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Honigbiene (c) proplanta
Mittwoch, 24.04.2024
Bienen - Totgesagte schwärmen wieder

Bienensterben - jedes Jahr verbreiten die Medien aufs Neue Schreckensmeldungen über das unerklärliche Ableben unzähliger Bienenvölker. Horrorszenarien bis hin zur völligen Ausrottung der Honigbienen in naher Zukunft wurden in den letzten Jahren ausgemalt. Doch auch in diesem Sommer sind jetzt, während der Schwärmzeit, wieder überall die fleißigen Insekten bei der Arbeit zu beobachten. Ist das Bienensterben also nur ein „Medienreißer"? Wie steht es wirklich um Apis mellifera?

Dass der Gedanke, die Honigbienen könnten aussterben, große Ängste hervorruft, ist durchaus verständlich. Denn weitaus wichtiger als die Honigproduktion ist die Bestäubungsleistung der Tiere. Etwa 80 % der heimischen Nutz- und Wildpflanzen und damit rund ein Drittel aller für die Ernährung bedeutsamen Lebensmittel sind auf Bienenbestäubung angewiesen. In der Nahrungsmittelproduktion sind Bienen daher unersetzlich.

10 % des weltweiten landwirtschaftlichen Produktionswertes sollen auf die Bestäubung zurückzuführen sein. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung übersteigt nach Angaben des Deutschen Imkerbundes den Wert der Honigproduktion um das 10- bis 15-fache. In Deutschland sind dies rund zwei Milliarden Euro jährlich, weltweit 70 Milliarden US-Dollar. Damit zählt die Honigbiene, nach Rind und Schwein, zu den bedeutendsten Nutztieren.

In diesem Frühjahr wurde in Deutschland von sehr vielen Völkerverlusten berichtet. Bis zu 200.000 Bienenvölker sollen betroffen sein. Damit sind in diesem Winter mehr als doppelt so viele Honigbienen verendet als üblich. Umfragen der Ruhr-Universität Bochum und vier weiteren staatlichen Forschungsinstituten unter 3.600 Imkern mit etwa 60.000 Völkern ergaben laut „Süddeutsche Zeitung" vor allem in Süddeutschland hohe Verluste. Als Ursachen werden zahlreiche Faktoren diskutiert.

Varroa-Milbe - ein Parasit breitet sich aus

Eine der Hauptursachen des Bienensterbens dürfte die Varroa-Milbe darstellen. Die etwa 1,6 Millimeter kleine Varroa destructor wurde vor rund 25 Jahren von Asien nach Europa eingeschleppt. Seitdem breitet sich der Parasit immer weiter aus. Er schädigt sowohl die adulten Bienen als auch die Bienenbrut. Zur Vermehrung legt das Weibchen der Milbe in eine Brutzelle bis zu 7 Eier ab. Die jungen Milben wachsen nach dem Schlupf in der Brutzelle zu erwachsenen Tieren heran. Sie saugen an der Bienenbrut und schädigen dabei besonders die Arbeiterinnenbrut. Die Folgen sind nicht nur direkte Schäden an den Bienen, sondern auch Sekundärinfektionen durch die Verletzungen. Zudem werden auch Viren durch die Parasiten übertragen.

V. destructor gilt als Hauptgrund für das große Bienensterben im Winter 2002/2003, bei dem ein Drittel der Bienenvölker in Deutschland verendete. Auch im vergangenen Jahr konnte sich der Parasit durch das zeitige Frühjahr stark ausbreiten. Die Bienen sind dadurch bereits geschwächt in den Winter gegangen, so dass hier eine Ursache für die jüngsten Verluste liegen könnte.

Die Bekämpfung der Varroa-Milbe stellt die Imker vor große Herausforderungen. Bienenforscher in ganz Deutschland haben hierzu komplexe Bekämpfungskonzepte entwickelt. Unerlässlich ist eine laufende, genaue Kontrolle der Befallsstärke durch Gemülldiagnose. Im Jahresverlauf werden dann beispielsweise Maßnahmen wie Drohnenbrutentnahme und Ablegerbildung im Frühjahr oder chemische Verfahren wie Behandlungen mit Ameisensäure im Spätsommer oder Träufelbehandlung mit Oxalsäure im Herbst empfohlen.


