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20.02.2015 | 11:03 | Neozoen 

Waschbär, Marderhund und Mink machen Tierschützern Sorgen

Berlin - Eine schnelle Bewegung zwischen den Bäumen, ein Huschen an der Landstraße, ein nächtliches Rascheln im Garten. Meist unbemerkt breiten sich hierzulande nicht nur die Waschbären immer weiter aus. Marderhund und Amerikanischer Nerz, auch Mink genannt, werden ebenfalls in immer mehr Gebieten gesichtet.

Gefährdeter Kleinbär
Der Mensch versucht, die Natur nach seinem Willen zu lenken: Einige Tiere wie Waschbär, Marderhund und Mink schleppte er erst nach Europa ein, und nun werden sie ihm zu viel. Andere rottete er aus und siedelt sie nun wieder an. (c) proplanta
Das belegen die von den Jägern erlegten Tiere und das vom Deutschen Jagdverband (DJV) betreute Wild-Monitoring. Bei dem Projekt zur bundesweiten Erfassung ausgewählter Wildtierarten steht die Ausbreitung im Vordergrund, nicht die Jagd. Seit 2006 überwachen die Jäger so auch die drei einst wegen ihrer Pelze nach Europa importierten Arten.

«Der Waschbär hat sein Verbreitungsgebiet deutschlandweit in sieben Jahren nahezu verdoppelt und kommt jetzt fast in jedem zweiten Jagdrevier vor», sagt DJV-Sprecher Torsten Reinwald. Aufgenommen hat das Monitoring knapp 250.000 Reviere - das entspricht fast der Hälfte der gesamten land- und forstwirtschaftlichen Fläche in Deutschland.

Im Jagdjahr 2012/2013 wurden erstmals mehr als 100.000 der Kleinbären erlegt oder überfahren. Innerhalb von nur zehn Jahren habe sich damit die Zahl verdreißigfacht, sagt Reinwald. Vor allem in Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg tummeln sie sich. Dort sei der Waschbär (Procyon lotor) in mehr als drei Viertel der Jagdreviere gelangt, sagt Reinwald. Sieben Jahre zuvor waren es nur 42 Prozent.

«Bis zu einem Viertel aller potenziellen Uhu-Nistplätze in Thüringen ist bereits vom Waschbär besetzt», sagt dazu Martin Görner von der Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen. «Auch in den Horsten von Greifvögeln und Störchen sichten wir immer wieder Waschbären. Das hindert die Vögel am Brüten - da muss etwas geschehen.» Görner glaubt nicht an eine natürliche Lösung und fordert eine scharfe Bejagung.

Zum Schutz der Wiesenvögel hat die Verwaltung des Biosphärenreservats Elbtalaue in Niedersachsen Lebendfallen für Waschbären gekauft und Revierinhabern ausgeliehen. Dort waren die Kletterkünstler sogar im Seeadlerhorst gesichtet worden. Als Experte für Sumpfschildkröten des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Brandenburg sieht auch Norbert Schneeweiß eine erhebliche Bedrohung im Waschbär: «Er wird nicht nur in Brandenburg zur Gefahr für die ohnehin vom Aussterben bedrohte Europäische Sumpfschildkröte und ihre letzten Vorkommen bei uns - wir finden immer wieder Opfer des Kleinbären», berichtete der Zoologe.  Es gibt Bereiche, wo bis zu 50 Prozent der beobachteten Schildkröten schwer verletzt sind.»

«Der aus Asien stammende Marderhund lebt bereits in jedem dritten Revier, das sind 10 Prozentpunkte mehr als 2006», sagt Reinwald. Im Jagdjahr 2013/2014 wurden genau 20.140 erlegte oder überfahrene Tiere gezählt, rund 1.500 mehr als im Vorjahreszeitraum. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern seien die Tiere in mehr als 80 Prozent aller Reviere nachgewiesen worden. Den größten Zuwachs gab es in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Einst im Westen der damaligen Sowjetunion angesiedelt, breiten sich die Marderhunde (Nyctereutes procyonoides) nun Richtung Atlantik aus.

