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25.12.2014 | 08:30 | Fettleibigkeit 

Kann Softdrink-Steuer US-Zuckerkonsum senken?

San Francisco - Schon seit Wochen verführen die weihnachtlichen Kalorienbomben die US-Bürger zum Zuckerkonsum.

Zuckerhaltige Getränke
Nicht nur an Weihnachten ist Sugar-Hochsaison. Beim Zuckerkonsum sind die US-Bürger kaum zu bremsen. Ein US-Mediziner spricht von «Gift». Amerika hat ein dickes Problem. Viele setzen sich deshalb für Kontrollen und eine Softdrink-Steuer ein. (c) proplanta
Rotweiße, gebogene Zuckerstangen gehören an jeden Baum, dicker Zuckerguss gehört auf die Lebkuchenhäuser und extra Sugar in den traditionellen Eggnog- Eierdrink.

Da möchte man Warnungen wie die des kalifornischen Pädiatrie-Professors Robert Lustig (57) von der University of California in San Francisco (UCSF) lieber nicht hören. «Heute sage ich mit noch mehr Nachdruck: Zucker ist Gift», sagt der 57-jährige Mediziner im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Schon 2009 machte Lustig mit seinem Vortrag «Zucker: die bittere Wahrheit» als lautstarker Zucker-Kritiker Furore. Das Video dieser Lesung über den Zuckerstoffwechsel und die Gefahren des steigenden Zuckerkonsums wurde im Internet über fünf Millionen Mal angeklickt.

«Jetzt haben wir alle Fakten dazu zusammen, dass zu viel Zucker zu Fettsucht, Herzkrankheiten, Leber- und Stoffwechselproblemen führt. Zucker macht nicht nur dick, sondern auch krank», bekräftigt Lustig.

Rund 15 bis 18 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr komme heute durch Zucker, früher seien es nur 3 bis 4 Prozent gewesen, sagt Lustig über den drastisch angestiegenen Zuckerkonsum in den USA. Für besonders gefährlich hält er die versteckten, kalorienreichen Zusätze in Getränken und Fertigprodukten, von Salatsaucen bis zum Frühstücksmüsli.

Amerika hat ein dickes Problem: Mehr als ein Drittel der erwachsenen Bürger leiden nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC an Fettleibigkeit. Auch 13 Millionen Kinder und Teenager (rund 17 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe) sind derart stark übergewichtig.

Diabetes und Herzkreislauf-Krankheiten nehmen drastisch zu. Lustig und seine Kollegen sprechen von einer öffentlichen Gesundheitskrise mit Milliardenkosten. Angefangen habe diese mit der Low-Fat-Kampagne in den 70er Jahren, als Fett als ungesunder Dickmacher verteufelt worden sei. Den Lebensmitteln wurde stattdessen Zucker zugefügt.

«Wir essen im Schnitt neunzehneinhalb Teelöffel zugesetzten Zucker am Tag», rechnet Lustig vor. Die American Heart Association (AHA) empfiehlt höchstens sechs für Frauen und neun für Männer. In einem Eßlöffel Ketchup verbirgt sich ein Teelöffel Zucker, in einer Dose Limonade stecken bis zu zehn Löffel.

Ist die gefährliche Überzuckerung zu stoppen? Die vielen Warnrufe in den USA finden langsam Gehör. Im November erlitt «Big Soda» in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley eine historische Niederlage. Durch ein Referendum machten die Wähler das progressive Berkeley zur ersten Stadt in den USA mit einer Softdrink-Steuer.

Ab Januar nun werden Getränke mit Zuckerzusätzen besteuert. «Wir rechnen mit 1,5 Millionen Dollar Einnahmen pro Jahr», schätzt die Wahlkampf-Leiterin Sara Soka (37). Das Geld soll in Gesundheitsprogramme für Kinder und Jugendliche fließen.

«Wir haben gewonnen, weil die ganze Gemeinde, Ärzte, Lehrer und Minderheitenverbände dahinterstanden», meint Soka. «Berkeley ist ein Trendsetter. Nun hoffen wir, dass weitere Kommunen folgen».

New York machte 2012 Schlagzeilen als erste Stadt im Lande, die den Verkauf von gesüßten Getränken im Jumbobecher («Big Gulp») aus Gesundheitsgründen verbieten wollen. Am Ende kippte aber ein Gericht das Gesetz, ein Zusammenschluss von Händler-Verbänden und Getränkeherstellern hatte dagegen geklagt.

Auch das Weiße Haus kämpft gegen die Pfunde. Die Initiative «Let's Move» von First Lady Michelle Obama soll Kindern mit Gewichtsproblemen helfen. Zucker-Drinks sind inzwischen an vielen Schulen verboten. Zuletzt haben sogar die Getränkeriesen Coca-Cola, Pepsi und Dr. Pepper Snapple versprochen, bei einer Aktion gegen Fettleibigkeit mitzumachen.

Im September stellten sie eine entsprechende Initiative vor. Durch kleinere Flaschengrößen und mehr zuckerreduzierte Getränke wolle die Industrie Konsumenten helfen, ihren Kalorienverzehr durch Trinken bis 2025 um 20 Prozent zu senken.

Kritiker sehen darin eher einen PR-Stunt. Denn die Branche kämpft weiter gegen Zucker-Warn-Labels auf den Flaschen und gegen Soda-Steuern. Gleichzeitig betreibt sie Imagepflege mit Produkten, die als gesünder angepriesen werden. Neue Marketinghoffnung sind kalorienarme Softdrinks, die mit dem natürlichen Pflanzensüßstoff Stevia versetzt sind.

Für den Zucker-Kritiker Lustig und seine Mitstreiter ist Zucker ein Suchtmittel, ähnlich wie Alkohol und Tabak. Entsprechend müsste der Staat mit Verboten und Steuern regulierend eingreifen, fordern die Wissenschaftler. «Zu viel Fruktose, eine gebräuchliche Form von Zucker, kann der Leber schaden, so wie zu viel Alkohol», warnen die Mediziner auf der kürzlich eingerichteten Webseite «Sugarscience.org» mit dem Beinamen «die ungesüßte Wahrheit». Dort listen sie auch auf, dass ein US-Bürger im Jahr rund 30 Kilogramm Zucker konsumiere, dabei geht es allein um zugesetzten Zucker. Was an natürlicher Süsse mit Obst oder Milch auch noch verspeist wird, ist da fast schon Nebensache. (dpa)
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