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23.12.2009 | 08:35 | Orkan-Lothar  

Minister Peter Hauk MdL: "Spuren des Orkans Lothar sind heute noch sichtbar, die Folgen aber erfolgreich bewältigt"

Stuttgart - "Mit 30 Millionen Kubikmeter Sturmholz und 40.000 Hektar Kahlfläche hinterließ der Orkan 'Lothar' am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 ein Schadensausmaß in den Wäldern wie es bis dahin noch nie verzeichnet worden war.

Minister Peter Hauk MdL: "Spuren des Orkans Lothar sind heute noch sichtbar, die Folgen aber erfolgreich bewältigt"
Innerhalb von nur zwei Stunden und Windgeschwindigkeiten von über 200 Kilometer pro Stunde fiel die dreifache Menge eines Jahreseinschlages an", erklärte der baden-württembergische Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk MdL, am Dienstag (22. Dezember) bei einer Pressefahrt anlässlich des zehnten Jahrestages in Ohlsbach (Ortenaukreis).

"Durch einen unglaublichen Kraftakt konnte diese Katastrophe in mehreren Stufen bewältigt werden. Neben der raschen Aufarbeitung des Holzes mussten parallel die Lagerung und Logistik organisiert und der Wiederaufbau der Wälder geplant werden. Zusätzlich galt es den vielfach in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffenen Waldbesitzern durch Fördermittel zu helfen", sagte Forstminister Hauk. Baden-Württemberg war die europaweit am stärksten betroffene Region. Innerhalb Baden-Württembergs war dies der Nordschwarzwald und die Ortenau. Dort traf es die Gemeinde Ohlsbach wie keine andere. Die Sturmschäden im rund 330 Hektar großen Gemeindewald betrugen rund 70.000 Kubikmeter mit rund 160 Hektar Kahlfläche. Die Sturmflächen betrugen das 25-fache eines normalen Jahreseinschlags. Neben Baden-Württemberg waren die Schweiz und Frankreich besonders betroffen.


Aufarbeitung und Holzmarkt

Die Aufarbeitung erfolgte durch die Waldbesitzer, 5.500 Waldarbeiter der Länder und der Kommunen und über 2.000 Forstunternehmer aus ganz Europa. Die Aufarbeitung des Holzes konnte innerhalb von 18 Monaten weitgehend abgeschlossen werden. "Die größte Herausforderung war die sinnvolle Vermarktung der Hölzer. Durch gesetzliche Vorgaben konnten wir den Holzeinschlag in nicht betroffenen Regionen Deutschlands beschränken. Dadurch wurde die Grundlage geschaffen, dass die Hälfte der Holzmenge innerhalb eines Jahres verkauft werden konnte", erläuterte Hauk. Insgesamt wurde im Jahr 2000 mit über 17 Millionen Kubikmeter die doppelte Holzmenge eines normalen Jahres verkauft.

Ein wichtiger Punkt war auch die Lagerung, vor allem die Nasslagerung des Holzes. Auf über 400 Lagerplätzen wurden 4,6 Millionen Kubikmeter Holz bis zu 3 Jahre gelagert. Der größte Lagerplatz mit einer Kapazität von 300.000 Kubikmeter befand sich in Gengenbach (Ortenaukreis). Trotz dieser Maßnahmen konnte ein massiver Einbruch der Holzpreise, vor allem beim Nadelholz, nicht verhindern werden. Nadelstammholz verlor bis zu 45 Prozent an Wert. Erst Ende 2002 trat eine erkennbare Stabilisierung am Holzmarkt ein. Diese wurde allerdings durch die hohen Anfälle an Borkenkäferholz und Dürreschäden in Folge des Jahrhundertsommers 2003 erneut belastet. Eine nachhaltige Erholung erfolgte erst seit dem Jahr 2006.


