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31.10.2009 | 09:57 | Weinhefe 

113 Jahre in einer Weinflasche überlebt

Wädenswil - Kaum zu glauben, aber wahr: Aus einer Weinflasche mit Jahrgang 1895 haben Mikrobiologen der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW eine Weinhefe wiederbelebt.

Weinhefe
(c) ACW
Diese Hefe hat man im Herbst 2008 zum ersten Mal nach 113 Jahren Dornröschenschlaf zur Weinherstellung eingesetzt. Die alte Hefe zeigt hervorragende Gäreigenschaften, die entstandenen Weine sind von höchster Qualität und erhielten an anerkannten Degustationen Goldmedaillen.

Im Juni 2008 hat das Weingut Reblaube der Familie Schwarzenbach in Obermeilen am Zürichsee zu einer Weindegustation der Rebsorte Räuschling eingeladen. Auserlesene Weine bis Jahrgang 1895 wurden degustiert. Die Weine waren trotz ihres Alters zum größten Teil von guter Qualität. An einer solch faszinierenden Degustation entstehen schnell einmal verrückte Ideen: Weinrückstände wurden in sterile Gläschen abgefüllt und als bezahlte Auftragsarbeit an die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW gebracht. Und tatsächlich: Unter dem Mikroskop konnten noch intakte Hefezellen ausgemacht und auf geeignetem Nährmedium sogar wiederbelebt werden.

Die Gruppe Mikrobiologie von ACW hat somit Weinhefen entdeckt, die jahrelang in einem Ruhezustand zugebracht haben (so genannter Dormanz-Zustand). Der Erfolg hat die Forschenden angespornt, zwölf weitere Jahrgänge auf noch lebende Hefezellen zu untersuchen. In vier davon wurden sie ebenfalls fündig.


Der neue Räuschling aus alten Weinhefen

Die spannendsten Hefestämme für weitere Studien sind natürlich die drei ältesten aus dem Wein von 1895. Diese wurden 2008 in verschiedenen Weinkellereien eingesetzt, um Räuschling-Weine herzustellen. Und das Resultat lässt sich sehen: Die daraus entstandenen Weine wurden bei Degustationen hervorragend bewertet - etliche mit Goldmedaillen. Viele Kellermeister waren zudem begeistert, dass sie bei Weinen mit unerwünschter Restsüße den Restzucker mit der Weinhefe von 1895 wegbekamen und somit hohe finanzielle Einbussen verhindern konnten. Vor dem Einsatz von Weinhefe 1895 wären diese Weine zu süß geblieben, um abgefüllt zu werden und in den Handel zu gelangen.


Dreizehn Jahrgänge untersucht

Die ACW-Fachleute haben nicht nur den Wein mit Jahrgang 1895 auf lebende Weinhefezellen untersucht, sondern auch zwölf weitere Jahrgänge: 1897, 1911, 1927, 1935, 1936, 1940, 1943, 1944, 1945, 1947, 1959 und 1962. Bei insgesamt fünf Jahrgängen wurden sie fündig: beim Jahrgang 1895 dreizehn Kolonien Saccha-romyces cerevisiae aus drei verschiedenen Hefestämmen und drei Kolonien von Candida stellata, beim Jahrgang 1897 siebzehn Kolonien C. stellata, beim Jahrgang 1911 vierzehn Kolonien C. stellata und ein Bakterium, beim Jahrgang 1935 siebzehn Kolonien S. cerevisiae aus zwei verschiedenen Hefestämmen und beim Jahrgang 1962 siebzehn Kolonien S. cerevisiae aus einem Hefestamm. Das Vorkommen von S. cerevisiae weist auf gute Jahrgänge hin, und das Vorkommen von C. stellata ist ein Indikator für feuchte und kalte Weinjahre.


und die Studien gehen weiter!

Einer der drei Hefestämme aus dem Wein des Jahrgangs 1895 ist bei Fachleuten unter dem Namen Kolonie 6 bereits berühmt. Räuschling-Trauben von drei Betrieben wurden 2008 mit dieser Hefe vergoren – deshalb heisst der Wein R3. Die hervorragenden Gäreigenschaften von Hefe 1895 (Kolonie 6) konnten im Jahr 2009 bestätigt werden. Die Qualität der Weine ist sehr gut. Und obwohl 2009 etliche Weine zu einem Fehlgeschmack (einem so genannten Fehlton) tendieren, zeigen Weine kaum einen Fehlton, wenn sie mit der Hefe 1895 vergoren wurden. Pilotstudien mit allen drei Hefestämmen aus dem Räuschling 1895 zeigen, dass alle über gute Gäreigenschaften verfügen und qualitativ gute Weine entstehen. Und das ist noch nicht alles: Die jüngeren der wiederbelebten Hefestämme (zwei Stämme aus 1935 und einer aus 1962) zeigen ebenfalls gute Gäreigenschaften, wurden aber bis jetzt erst bei ACW und nicht unter Praxisbedingungen eingesetzt. (ACW) 
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