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28.04.2015 | 11:00 | Milchkühe 
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Frühe Trennung von Kuh und Kalb hat Spätfolgen für den Nachwuchs

Wien - Kälber von Milchkühen werden in der Regel in den ersten 24 Lebensstunden von ihren Müttern getrennt.

Kuh mit Kalb
(c) proplanta
Der Großteil der Milch gelangt so in den Handel und nicht in die Mägen der Kälber. Ohne Mutter aufzuwachsen hat jedoch Konsequenzen. Tierhaltungsspezialistin Susanne Waiblinger von der Vetmeduni Vienna und KollegInnen haben die Langzeiteffekte dieser frühen Trennung untersucht. Das Ergebnis: Kontakt zur Mutter und anderen Kühen während der Aufzucht, macht Rinder zu geselligeren Erwachsenen. Die Studie wurde im Journal Applied Animal Behaviour Science veröffentlicht

. Milch trinken hat im Alpenland Österreich lange Tradition. Jedes Jahr werden in Österreich 3,4 Millionen Tonnen Milch produziert. Dazu werden Milchkühe üblicherweise wenige Stunden nach der Geburt von ihren Kälbern  getrennt. Die Kälber werden dann über Tränkeeimer oder einen Tränkeautomaten mit Milch oder Milchersatz versorgt. Dabei bekommen die Kälber meist deutlich weniger Milch, als sie bei ihrer Mutter aufnehmen würden. Darüber hinaus kann  zwischen Mutter und Kalb keine Beziehung entstehen. Nach einigen Tagen oder Wochen in Einzelhaltung kommen die Jungtiere dann in Kälbergruppen zusammen.

Frühe Trennung wirkt sich langfristig auf soziales Verhalten aus

„Aus Forschungsarbeiten mit verschiedenen Tierarten wissen wir, dass sich die frühe soziale Umgebung auf das Verhalten, die Stress-Reaktivität und die Fähigkeit, mit Herausforderungen umzugehen, auswirken“, erklärt die Studienleiterin Susanne Waiblinger vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz. Gemeinsam mit der Erstautorin Kathrin Wagner untersuchte sie diese Effekte bei Milchkühen.  Eine bereits früher publizierte Teilstudie der Forscherinnen zeigte, dass Rinder, die mit Müttern aufgewachsen sind, beim Eintritt in eine Herde eine höhere soziale Kompetenz mitbringen, als mutterlos aufgezogene Artgenossen.

Gemeinsam mit KollegInnen der Vetmeduni Vienna und dem  Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Deutschland untersuchten Wagner und  Waiblinger insgesamt 26 Kühe mit unterschiedlichen Aufzuchterfahrungen. Elf Tiere wurden gleich nach der Geburt von der Mutter getrennt, danach in die Kälbergruppe gebracht und über einen Tränkeautomat gefüttert. Die 15 restlichen Rinder waren nach der Geburt fünf Tage lang mit der Mutter zusammen in der Abkalbebox und bauten in dieser Zeit eine Bindung zu ihr auf. Danach kamen auch diese Kälber in die Kälbergruppe, hatten aber auch weiterhin Kontakt zu ihren Müttern. Neun dieser Kälber durften zweimal täglich zur Mutter, die restlichen sechs konnten jederzeit zwischen Kuhherde und Kälbergruppe wechseln.

Um herauszufinden, ob sich die unterschiedlichen Aufzuchtstrategien langfristig auf das Verhalten der Tiere in Stresssituationen auswirken, haben die WissenschafterInnen verschiedene Tests mit den ausgewachsenen Tieren durchgeführt.