Biene im Anflug
Das Saatgutbehandlungsmittel Clothianidin sorgte für hohe
Bienenverluste in 2008.
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Tod durch Pflanzenschutzmittel

Spektakulär, doch zumindest kausal zu ermitteln, waren in den letzten Jahren immer wieder Bienenvergiftungen durch Pflanzenschutzmittel. Über 12.000 Bienenvölker waren betroffen, als durch den Wirkstoff Clothianidin 2008 ein Bienensterben im Rheintal ausgelöst wurde. Das Saatgutbehandlungsmittel wurde während der Aussaat des Maissaatgutes von diesem abgerieben. Die entstandenen Stäube sind über die Luft auf blühende, von Bienen beflogene Pflanzen gelangt. Seitdem ruhen die Zulassungen für Mais-Beizmittel aus der Wirkgruppe der Neonikotinoide (Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam), da insbesondere die Rolle von Guttationswasser als Kontaminationsweg noch nicht hinreichend erforscht ist.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vereinbarte zur Minderung der Abriebstäube mit der Industrie eine Qualitätssicherung für Maissaatgut und die Umrüstung von Sägeräten zur Minderung der Staubemission. Für die Behandlung von Rapssaat ist Clothianidin jedoch weiterhin zugelassen. Erst kürzlich meldete der Landesverband Badischer Imker erneut ein Bienensterben in Karlsruhe mit Verdacht auf Clothianidin-Vergiftung. Verendete Bienen werden derzeit untersucht.

Bienen
Verarmung der Landschaft: Bienen verhungern im Sommer

Eher schleichend im Vergleich zu den Vergiftungen wirkt sich ein anderes Phänomen aus: Die Verarmung der Landschaft. In Folge dessen wird immer wieder darüber berichtet, dass Honig-, aber auch Wildbienen im Sommer schlicht verhungern, da zu wenige Blütenpflanzen Nahrung bieten.

Wichtig ist für die Bienen aber nicht nur die Nahrungsmenge, sondern auch eine große Vielfalt an Pollen, aus denen sie das Gelee royale herstellen, mit dem sie ihren Nachwuchs aufziehen. Je diverser die Pollennahrung der Arbeiterinnen ist, desto gehaltvoller ist diese Nahrung. Bei durch Monokulturen bedingtem einseitigem Nahrungsangebot sinkt die Fitness eines Bienenvolkes drastisch.

Einige Bundesländer versuchen bereits, durch Förderung verschiedener Agrarumweltmaßnahmen dem entgegenzuwirken. Doch eine Lösung des Problems ist derzeit nicht wirklich in Sicht.


Nachwuchsmangel und Imker-Fehler verschärfen Probleme

In Deutschland wird die Imkerei vorwiegend als Hobby betrieben. Der Nachwuchs reicht jedoch nicht aus, um die älteren Imker zu ersetzen. Die Berufsimkerei fristet eher ein Schattendasein. Thüringen hat kürzlich beispielsweise den ersten Imkerlehrling seit 20 Jahren gefeiert. Doch auch der Kenntnisstand vieler Bienenzüchter wird bisweilen beklagt. Fehler in der Imkerei, besonders im richtigen Umgang mit der Varroa-Milbe, führen oft zu stärkeren Völkerverlusten als nötig.

Derzeit gibt es in Deutschland rund 87.000 Imker mit insgesamt etwa 750.000 Bienenvölkern. Um diese zu erhalten bedarf es in den nächsten Jahren weiterhin intensiver Forschungstätigkeit, aber auch eines sachlichen Diskurses zwischen Landwirtschaft und Imkerei. Beide Seiten sollten nicht vergessen, dass sie einander bedürfen. Landwirtschaft ohne Bienen ist schließlich ebenso undenkbar wie Bienen ohne Nahrungspflanzen. (Proplanta)

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