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16.09.2008 | 19:43 | Gentechnik 

Verhärtete Fronten: Schaugarten soll Gentechnik-Gegner überzeugen

Ausleben - Heftige Anfeindungen musste Uwe Schrader schon über sich ergehen lassen. Verdeckter Lobbyist soll er sein, bloße Propagandamache werfen ihm seine Gegner vor.

Verhärtete Fronten: Schaugarten soll Gentechnik-Gegner überzeugen
In unzähligen Diskussionsrunden musste der promovierte Biologe seine Ansichten mit aller Kraft verteidigen. Er tut es aus Enthusiasmus und Überzeugung, wie er sagt. Überzeugung, dass Gentechnik sinnvoll ist. Denn hier scheiden sich die Geister - ähnlich wie im Streit um Atomkraft oder Sterbehilfe. Entweder man ist dafür oder man ist dagegen, dazwischen gibt es - fast - nichts. Schrader spricht von «verhärteten Fronten», die es aufzuweichen gilt. Diesem Ziel dient auch die neueste Idee: Schrader führt Besuchergruppen durch den europaweit ersten Schaugarten für gentechnisch veränderte Pflanzen.

Ein brusthoher Maschendrahtzaun soll Eindringlinge abhalten, mehrere Sicherheitsleute patroullieren rund um das Gelände, und es gibt sogar einen Wachturm. Eine dichte Wand aus Mais verwehrt jeden Blick ins Innere. Nachdem der Besucher Zaun und Mauer aus Mais überwunden hat, steht er auf einem Gelände, etwa so groß wie ein Fußballfeld. In der Mitte wachsen verschiedene Kartoffelsorten auf langen, schmalen Parzellen. An den Seiten steht Mais in den verschiedensten Varianten: große und kleine Sorten, konventionell gezüchtet und gentechnisch verändert.

«Der Vorwurf der Kritiker ist berechtigt: Wir wissen zu wenig über das Thema und es gibt nicht genügend Untersuchungen», sagt Schrader. Er ist ehrenamtlicher Beirat der BioTech Farm, die den Schaugarten in der 100-Seelen-Gemeinde Ausleben-Üplingen im Bördekreis betreibt. Aus der Geschäftsführung ist er mittlerweile ausgestiegen. Er will sich dem Vorwurf des Lobbyismus nicht mehr aussetzen, denn hauptberuflich sitzt er für die FDP im Landtag von Sachsen-Anhalt. Hier setzt er als verkehrspolitischer Sprecher jetzt aber auf ein anderes Thema. In der vergangenen Legislaturperiode war er noch Vorsitzender des Landwirtschafts-Ausschusses und damit deutlich angreifbarer.

Schrader bückt sich, nimmt einige Blätter einer Kartoffelpflanze in die Hand. In Polo-Hemd und Jeans führt der sportliche Endvierziger die Besucher durch den Garten. Begeistert zeigt der Biologe auf sein Lieblingsbeispiel, das auf dem Feld in der Mitte zu sehen ist.

Schnurgerade zieht sich eine Linie durch die Pflanzen. Links sind die Blätter welk und braun, die Kartoffeln klein und schrumpelig. Hier hat die Phytophtora, die Kraut- und Knollenfäule gewütet - eine der häufigsten Pilzkrankheiten bei Kartoffeln und Tomaten. Rechts dagegen frisches Grün, schöne feste Knollen die Gentechnik lässt grüßen. Der Effekt ist perfekt, der Besucher staunt, und Schrader ist zufrieden.

Während die konventionelle Pflanze der Krankheit nichts entgegenzusetzen hatte, wurden der Kartoffel nebenan zwei Resistenzgene aus einer Wildkartoffel eingesetzt, erklärt er. «Darauf sind die Landwirte ziemlich scharf», sagt Schrader, «normal muss man etwa zehnmal spritzen.»

Eine solche Kartoffel auf konventionelle Art zu züchten dauert mehrere Jahrzehnte. Doch es geht. In der Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Groß Lüsewitz (Mecklenburg-Vorpommern) wurde eine neue Kartoffel geschaffen, die zu etwa 60 Prozent resistent gegen den Pilz ist. «Wir streben gar keine hundertprozentige Resistenz an», sagt Projektleiter Thilo Hammann, «weil die Erfahrung gezeigt hat, dass der Pilz sich nach fünf Jahren anpasst und die Resistenz umgeht.» 25 bis 30 Jahre Züchtungsarbeit stecken in der Kartoffel, essbar ist sie jedoch trotzdem nicht.

