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03.03.2009 | 14:14 | Klimaforschung  

Klimawandel bedroht Arten: "Jeder Berg ist oben irgendwo zu Ende"

Berlin - Das Birkhuhn hat schon Probleme. Gämsen und Steinböcke, Alpenglöckchen und Schnee-Enzian ebenfalls.

Artenbedrohung durch Klimawandel
(c) proplanta
Denn jede Erhöhung der Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius lässt die Vegetationszonen in den Alpen um 200 Meter nach oben wandern. Die Folge: In der floristisch reichhaltigsten Region Mitteleuropas wird der Lebensraum knapp. «Jeder Berg ist oben irgendwo zu Ende», sagt Christine Margraf vom BUND Naturschutz in Bayern zum Internationalen Tag des Artenschutzes. Für kälteliebende Pflanzen wie den Gletscher- Hahnenfuß oder den Moos-Steinbrech gebe es schon keine Ausweichmöglichkeiten nach oben mehr. Der Klimawandel treibt - wie in anderen Gebieten Deutschlands auch - den Artenschwund massiv voran.

Rund 30 Prozent der in Deutschland vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sind deshalb nach Berechnungen des Bundesamtes für Naturschutz bis zum Ende des Jahrhunderts bedroht. «Neben den Hochgebirgsregionen sind es vor allem die Moore, die Seen- und Flussgebiete, aber auch die Wälder und Küstenzonen», sagt die Artenschutzexpertin Margraf. Denn diese Regionen sind für wärmere Temperaturen und veränderte Niederschlagsmengen besonders anfällig.

Schon jetzt zeigt sich, dass Tier- und Pflanzenarten aus wärmeren Regionen in unsere Breitengrade vordringen, während die angestammten weichen oder ganz verschwinden: Während Europäische Auster und Miesmuschel in der Nordsee rar werden, macht sich die Pazifische Auster breit.

Tiere und Pflanzen des Lebensraumes Moor etwa, vom Menschen durch Entwässerung und Abbau bereits stark beeinträchtigt, können nicht einfach weiterziehen und sich woanders ansiedeln. Doch durch weniger Regen und sinkende Grundwasserstände drohen 220.000 Hektar in Bayern, 280 000 Hektar in Brandenburg, 300.000 Hektar in Mecklenburg- Vorpommern schlicht auszutrocknen. «Und das ist umso fataler, denn Moore sind starke Speicher für das Treibhausgas CO2», betont Margraf.

Ähnlich verhält es sich mit den Wäldern als lebenswichtigen Sauerstoffproduzenten und Treibhausgas-Senken: Die zunehmende Trockenheit und mehr Stürme werden vor allem den Wäldern im Nordosten zur Gefahr, wo viele Nadelbäume mit ihren flachen Wurzeln kaum Wasser und wenig Halt finde. Hinzu kommen Heerscharen von Borkenkäfern, die sich durch das wärmere Klima vermehren wie nie zuvor. «Hier werden besonders die Nadelholz-Regionen im Nordosten Deutschlands betroffen sein», sagt Margraf. Mischwälder hingegen sind weniger anfällig vor Insektenbefall, Windbruch und auch Waldbränden. «Vor allem die Rotbuche, in den künftig wärmeren Regionen im Nordosten aber auch die Pflaumeiche sollten deshalb verstärkt angepflanzt werden», fordert die Biologin.

Auch Flüssen und Seen droht durch die sich verändernden, extremeren Niederschlagsmengen entweder Überflutung oder Austrocknung. Das bekommen neben Fischen - wie die kühle, wasserreiche Flüsse liebenden Bachforelle - vor allem Amphibien zu spüren. «Durch die wärmeren Winter wachen die Tiere früher aus der Winterruhe auf, finden aber noch nichts zu fressen und gehen geschwächt ins Frühjahr. Frösche laichen viel zu früh ab und ihre Brut erfriert bei verspäteten Kälteeinbrüchen», sagt Margraf. Im Sommer hingegen trocknen die von vielen Amphibien bevorzugten flachen Tümpel aus.

Gerade bei Vögeln mit komplexen biologischen Abhängigkeiten machen sich diese Verschiebungen schon bemerkbar: «Rohrsänger, Rotkehlchen oder Hausrotschwanz brüten früher als sonst. Deshalb findet der Kuckuck als Langstreckenzieher keine Gelege mehr, in die er seine Eier dazu legen kann», so Margraf. Ähnlich ist es beim spät zurückkehrenden Trauerschnäpper. Wenn er seine Jungen aufziehen will, sind die besten Brutplätze schon belegt, die Insektenentwicklung nicht mehr ideal, und der früher aus dem Winterschlaf erwachende Siebenschläfer bedroht die Jungen.

«Ganz entscheidend für das Überleben vieler Arten ist es, die Landschaft wieder durchgängig zu machen und Biotope zu vernetzen», betont die BUND-Expertin. Heute endeten Wander- und Ausweichbewegungen der Tiere und Pflanzen oft schon an der nächsten Autobahn. Das Artensterben könne so zwar nicht aufgehalten, aber doch vermindert werden. «Und Naturschutz ist auch Klimaschutz.» (dpa)
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