Hilfe zur Selbsthilfe

Den geschädigten Waldbesitzern wurde mit einem Bündel von Finanzhilfen und Fördermöglichkeiten geholfen. Für die vielfältigen Leistungen und Belastungen der Forstbetriebe wurden insgesamt 154 Millionen Euro an Fördermitteln ausbezahlt. Ein Schwerpunkt waren dabei Liquiditätshilfen und die Unterstützung für die Wiederbewaldung. Daneben wurde auch die Lagerung des Holzes in Nasslagern gefördert. Massive Unterstützung erhielten die Privatwaldbesitzer durch die Forstverwaltung mit den Förstern vor Ort. Durch Umsetzungen innerhalb des Landes, Unterstützung aus anderen Bundesländern und durch die Einstellung von zusätzlichem Personal wurde die Beratung und Unterstützung beim Holzverkauf dem hohen Bedarf angepasst.

Ein besonders gelungenes Beispiel für gemeinschaftliches und solidarisches Handeln war die 'Solidargemeinschaft Raumschaft Gengenbach'. In einer der am stärksten betroffenen Regionen des Landes haben alle Waldbesitzer eine gemeinsame Strategie und Vermarktung vereinbart. Dadurch konnten die enormen Sturmholzanfälle auch in dieser Region zügig aufgearbeitet und vermarktet werden.


Wiederaufforstung

"Bei der Wiederaufforstung hatte die natürliche Verjüngung Vorfahrt. Dabei wurde konsequent das Ziel verfolgt, naturnahe Mischwälder zu begründen. Auf zwei Dritteln der Fläche konnte dies durch Naturverjüngung erreicht werden", ergänzte Hauk. Die Voraussetzungen seien hierfür durch eine mehr als 30 Jahre praktizierte hochwertige, naturnahe und nachhaltige Waldwirtschaft in Baden-Württemberg außerordentlich günstig gewesen. Ganz ohne Pflanzung ging es aber nicht, vor allem in den Bereichen, wo künftig andere Baumarten das Waldbild prägen sollen. Auf rund 13.000 Hektar, etwa einem Drittel der Kahlfläche, musste der Wald neu gepflanzt werden. Über 40 Millionen kleine Bäumchen hätten die Waldbesitzer auf diesen Flächen gepflanzt. "Heute können wir sagen, dass auch die Wiederbewaldung weitgehend abgeschlossen ist", stellte der Minister fest. Aktuell gehe es in den Beständen darum, durch gezielte Pflegeeingriffe, die sogenannte Jungbestandspflege, die gewünschte Baumartenzusammensetzung zu erreichen.


Vorsorge für die Zukunft

"Auch wenn wir seit dem Orkan Lothar im Land von keinem starken Sturm mehr massiv getroffen wurden, dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir spüren mit brutaler Härte die Auswirkungen der globalen Klimaveränderung. Hier muss energisch gegen gesteuert werden. Gerade der Wald leidet darunter in mehrfacher Weise", betonte der Minister und Forstwissenschaftler Peter Hauk. "Trockenstress im Sommer, milde Winter, Stürme und die unverändert bestehenden Belastungen durch Luftschadstoffe gefährden das Ökosystem Wald. Diesem begegnen wir durch angepasste Waldbaukonzepte. Stabile Mischwälder helfen uns diese Risiken zu minimieren. Durch umfangreiche Forschungsarbeiten in den letzten Jahren konnten wir hier wichtige Grundlagen erarbeiten" führte Hauk aus.

Aufgrund der Klimaveränderung muss in Zukunft häufiger mit schwersten Stürmen gerechnet werden. Um darauf vorbereitet zu sein, wurden die Erfahrungen bei der Bewältigung der Schäden durch Orkan Lothar umfassend aufgearbeitet und in einem Sturmschadenshandbuch dokumentiert. Diese Materialien konnten beispielsweise bei der Bewältigung der Schäden durch den Orkan Kyrill im Jahr 2007 den betroffenen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden.


Hintergrundinformationen:

Dieses 'Handbuch Sturmschäden' und weitere wichtige Forschungsergebnisse unter anderen zu modernen Waldbaukonzepten und der Aufarbeitung von Sturmholz finden sich auf der Internetplattform  www.waldwissen.net
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