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21.11.2008 | 14:13 | Sanfte Revolution 

Studierende der Universität Hohenheim greifen Impulse des Weltagrarberichts auf und sichern sich prominente Unterstützung

Stuttgart/Hohenheim - Nachhaltig und zielstrebig macht sich derzeit eine Studierendengruppe auf den Weg, das Studium der Agrarwissenschaft grundlegend zu verändern: interdisziplinärer und ethischer soll die Lehre werden.

Studierende Universität Hohenheim
(c) proplanta
Die Universität solle sich ihrer Verantwortung bewusst werden, die Bedeutung von Ernährungssystemen für ökologische, ökonomische und soziale Zusammenhänge erforschen und diese in den universitären Alltag hineintragen. Einen Tag lang wollen sie mit Studierenden, Professoren, NGO-Vertretern und einer Mitautorin des Weltagrarberichtes konkrete Ziele zur Veränderung der Lehre ausarbeiten. Am Ende soll ein Thesenpapier die Ergebnisse zusammenfassen. Für kulinarische Ergebnisse hat die Gruppe einen ganz besonderen Gast engagieren können: den Szene-Koch Wam Kat, Autor eines Buches mit 24 Rezepten, die die Welt retten.

Sperrig ist nur ihr Name: Sie nennen sich Food Revitalisation & Eco-Gastronomic Society of Hohenheim – kurz: FRESH - und sind eine kleine, internationale Truppe von Agrarwissenschaftlern aus Kanada, Sri Lanka, Libanon, Griechenland und Deutschland, die sanft, aber zielstrebig ambitionierte Visionen zur Realität machen wollen.

Kennengelernt haben sich die 10 Mitglieder beim Essen: Im Lokal kamen sie beim Thema verschiedene Essenskulturen miteinander ins Gespräch, um zu erkennen, dass sich alle Probleme der modernen Welt im Essen kristallisieren: die Welternährungs-Problematik, der Kulturverlust durch das Aussterben der Vielfalt traditioneller Nutzpflanzen oder die immensen ökologischen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion.


Masterplan für eine neue Lehre

Eine breite Strategiediskussion mit Impulsreferaten, Workshops und Ergebnissen noch am gleichen Abend sollen nun das Agrarstudium, wie es ist, den neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen. Und das nicht nur in der eigenen Fakultät: auf der einen Seite sollen die Ergebnisse der Konferenz anderen Agrarinstituten in Deutschland zugeschickt und andererseits Nicht-Agrarwissenschaftler miteinbezogen werden, da das Problem der Welternährung vielseitig angegangen werden müsse.

Eine Idee wäre z. B. die Biotechnologie mit einem neuen Modul über die sozialen Auswirkungen anzureichern. „Das Studium soll den ethischen Aspekt mehr betonen und interdisziplinärer ausgerichtet werden“, meint FRESH-Mitbegründerin Dorothee Klemann.

Fundament ihrer Überlegungen ist der Bericht des Weltagrarrates, der im Frühjahr des Jahres eine grundlegende Wende in der globalen Agrarwirtschaft gefordert hatte – weshalb sich die Fresh-Gruppe gleich der Unterstützung einer der Autorinnen versichert hat: als Impulsgeberin für alle Folgediskussionen geht Dr. Anita Idel, Mitautorin des Berichtes, auf zentrale Thesen, Hintergründe und die weitere Entwicklung des Papiers ein.

Eigene Visionen zur neuen Lehre diskutieren die Teilnehmer anschließend in vier thematischen Workshops. Begleitet wird jeder Workshop jeweils von zwei externen Experten und einem Hohenheimer Professor, der als Bindeglied zwischen den Externen und den Teilnehmern dienen soll. Die Themengebiete sind: Biotechnologie, Management Natürlicher Resourcen, International Trade und Local Knowledge & Women in Agriculture. Nach öffentlicher Präsentation und Diskussion soll ein Thesenpapier die Ergebnisse der Konferenz festhalten.


