasser abzupumpen.

«Das ist ein ökologisches Desaster», sagte Thoma. Zum einen seien in der Jagst geschützte Fischarten wie Mühlkoppe, Schneider und Nase beheimatet. Zum anderen seien von der Vergiftung auch andere Lebewesen betroffen wie etwa unmittelbar Bachflohkrebse oder infolge des Fischsterbens auch der Eisvogel. «Der frisst lebende Fische. Nun werden ganze Populationen abziehen», sagte Thoma. «Es werden viele Jahre nötig sein, um das Ökosystem wieder aufzubauen.»

Wie hoch der Schaden und die Kosten für den Einsatz sind, lässt sich derzeit weder aus Sicht von Thoma noch vonseiten der Behörde beziffern. Allein in Kirchberg habe der Fischverein schon sechs bis acht Tonnen tote Fische aus dem Wasser geholt, sagte Thoma. In Langenburg würden es schätzungsweise ebenso viele. Die Kadaver sollen laut Landratsamt in einer Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgt werden. Hunderte Helfer sind im Einsatz.

Das Landratsamt im benachbarten Heilbronn machte auf Gefahren auch für Menschen aufmerksam und riet dringend davon ab, in der Jagst zu baden, zu fischen, Wasser zu entnehmen oder Kanu zu fahren. Die Warnung gilt bis Montag. Das Feuer in dem Mühlenbetrieb hat einen Schaden in Millionenhöhe angerichtet. Die Brandursache war am Dienstag zunächst unklar.

Ammonium (NH4+) ist eine ionisierte, positiv geladene Form der Chemikalie Ammoniak (NH3), das wiederum eine gasförmige Verbindung von Stickstoff (N) und Wasserstoff (H) ist. In Verbindung mit anderen Stoffen bildet Ammonium laut Gesellschaft deutscher Chemiker feste Salze. Diese sind typischer Bestandteil in Düngemitteln. (dpa)
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