«Insektenfresser wie Rohr- und Laubsänger, Grasmücken und Schwalben finden nur im Frühjahr und Sommer genug Futter», sagt der Vogelkundler Peer Cyriacks von der Deutschen
Wildtierstiftung mit Blick auf unsere Breiten. Auch weil es einige Winter in Folge mild war, ersparen sich manche Vogelarten den kräftezehrenden Weg inzwischen aber teilweise oder ganz, wie Experten berichten.
Von den rund 250 Vogelarten, die in Deutschland brüten, sind etwa die Hälfte Zugvögel, nimmt der Naturschutzbund (Nabu) an. Die klassischen Zugvögel wie Schwalben verschwinden zwar «sämtlich» aus Deutschland, wie der Verhaltensbiologe Jörg Böhner von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Berlin sagt.
Gerade große Städte bieten aber auch im Winter fast alles, was das Vogelherz begehrt: Als «Wärmeinseln», so Böhner, heben sie sich vom Umland ab. Nicht nur sei die Temperatur für Vögel angenehmer, auch gebe es seltener eine geschlossene Schneedecke - was die Nahrungssuche vereinfacht. Daran, dass der Teller trotz Winters gut gedeckt sei, habe sich etwa die Mönchsgrasmücke gewöhnt. Vogelhäuschen und Meisenknödel tragen ihr übriges dazu bei.
«Es ist bei vielen Vogelarten so, dass ein paar dableiben und ein paar wegziehen», erläutert der Nabu-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Die Populationen dieser sogenannten Teilzieher entwickelten sich entsprechend der jeweiligen Bedingungen: Seien in Mitteleuropa mehrere Winter in Folge mild, profitiere die Gruppe, die bleibe, und andersherum. Bei Kranichen etwa habe sich die Zahl der «Dableiber» in Deutschland innerhalb weniger Jahre dramatisch erhöht, sagt Lachmann: Ging man 2012 noch von 1.000 Kranichen aus, schätze man die Zahl inzwischen auf 30.000. «Kraniche ziehen zudem immer kürzere Strecken.» Das liege aber nicht nur am wärmeren Klima. Auch die gestiegene Zahl der Maisfelder in unseren Breiten biete nach der Ernte genug Vogelfutter.
Der Trieb zum Zug sei den Vögeln je nach Art angeboren und müsse nicht aktiv erlernt werden, berichtet Ornithologe Cyriacks. Dabei seien die Flugstrategien der Arten aber «höchst unterschiedlich». Einige Vogelarten machen sich früher, andere später auf den Weg. Manche fliegen ohne Zwischenstopp und auf dem kürztesten Weg, andere bevorzugen Strecken über Land. Wie gut sich die Vögel im relativ trockenen Sommer Fettpölsterchen für ihre Reise anfuttern konnten, lasse sich nicht pauschal beantworten, meint Böhner: «Manche Vögel haben womöglich auch profitiert, weil sie sich von Insekten ernähren, die es trocken mögen.»
Auf ihrer Reise in die Wärme orientieren sich die Vögel etwa an Küstenlinien und Flüssen. Sonnenstand und Sternenhimmel helfen ebenso bei der Orientierung wie das Magnetfeld der Erde. Ein «eingebauter Magnetkompass», so der Nabu, weise bei schlechtem Wetter den Weg. (dpa)