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22.12.2008 | 13:05 | Fischerei  

Kutterfischer wollen klaren Kurs zum Schutz der Fischbestände

Cuxhaven - Tausende Tonnen Fisch werden jährlich allein in der Nordsee gleich nach dem Fang vernichtet.

Fischerei
(c) proplanta
«Obwohl es weder notwendig oder gar sinnvoll wäre», sagt der Chef der Cuxhavener Kutterfisch-Genossenschaft, Kai Arne Schmidt. Doch die Europäische Union ließe den Fischern keine andere Wahl, schimpft Schmidt. Junge Tiere müssen ebenso ins Meer zurückgeworfen werden wie Fische, die nur durch Zufall als Beifang ins Netz gingen. «Kaum ein Fisch überlebt diese Prozedur», sagt Schmidt. Fakten aus einem Modellversuch der Cuxhavener sollen die Brüsseler Bürokraten deshalb jetzt zur Vernunft bringen.

Das Problem, um das die Cuxhavener Fischer seit Jahren mit der EU ringen, hat mittlerweile gewaltige Ausmaße angenommen. «Allein beim Nordsee-Kabeljau müssen über die offizielle Fangquote von 22.000 Tonnen hinaus jährlich rund 16.000 Tonnen unerlaubter Beifang vernichtet werden», erläutert Schmidt.

Weltweit summiert sich die nach dem englischen Begriff für Beifang benannte «Discard»-Problematik nach Schätzung der Welternährungsorganisation auf rund 20 Millionen Tonnen Fisch, die Jahr für Jahr vernichtet werden müssen. «Discard ist neben der illegalen Fischerei, mangelhaften Kontrollen und zu hoch angesetzten Fangquoten die größte Gefahr für den Erhalt der weltweiten Fischbestände», sagt der Geschäftsführer des Bremerhavener Fischversorgers Deutsche See, Peter Dill.

Das Unternehmen, Deutschlands Marktführer mit guten Kontakten nach Brüssel, ebnete den Kutterfischern den Weg zu dem EU-weiten Modellversuch «Stopp Discard». Knapp ein Jahr lang durften drei Kutter unter wissenschaftlicher Aufsicht gegen die Vorschriften verstoßen. Die erste wissenschaftliche Aufgabe war einfach, aber dennoch eindrucksvoll im Ergebnis. Beim Seelachs-Fang mit einem Kutter sowie bei der Tandem-Fischerei mit zwei verbundenen Kuttern auf Kabeljau, Schellfisch und Scholle griffen die Cuxhavener einfach zu anderen Netzen: «Wir haben Netze mit um 25 Prozent größeren Maschen eingesetzt», sagte Schmidt.

Für den Fall der Fälle bekamen die Fischer die Genehmigung, eventuell Beifang nicht über Bord zu werfen und stattdessen an die Deutsche See zu verkaufen. Doch dazu kam es nicht: «Statt einer durchschnittlichen Beifangquote von 30 Prozent hatten wir nur 0,1 bis 0,3 Prozent im Netz», berichtet Schmidt. Das für den Laien verblüffende Ergebnis überraschte die Kutterfischer kaum: «In norwegischen Gewässern darf nur auf diese Weise gefischt werden», weiß Schmidt. Die Skandinavier sind genauso wie die Isländer dafür bekannt, dass sie ihre Fischvorkommen sorgfältig bewirtschaften und bewachen. Strenge Kontrollen sind tägliche Praxis. Verstöße werden mit drakonischen Geldstrafen und konsequenten Fangverboten geahndet. Beide Länder sind nicht Mitglieder in der EU.

In der Europäischen Union «werden dagegen diejenigen bestraft, die vernünftig sein wollen», klagt Schmidt und schüttelt verständnislos den Kopf. Wer mit den üblichen kleinen, zwischen 90 und 100 Millimeter großen Netzmaschen fischt, darf laut Gesetz mehr als doppelt so lange auf Fangreise gehen wie jener, der schonenden Fischfang mit 120 Millimeter weiten Maschen betreibt. «Das kann man nicht verstehen, das muss man auch nicht verstehen», betont Schmidt.

Ein ebenso einfaches wie wirkungsvolles Mittel für den Schutz der Fischbestände ist es aus Sicht der Deutschen See, unvermeidbaren Beifang zu nutzen statt ihn sinnlos über Bord zu werfen. «Wir sind bereit, die Vermarktung sicherzustellen», versichert Dill. Auch die Fischer seien bereit, den Beifang auf ihre Fangquote anrechnen zu lassen.

Dass EU-Fischereikommissar Joe Borg den ersten Modellversuch persönlich unterstützte, lässt die Cuxhavener auf eine langfristige Einsicht der EU hoffen. Sie wollen das Projekt fortsetzen und auf eine größere Zahl von Kutter ausdehnen. Denn noch sind weitere Erfahrungen aus der norwegischen Fischerei nicht in den Gewässern erprobt. Unter anderem geht es um Fang- und Netztechniken, die gemischte Schwärme voneinander trennen. Zugleich will das Fischunternehmen die Lobby-Arbeit in Brüssel fortsetzen. «Wir müssen einfach zu einem Ergebnis kommen», sagt Dill: «Mit der jetzigen Praxis vernichten wir sonst auf Dauer die Grundlage für jegliche Fischerei.» (dpa)
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