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21.02.2009 | 10:04 | Weinkenner 

Weinliebhaber in Ägypten atmen auf: Abschied vom «Château Migraine»

Khatatba/Kairo - Jahrzehntelang war der ägyptische Wein vor allem für die Kopfschmerzen berühmt, die er verursachte.

Weinliebhaber Ägypten
(c) proplanta
Weinliebhaber nannten die von ihnen meist als «untrinkbar» eingestuften essigsauren Tropfen, von denen die meisten aus importiertem Konzentrat hergestellt wurden, spöttisch «Château Migraine». Die Mehrzahl der Touristen bestellte im Hotelrestaurant nur einmal eine Flasche «Omar Khayyam» oder «Obelisque», und stieg dann für den Rest ihres Urlaubes auf Bier oder Limonade um.

Das soll sich nun ändern. Seit 2007 produziert und verkauft der Deutsch-Ägypter Karim Hwaidak in dem nordafrikanischen Wüstenstaat einen Weißwein, der so gut schmeckt, dass ihn viele Restaurantmanager bei der ersten Verkostung für ein importiertes Produkt hielten. Seine per Tröpfchenbewässerung versorgten Rebstöcke wachsen mitten in der Wüste, in Khatatba im Nil-Delta und im oberägyptischen Luxor, wo kein Regen fällt und wo im Juni Höchsttemperaturen von bis zu 41 Grad erreicht werden.

Doch das Wetter ist für einen Weinproduzenten in Ägypten, wo sich die Pharaonen schon vor 4.700 Jahren an edlen Tropfen labten, viel weniger problematisch als das gesellschaftliche Klima. «Ich konnte es kaum glauben, aber es gibt in Ägypten Spediteure, die es ablehnen, Wein zu exportieren», sagt Hwaidak. Sein Vertriebsmanager berichtet: «Der Chef des Restaurants einer französischen Hotelkette in Kairo wollte die Weinflasche, die ich ihm zeigte, aus religiösen Gründen nicht einmal anfassen. Ein koptischer Christ musste den Wein probieren.»

Drei verschiedene Weißweine produziert Hwaidaks Weingut Sahara Vineyards bisher unter dem Namen «Caspar»: Einen Viognier, einen Chenin Blanc und einen aus roten Trauben gekelterten Blanc de Noirs. 2008 waren es insgesamt 60.000 Flaschen. Im kommenden März soll der Rotwein «Nermine» folgen. «Mein Ziel sind 500.000 Flaschen pro Jahrgang», sagt der Chef des Unternehmens. Er will die Anbaufläche nach und nach vergrößern.

Einen Großteil der Trauben, die auf seinen derzeit 250 Hektar Land wachsen, verkauft Hwaidak momentan an die ehemals staatliche Firma Al-Ahram Beverages, die inzwischen dem niederländischen Konzern Heineken gehört. Al-Ahram, der größte Alkoholkonzern des Landes, stellt daraus im Nil-Delta auf seinem Weingut Gianaclis einen kleinen Teil seines Weines her, dessen Qualität sich in den vergangenen Jahren ebenfalls leicht verbessert hat. Hwaidak hat auf dem Gianaclis-Gelände auch seine eigene Produktion untergebracht, allerdings separat, mit eigenen Tanks.

Die Weine der Firma Gianaclis - benannt nach dem Griechen Nestor Gianaclis, der in Ägypten 1903 ein Weingut aufgebaut hatte - sind billiger als «Caspar», der wegen der hohen Importzölle aber immer noch deutlich preiswerter ist als jeder ausländische Wein, den man in Ägypten erhält.

Hwaidak, der mit seiner Familie in der Toskana lebt, ist neu im Weingeschäft, weshalb er sich von Experten einer spanischen Firma beraten lässt. «Die Rebsorten, die hier angebaut werden, stammen zwar aus Europa, aber der Geschmack ist trotzdem ganz anders», erklärt der spanische Önologe Josep Verdú. «Der ägyptische Wein hat viel Persönlichkeit», sagt der Weinkenner aus Katalonien, der sich mit ägyptischen Mitarbeitern von Sahara Vineyards in einem mehrsprachigen Kauderwelsch verständigt.

Von den ägyptischen Arbeitern, die sich um die Rebstöcke kümmern, trinkt keiner Wein. Die Tagelöhner, die zwischen Juni und August für die Weinlese angeheuert werden, wissen zum Teil gar nicht, wofür die Trauben verwendet werden, die sie in großen Körben davontragen. Rund 90 Prozent der Ägypter sind Muslime, von denen wegen des Alkoholverbots im Islam nur ein kleiner Teil Wein trinkt.

Deshalb werden etwa 70 Prozent der ägyptischen Weinproduktion von rund sieben Millionen Flaschen den Touristen und in Kairo lebenden Ausländern ausgeschenkt. Auch zur Zeit der Pharaonen war der Weinkonsum in Ägypten nur auf einen kleinen Teil der Gesellschaft beschränkt. Die Elite trank Wein. Das Volk musste sich mit Bier begnügen. (dpa)
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