Ein Szene-Koch sorgt für kulinarische Ergebnisse

Verpflegt werden die Teilnehmer von Wam Kat: politischer Aktivist – und Koch. Das Interessante daran ist, dass er beides wunderbar miteinander verbindet, genau wie die Fresh-Gruppe. Seit 1981 kocht der Holländer für die Menschen in Flüchtlingslagern und für die Teilnehmer von Großveranstaltungen. So geschehen beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007, wo Kat & Co 7.000 Menschen verpflegten.

Das Wichtigste für Wam Kat ist, dass beim Kochen Wert gelegt wird auf regionale und ökologisch korrekte Zutaten. Seine Mahlzeiten sind umsonst – wem es schmeckt, darf gerne spenden. In seinem Buch "24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung" möchte er seine Lebens- bzw. Kochphilosophie an die Menschen vermitteln. Sein Credo: "Der meiste Austausch von Menschlichkeit, von Kultur, kommt beim Essen".


Vielfältige Motivation – gleiche Zielsetzung

Dass Nahrung viele aktuelle Probleme, aber auch ihre Lösungen verknüpft ist eine Erkenntnis, zu der die 10 Fresh-Begründer auf unterschiedlichsten Pfaden gekommen sind.

„Das Problem der Welternährung muss auch hier an der Uni gelöst werden“, fordert Dhusenti Manoharan den Gedanken des lokalen Handelns. Manuel Hilscher bringt sich mit kulturellen Aspekten ein: „Essenskultur hat doch etwas mit kultureller Identität zu tun“, bemerkt der passionierte Hobby-Koch. Die Überlieferung von regionalem Essen sei „nahezu verloren gegangen“, Wissen werde „nicht mehr weitervermittelt“, auf mittelfristige Sicht drohe „der Welt ein Einheitsessen“.

Bei Dorothee Klemann wurde der Nachhaltigkeits-Gedanke zur Triebfeder: gerade Studierenden sei der soziale Aspekt des Essens abhanden gekommen. Fast Food sei aufgrund der Zeitknappheit angesagt – Saisonalität und Ursprung seien nicht mehr wichtig heutzutage.

Handeln wollen sie genau an dem Ort, an dem sie zusammen gekommen sind – an der Universität. Und dabei ist Ihnen besonders wichtig, auch die ganze Universität mit ins Boot zu bekommen. „Es ist nicht die Konfrontation, die wir suchen, denn letztlich tun wir das alles doch, weil wir die Uni und die Agrarforschung lieben. Schließlich sind wir die Leute, die in der Zukunft die Entscheidungen treffen – und dann damit leben müssen“, sagt Jörg Schumacher.

Ein Kurs, mit dem sie durchaus auf Gegenliebe stoßen. Anfangs versuchten die Aktivisten noch, ihre Aktionen mit Eintopf-Events zu finanzieren, bei denen sie mit Unterstützung regionaler Bauern eine Mensa-Alternative aus regionalen Produkten kochten und verkauften. Inzwischen können die Nachwuchs-Agrarwissenschaftler auf handfeste Drittmittel zurückgreifen – unter anderem unterstützen die Vater u. Sohn Eiselen-Stiftung Ulm als hochkarätige Forschungsförderin, das Tropenzentrum und das Kompetenzzentrum für Gender und Ernährung den Kongress.

Zwei andere Projekte sind ebenfalls in der Planung: eine Aktion, um für eine Mensa ohne Käfigeier zu werben und der Bau eines Backhäuschens direkt an der Uni, wo die Studierenden selbst Brot backen können, um den Ursprung und das Gefühl fürs Essen zurückzuerhalten. „Es ist offensichtlich, dass sich die heutige Situation verändern muss“ sagt Pavlos Georgiadis, „wenn wir es wagen, uns wieder mit unserem Essen zu verbinden, unseren Teller mit unserem Planeten zu verbinden, gibt es eine Zukunft!“ (ots)
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