Mit dieser Lichtshow wollten die Umweltschützer vor ein paar Wochen darauf aufmerksam machen, dass bei der Stromproduktion vor allem aus Braunkohle nicht nur schädliche
Treibhausgase freigesetzt werden, sondern auch das giftige Schwermetall Quecksilber.
Jetzt legt
Greenpeace mit einer neuen Studie nach. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt. Während in Deutschland gerade eine heftige Lobbyschlacht um die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (
SPD) geplante Klimaschutz-Strafabgabe für die Braunkohle tobt, versammeln sich Anfang Juni im spanischen Sevilla europäische Experten, um über künftige EU-Schadstoffgrenzen auch für Kohle-Kraftwerke ab dem Jahr 2020 zu beraten. Für Quecksilber gibt es bislang europaweit gar keine einheitliche Obergrenze.
Greenpeace fürchtet, dass die EU nicht den Mut hat, der durch den Vormarsch von Wind- und Sonnenstrom ohnehin gebeutelten Kohle-Industrie ähnlich strenge Vorgaben wie die USA vor die Nase zu setzen. Dort dürfen bestehende Braunkohle-Kraftwerke nicht mehr als 4,8 Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen, bei der Steinkohle sind es 1,5 Mikrogramm. In der EU ist ein Jahresgrenzwert von 10 Mikrogramm für Braunkohle-Meiler im Gespräch, der in Deutschland bereits ab 2019 gelten wird.
Greenpeace fordert, den Ehrgeiz zu verzehnfachen - auf 1 Mikrogramm: «Mit schon heute verfügbaren Technik kann der Quecksilberausstoß in Kohlekraftwerken um 80 Prozent reduziert werden», meint Energie-Experte Andree Böhling. Einige deutsche und ausländische Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke würden schon seit Jahren weniger als 3 Mikrogramm schaffen, weil sie hochmoderne Filter einsetzten. Die Kosten für eine Nachrüstung aller Kraftwerke seien überschaubar.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist die Quecksilber-Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt sehr bewusst. Deshalb will sich die SPD-Politikerin aus dem Kohle-Land Nordrhein-Westfalen von Greenpeace nicht nachsagen lassen, die Regierung trete in Brüssel für zu lasche Vorgaben ein. Wichtig sei, erstmals überhaupt einen Quecksilber-Grenzwert zu etablieren, der ambitioniert, aber auch realistisch für alle 28 EU-Staaten sei, sagt ein Sprecher der Ministerin. Der Greenpeace-Vergleich mit den USA hinke. Dort würden reine Quecksilber-Abscheider in Kraftwerken eingesetzt, während in Europa die Filter weitere Schadstoffe aus der Abluft holten. Ungeklärt sei die Frage, wo und wie das in den Vereinigten Staaten anfallende Quecksilber überhaupt gelagert werden soll.
Unbestritten ist die Gesundheitsgefahr, die von dem Schwermetall ausgeht. Die Mediziner und Toxikologen Peter Jennrich und Fritz Kalberlah haben für Greenpeace ein Gutachten erstellt und sind besorgt. Die Quecksilber-Belastung in Deutschland, dem größten Emittenten in Europa, sei deutlich zu hoch. «Jedes dritte in der EU geborene Baby kommt heute mit zu hohen Quecksilberwerten zur Welt», meint Jennrich. Die Emissionen müssten drastisch verringert werden.
Aufpassen müssen vor allem Verbraucher, die gern und viel Fisch essen, weil das industriell ausgestoßene Quecksilber sich in den Weltmeeren ablagert und in die Nahrungskette gelangt. Die Deutschen zählen in Europa eher zu den Fischmuffeln, konsumieren weniger Meeresfrüchte als der EU-Durchschnitt. Das spiegelt sich bei der Quecksilber-Belastung wider, wie das
Umweltbundesamt (UBA) schon Mitte 2014 erläuterte. Für eine Pilotstudie waren in 17 EU-Ländern Haarproben von jeweils 120 Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren sowie von deren Müttern untersucht worden.
Im Mittel wiesen die 1836 Kinder aus den beteiligten Ländern 0,145 Mikrogramm Quecksilber pro Gramm Haar auf - die deutschen Kinder aber nur 0,055 Mikrogramm. Auch die deutschen Mütter hatten entsprechend geringere Werte. «Vor allem führte steigender Fischkonsum bei Kindern und Müttern zu einem Anstieg des Quecksilbergehaltes», so das UBA-Fazit. Amalgam-Zahnfüllungen, kompakte Leuchtstofflampen oder Haarfärben hatten keinen Einfluss auf den Quecksilbergehalt der Haare. Das gilt auch für zerbrochene Fieberthermometer. (dpa)