Daneben liegen auf einem Wagen Pappkartons wild durcheinander. Die Kisten und Kartons sind leer. Das Obst und Gemüse, das darin transportiert wurde, ist verkauft. «Wir hatten einen sehr guten Samstag», sagt Geschäftsführer Georg Kaiser. Das Ziel der Europäischen Woche der Abfallvermeidung - «Lebensmittelverschwendung stoppen» - ist hier zumindest für den Tag erreicht.
Für die ehrenamtlichen Lebensmittelretter, die gekommen sind, um übrig gebliebene Ware vor der Biotonne zu bewahren, gibt es aber doch noch ein paar Kisten mit Salat, Kiwis, Äpfeln und Brokkoli. «Sobald der Brokkoli blüht oder der Apfel runzelig wird, bleiben sie liegen», sagt Kaiser. Selbst im Biomarkt kauften die Leute mit den Augen. Die Initiative der Lebensmittelretter richtet sich nicht wie die Tafeln nur an Bedürftige. «Auch der Staatssekretär a.D. soll übrig gebliebene Ware bei Supermärkten, Bäckereien oder Kantinen abholen können», sagt Raphael Fellmer von den Lebensmittelrettern Berlin. «Macht er aber nicht.»
Macht Umwelt-Staatssekretär a.D. Clemens Stroetmann tatsächlich nicht. Er will früher anpacken. Denn bereits auf dem Weg vom Erzeuger zum Lager und weiter zum Laden verdirbt viel Ware und wandert in den Müll. Stroetmann ist Geschäftsführer der Stiftung Initiative Mehrweg. In seinem Auftrag hat das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik untersucht, welchen Einfluss die Verpackung während des Transports auf den Verderb von Lebensmitteln hat.
Das Ergebnis fasst Stroetmann so zusammen: «Mehrweg ist besser für Obst und Gemüse.» Untersucht wurden etwa 78.000 Verpackungen in 25 Supermarkt-Filialen. Die Wissenschaftler schätzen: Würden beim Transport nur Einwegverpackungen - also etwa Pappkartons - verwendet, würden allein deshalb pro Jahr auf dem deutschen Markt 36.000 Tonnen Lebensmittel verderben. Das entspreche einem Marktwert von 68 Millionen Euro. Würden ausschließlich Mehrwegkisten benutzt, ließen sich die Schäden auf 1.100 Tonnen Obst und Gemüse im Wert von 2 Millionen Euro reduzieren.
Dem stehen allerdings laut Bundesernährungsministerium 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel gegenüber, die allein in deutschen Privathaushalten jedes Jahr weggeworfen werden. Die Mehrweg-Körbe schützten Obst und Gemüse vor allem in den Zentrallagern, wo die Kisten aufeinandergestapelt werden. «Bei Pappkartons knickt der schwächste irgendwann ein», sagt Stroetmann. «Das Obst darin zerquetscht und dann geht der gesamte Korb zurück, auch wenn die ein oder andere Frucht unbeschadet geblieben ist.» Mehrweg-Kisten seien da stabiler.
Dennoch wird Obst und Gemüse nach wie vor auch in Einwegkartons transportiert. Für die Händler hätten diese Kisten den Vorteil, dass sie nicht zurückgebracht und gereinigt werden müssten, sagt
Sieglinde Stähle vom Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft, dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Die Rückgabe von Mehrweg-Kisten erfordere eine Logistik, die nur in einem überschaubaren regionalen Raum zu bewerkstelligen sei. Lebensmittel kämen aber mittlerweile aus der ganzen Welt. Salat, Kiwi, Äpfel und Brokkoli haben den Transport zum Berliner Biosupermarkt überstanden. Kaufen wollte sie dennoch keiner. Ein Mittagessen wird trotzdem noch daraus. Fellmer lässt sich mit anderen das gerettete Obst und Gemüse schmecken. (dpa)