Um ihren Geschmack zu verbessern, muss sie weiter gekreuzt werden. Das dauert nochmals etwa zehn Jahre, schätzt Hammann. Trotzdem glaubt er nicht, dass Gentechnik die Alternative ist: «Ich befürchte, dass die hundertprozentige Resistenz auch bei den gentechnisch veränderten Pflanzen nicht auf Dauer funktioniert.»

Wenn man dagegen Schrader zuhört, könnte man meinen, alle Probleme ließen sich mit der Gentechnik lösen. «Bis vor zwei Jahren gab es noch eine Überproduktion an Lebensmitteln», sagt der 48-Jährige, «aber das ist lange vorbei.» Innerhalb eines Jahres sei die Lebensmittelknappheit auch durch die Nachfrage nach Energiepflanzen immens geworden. Jetzt seien neue Techniken der Pflanzenzüchtung gefragt.

Das Faltblatt der BioTech Farm wirbt denn auch für «Feldversuche für morgen» und «moderne Pflanzenzüchtung». Statt gentechnisch «verändert» ist die Rede stets von «verbessert». Gegen Miete betreibt die Firma im Schaugarten sowie auf weiteren vier Hektar Fläche Feldversuche für Unternehmen und wissenschaftliche Institute.

Besucher können sich die Produkte dann hier ansehen - zugleich eine gute Werbung. Hinter der Firma stehen der Kölner Landwirt Karlheinz Lichtschläger und Kerstin Schmidt von der biovativ GmbH in Groß Lüsewitz. Die Mathematikerin verdient ihr Geld mit dem Thema Biosicherheit.

Die Gentechnik voranzubringen ist also auch für ihr zweites Geschäftsfeld durchaus von Nutzen. Die Gentechnik werde bereits weltweit angewendet, sagt Schrader. «Nur Europa tut sich ein bisschen schwer.» Der Biologe verkneift sich einen Seufzer. Seit acht Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Gentechnik. Schon mehreren hundert Besuchern - fast ausschließlich Fachpublikum - hat er seit der Eröffnung im Juli den Schaugarten gezeigt. Trotzdem haben Schrader und seine Mitstreiter ein Jahr und viele Diskussionsrunden gebraucht, um die Bevölkerung von dem Projekt zu überzeugen. «Das war das Schwierigste», gibt er zu, «das Aussähen und Anpflanzen ging dagegen ganz schnell.»

Der Standort jedenfalls passt. In der Magdeburger Börde ist das Klima günstig, dazu kommen fruchtbare Böden. Viele kleine Pflanzenzuchtunternehmen haben sich hier angesiedelt. Rund um den Garten nichts als weite Felder, am Horizont drehen sich Windräder, Menschen sieht man kaum.

Der Mais dagegen ist nicht zu übersehen. Hinter der Bezeichnung Bt-Mais MON 810 verbirgt sich eine Sorte, die resistent gegen einen der gefürchtetsten Schädlinge ist, den Maiszünsler. Dieser Mais ist der einzige, der auch in Deutschland zugelassen ist. 2008 wurde er auf einer Fläche von rund 3.000 Hektar angebaut. Das entspricht knapp zwei Prozent der deutschen Maiserzeugung.

Wenn sich die Raupen des Schmetterlings in den Stängel der veränderten Pflanze bohren, vergiften sie sich selbst. In den Mais wurde ein Gen eingebaut, das aus einem Bodenbakterium (Bt: Bacillus thuringiensis) gewonnen wurde. Dieses produziert ein für den Schädling giftiges Eiweiß. Das selbe Eiweiß werde sogar im biologischen Anbau als Spritzmittel eingesetzt, sagt Schrader triumphierend.

Eine andere Sorte, die es im Garten zu sehen gibt, ist Mais der Firma Monsanto. Der Pflanze mit der Bezeichnung Roundup Ready kann das Unkrautbekämpfungsmittel (Herbizid) Roundup nichts anhaben. «Das ist jedoch nicht unbedingt das Paradebeispiel für Gentechnik», gibt Schrader zu, «da die gleiche Firma das Spritzmittel und den dazu passenden Mais anbietet und ziemlich gut daran verdient.»

Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), kennt den Biologen Schrader schon seit Jahren. Auf unzähligen Podiumsdiskussionen saßen sie sich gegenüber, warfen sich ihre jeweiligen Argumente an den Kopf. Genauso engagiert wie Schrader sich für Gentechnik einsetzt, kämpft Moldenhauer erbittert dagegen an. Die 44-Jährige hat eigentlich Philosophie studiert. Als junge Studentin stieß sie auf das Thema Gentechnik und war «hoch empört», wie sie lachend erzählt. Nach ihrer Arbeit für die Partei Die Grünen sei sie jedoch bei der Nichtregierungsorganisation besser aufgehoben, sagt sie, «weil wir hier so wunderschön radikal sein können.»

«Es ist einfach sehr verkürzt zu sagen, uns hilft nur die Gentechnik», sagt die schlanke Frau mit den dunklen glatten Haaren, «dabei gibt es so viele Alternativen.» Gegen den Maiszünsler helfe beispielsweise eine abwechslungsreiche Fruchtfolge oder ein einfaches Unterpflügen der Pflanzenreste nach der Ernte.

Für jedes Argument pro Gentechnik hat Moldenhauer das Gegenstück parat - allzu oft hat sie das alles schon gehört. Auch sie ist sich ihrer Sache sicher. «Nach zwölf Jahren Erfahrung halte ich das System Herbizidresistenz für gescheitert», sagt sie. Es würden sich immer mehr Kräuter entwickeln, denen die Gifte nichts anhaben, und als Folge sei immer mehr Gift nötig. Dies sei eindeutig das Gegenteil von einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Und eine Lösung für das Hungerproblem in der Dritten Welt sei die Gentechnik schon gar nicht, sagt Moldenhauer. Die Argumente sprudeln nur so aus ihr heraus. Sorten wie der Roundup-Ready-Mais würden sogar geringere Erträge abwerfen als normaler Mais. Die Ertragssteigerung sei ein uneingelöstes Versprechen der Gentechnik-Befürworter, ein «Propaganda-Argument erster Güte», wie die Naturschützerin sagt.

«Gentechnik als Lösung für die Nahrungsmittelkrise und den Welthunger zu propagieren ist verlogen.» Laut dem jüngsten Bericht des Weltagrarrates sei die Lösung viel einfacher: heimische Produkte für heimische Märkte, Frauen auf dem Land fördern und regional angepasste Sorten anbauen. «Das ist natürlich unsexy und unspektakulär», sagt Moldenhauer und freut sich gleichzeitig diebisch, weil das den Gentechnik-Freunden so gar nicht passt.

Gentechnisch veränderter Mais, Soja, Baumwolle oder Zuckerrüben werden bereits seit mehr als zehn Jahren angebaut - vor allem in Amerika. Die Anbaufläche weltweit ist mehr als dreimal so groß wie Deutschland. Auch an den Erbanlagen von Bäumen oder Obst wird mittlerweile gedreht. Und in den meisten Futtermitteln für Kühe und Schweine ist gentechnisch verändertes Soja enthalten - und das steht auch drauf. Dem Fleisch jedoch kann man es nicht mehr ansehen.

Eine konsequente Kennzeichnung aller Produkte wäre eigentlich notwendig. In diesem Punkt sind sich Gentechnikgegner und - befürworter einig. Jedoch mit unterschiedlicher Begründung. «Eine komplette Kennzeichnung wäre ein heilsamer Erkenntnisschock, weil dann der Verbraucher mitkriegt, dass er schon seit vielen Jahren mit Gentechnik lebt», sagt Schrader. Moldenhauer kann da nur lachen. Sie hält dagegen: Es würde Jahre dauern, bis diese Kennzeichnungspflicht umgesetzt wird. Bis dahin hätten sich alle Landwirte umgestellt und würden auf gentechnisch verändertes Futter verzichten. Die BUND-Frau sagt: «Genfood verkauft sich einfach nicht, ich würde Brief und Siegel darauf geben, dass die Rechnung Schraders nicht aufgeht.» (dpa)
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