Mit Mutter aufgezogene Tiere sind in Stresssituationen aktiver

„Rinder sind Herdentiere. Deshalb reagierten alle Tiere, egal ob mit oder ohne Mutter aufgezogen, in einer Isolationsbox erwartungsgemäß mit verstärkter Ausschüttung des Stresshormons Kortisol“, erklärt Waiblinger. Rinder, die mit ihren Müttern aufwuchsen, zeigten während der Isolation zwar die höchsten Kortisolspiegel, die gemessene Herzfrequenz war bei diesen Tieren jedoch am niedrigsten. Waiblinger erklärt dies so: „Es gibt grundsätzlich verschiedene Reaktionstypen. Manche Tiere reagieren in Stresssituationen eher mit erhöhtem Herzschlag, andere produzieren eher Kortisol. Es könnte sein, dass die unterschiedlichen Aufzuchtformen auch unterschiedliche Reaktionstypen hervorbringen.“

Auch im Verhalten der Tiere zeigten sich Unterschiede. Mit Mutter aufgezogene Kälber, vor allem jene, die ständig Kontakt zu ihren Müttern und zur Herde hatten, gingen aktiver mit der Isolationssituation um: sie bewegten sich insgesamt mehr in der Box und erkundeten ihre Umgebung stärker, als mutterlos aufgezogene Rinder. Dies deutet darauf hin, dass diese Rinder motivierter sind, zur Herde zurückzukehren und Stresssituationen aktiver bewältigen können.