Der Mink (Neovison vison), eine aus Nordamerika stammende Nerzart, kommt mittlerweile in neun Prozent der Reviere vor, in Sachsen-Anhalt wurde er sogar in mehr als 25 Prozent nachgewiesen. Der Mink sei der gefährlichste der drei Kleinräuber unter den Neozoen, betont der Rostocker Zoologe Ragnar Kinzelbach. So nennen Biologen Tiere, die nach der Entdeckung Amerikas 1492 durch den Menschen in eine Region gekommen sind. «Er frisst in den Uferzonen der Gewässer Eier und Jungvögel», warnt er. «Der Bestand des Minks sollte reduziert werden - auch mit Fallen.» Die Tiere hätten keine natürlichen Feinde. Ausgangspunkt der Verbreitung seien vor allem Freilassungsaktionen von Tierschützern gewesen. Der Waschbär liegt auf Kinzelbachs Gefahrenskala erst auf Platz Zwei der drei Neozoen. «Er ist in allen möglichen Lebensräumen sehr aktiv, ist ganz überwiegend Fleischfresser und kann sehr gut klettern», erklärt der Professor. «Der Marderhund ist der harmloseste der drei - er kann anders als der Waschbär nicht klettern», so Kinzelbach.

Der DJV fordert eine intensivere Erforschung des Einflusses auf die heimische Artenvielfalt und eine Intensivierung der Fallenjagd. «Die Jäger-Daten sind alarmierend», sagt Reinwald. Marderhunde und Waschbären seien nachtaktiv - eine Einschränkung der Fangjagd mit Fallen, wie etwa in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geplant, sei da höchst kontraproduktiv. Während die drei Neuzugänge in Deutschland bekämpft werden, kümmern sich Naturschützer um die Wiederansiedlung der Luchse. Laut Nationalpark Harz wurde das letzte Tier in dem Mittelgebirge im Jahr 1818 erlegt. Von Menschenhand wurden zwischen dem Jahr 2000, als die Wiederansiedlung begann, und 2006 insgesamt 24 Tiere in die Natur gebracht. Sie haben sich bereits kräftig vermehrt - zum Unmut der Jäger: Was die Luchse fressen, können sie nicht mehr erschießen.

Hintergrund Waschbär:

Der Waschbär bevorzugt tierische Nahrung, ist aber ein Allesfresser. Er vertilgt vor allem Jungvögel und Gelege, Schnecken und Insekten sowie kleinere Säugetiere. Das sorgfältige Abtasten der Beute, manchmal auch im Wasser, brachte den Waschbären ihren Namen ein. Die Kleinbären stammen aus Nordamerika. Hierzulande gibt es die grau-weißen Tiere mit der markanten schwarzen Gesichtsmaske seit rund 80 Jahren. Längst haben die höchst anpassungsfähigen Kulturfolger auch Parks und Gärten in den Großstädten erobert. Besonders viele tummeln sich in der Region um Kassel, wo bereits 1934 vier Tiere ausgesetzt wurden.

Hintergrund Neozoen:

Als Neozoen werden Tierarten bezeichnet, die seit der Entdeckung Amerikas 1492 durch den Einfluss des Menschen in eine für sie neue Region gelangt sind. Der Begriff ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet etwa «Neu-Tiere». Die entsprechenden Pflanzen heißen Neophyten. Besonders in zuvor isolierten Gebieten wie Inseln können fremde Arten immense Schäden verursachen. Deshalb regeln internationale Abkommen die Freisetzung ortsfremder Organismen oder verlangen eine Regulierung. Dazu gehören das Übereinkommen über die biologische Vielfalt der UN-Konferenz von Rio de Janeiro 1972 und das Berner Abkommen von 1979. (dpa)
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