Die Untersuchungen zeigen, dass eine reichhaltigere soziale Umwelt in der Aufzucht, also mit Kontakt zur Mutter und anderen Kühen, die Tiere langfristig zu geselligeren und sozial kompetenteren erwachsenen Rindern macht. Die muttergebundene Kälberaufzucht wird bereits von einigen wenigen LandwirtInnen betrieben. „Wir müssen in Zukunft noch mehr darüber nachdenken, ob ein sozial sehr eingeschränktes frühes Umfeld die ideale Haltungsform darstellt“, plädiert Waiblinger. (PD)
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Kommentare 
Hannelore Huber schrieb am 01.05.2015 20:13 Uhrzustimmen(141) widersprechen(99)
@ truckeropa Da Sie (Herr/Frau?) mich direkt ansprechen, gerne meine Antwort dazu. Sie meinen: „Bei Frau Huber würde mich mal interessieren, in wie weit sie persönliche Erfahrung mit Tierhaltung, hier Rinderhaltung hat! Jeder der hier seiten von Peta zitiert, hat nach meiner Ansicht nur unrealistische Vorstellungen von einem Leben mit Tieren!“ Auf die Realität des „Lebens mit Tieren“, die lediglich der „Produktion“ dienen, kann ich verzichten. Ich wäre nie in meinem Lebem auf die Idee gekommen mit Rinderhaltung (oder anderen Tieren) meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es ist nicht zu leugnen und sogar bewiesen, dass auch Tiere (wie hier z.B. beschrieben) Gefühle haben und das Leben lieben. Sie müssen meine Meinung nicht teilen, ändern können Sie oder andere diese ohnehin nicht. Ich erwarte nicht einmal Verständnis, das von Ihnen vermutlich auch gar nicht zu erwarten wäre. Für mich ist die Tierhaltung zwecks Fleisch- und/oder Milchproduktion etwas, das die Welt nicht braucht. Mit anderer „Tierhaltung“ habe ich durchaus Erfahrung, wenn auch immer nur mit Second-hand-Tieren, die eine Heimat, Hilfe und Zuwendung (weil krank oder verletzt) brauchten. Ich selbst brauche keine Tiere als Entertainer, für’s Gemüt oder als „Lebensmittel“-Produzenten. Für mich gilt Albert Schweitzer und seine Lehre „Ehrfurcht vor dem Leben“ als Maßstab. Ob Sie oder andere mich dafür als realitätsfern und schlimmer einstufen (damit kann ich seit Jahrzehnten sehr gut leben) ist mir vollkommen egal. Ich brauche für meine Meinung und konsequente Haltung nicht Peta oder andere. Erlebt und gesehen habe ich außerdem ebenfalls genug, um mir meine Meinung bilden zu können.
truckeropa schrieb am 29.04.2015 11:11 Uhrzustimmen(78) widersprechen(114)
Der Artikel und die arbeit dazu ist an sich sehr interessant! Auch wenn es mich wundert das man hier dinge untersucht die jeder Tier-Bauer aus Erfahrung wissen sollte. Trennung der Kälber, frühst möglich im Rahmen der Milchproduktion ist leider nicht vermeidbar, aber so wie das in den Großbetrieben abläuft abartig. Unterbringung in Sichtweite der Muttertiere und sonstiger Artgenossen ist sehr wichtig. Betreuung durch die auch später betreuenden sollte absolut unabdingbar sein, denn der Mensch ist dann ein Mitglied dieser Herde und wird auch dann dementsprechend geachtet und respektiert. bei Herden die rein für Fleischproduktion dienen, sollte eine Trennung vermieden werden, zumindest in den ersten Monaten. Da sich dabei in jeder Herde Untergruppen bilden kann man später einzelne Untergruppen, als eigenständige Herde aussondern. Bei Frau Huber würde mich mal interessieren, in wie weit sie persönliche Erfahrung mit Tierhaltung, hier Rinderhaltung hat! Jeder der hier seiten von Peta zitiert, hat nach meiner Ansicht nur unrealistische Vorstellungen von einem Leben mit Tieren!
Blueeye schrieb am 28.04.2015 19:57 Uhrzustimmen(76) widersprechen(56)
Ist das nicht traurig: das wir ernsthaft "wissenschaftlich" mit Kälbchen experimentieren müssen, um herauszufinden, was doch jedem normal und Mitleid empfindenden Wesen ganz klar ist??? Hört doch endlich auf unsere sozialintelligenten Mitgeschöpfe, die uns ausgeliefert sind zu behandeln wie Gegenstände. Es ekelt mich oft wirklich an! Es gibt nichts Schöneres als ein glückliches Zusammenleben mit Kühen, Schweinen, Schafen, Eseln uvm. erleben zu dürfen! MFG
Hannelore Huber schrieb am 28.04.2015 18:27 Uhrzustimmen(91) widersprechen(81)
Mütterliche Fürsorge ist ein soziales Grundmotiv. Liebe und Nähe sind für die Entwicklung und sogar das Immunsystem wichtig. Dies wird zwar meist nur mit Menschen in Verbindung gebracht, aber warum sollte es bei Tieren anders? Die Natur hat sich mit absoluter Sicherheit etwas dabei gedacht, wenn sie Säugetieren genau diese Möglichkeit: nämlich säugen, zugedacht hat. Dass dabei mehr als ein Nahrungsbedürfnis erfüllt wird, dürfte heutzutage so ziemlich jedem klar sein. Das, was Kälbern und Kühen in der „Milchproduktion“ zugemutet und abverlangt wird ist nur eines: widerlich! Auch bei den Biobauern, wo die Kälber etwas länger bei den Müttern bleiben dürfen. Den allermeisten Menschen ist das egal, wenn sie davon überhaupt wissen! Auf der Seite von Peta ist unter „Das unbekannte Leben der Kühe“ zu lesen, Zitat: „Aber Kühe weisen nicht nur eine ausgeprägte Persönlichkeit auf, sondern sind, so die jüngste Forschung, auch sehr intelligente Tiere mit einem Langzeitgedächtnis. Tierverhaltensforscher haben herausgefunden, dass Kühe auf sozial komplexe Weise interagieren, im Laufe der Zeit Freundschaften entwickeln, zuweilen Kühen grollen, die sie schlecht behandelt haben, und innerhalb ihrer Herden soziale Hierarchien bilden. Sie verfügen über eine Vielzahl an Emotionen und die Fähigkeit, sich über die Zukunft Sorgen machen zu können. Studien haben gezeigt, dass Kühe Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge deutlich verstehen – ein klares Zeichen für höher entwickelte kognitive Fähigkeiten.“ Zitat Ende. Für die meisten sind Kühe nichts anderes als eine Milchproduktionsmaschine oder Deko in der Werbung, die den Eindruck von naturnahmen Leben suggeriert. Von ihrem erbärmlichen Leben wissen sie nichts und wollen auch nicht durch Informationen gestört werden. Es könnte sich ja sonst bei dem Verzehr von Milchprodukten noch ein unangenehmer Beigeschmack bemerkbar machen.
Maria Sommer schrieb am 28.04.2015 18:11 Uhrzustimmen(76) widersprechen(85)
Ich nehme gar keine Milch von Säugetieren zu mir - ich bin ja schon erwachsen. ;o) Milch ist Babynahrung. Der Mensch ist das einzige Säugetier, das im Erwachsenenalter noch in Unmengen Babynahrung zu sich nimmt - von einer artfremden Spezies.
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