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12.12.2019 | 00:04 | Internationale Zusammenarbei 

Angst vor Handelskriegen durch US-WTO-Blockade

Genf - US-Präsident Donald Trump ist aus dem Klimavertrag ausgestiegen, aus dem Iran-Atom-Abkommen, dem UN-Menschenrechtsrat.

Handelskrieg?
Was US-Präsident Trump von internationaler Zusammenarbeit hält, demonstriert er oft: herzlich wenig. Jetzt stürzt eine US-Blockade die Welthandelsorganisation in die größte Krise ihrer fast 25-jährigen Geschichte. (c) proplanta
Jetzt setzt er der Welthandelsorganisation (WTO) die Daumenschrauben an. Um weitreichende Reformen zu erzwingen, haben die USA im Alleingang eines der wichtigsten Gremien der Organisation lahmgelegt.

Handelsdispute können seit Mittwoch nicht mehr geordnet beigelegt werden, weil es im Streitschlichtungsverfahren keine Berufungsrichter mehr gibt. Die USA haben neue Ernennungen seit Jahren blockiert.

Will Trump die WTO zu ihrem 25-jährigen Jubiläum am 1. Januar 2020 vor die Wand fahren? Und weltweit zur Bully-Politik zurückkehren, wo ein Land das andere im Alleingang mit Strafzöllen in die Knie zu zwingt? So sieht es China, das bereits mit US-Strafzöllen in Milliardenhöhe konfrontiert ist.

Die USA glaubten wohl an die Gesetze des Dschungels, wo der Stärkere sich durchsetzt, meinte eine Sprecherin des Außenministeriums in China. Auch gegen die EU verhängten die USA Zölle, etwa auf Stahl und Aluminium, und Trump hat weitere Strafmaßnahmen angedroht, auf Autos und Champagner.

Von einer Hiobsbotschaft für die deutsche Wirtschaft spricht der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. «Ohne verlässliche Regeldurchsetzung droht der deutschen Wirtschaft weiter steigende Unsicherheit auf den Weltmärkten.»

Die WTO spiele für den Außenhandel eine zentrale Rolle, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer. Zwei Drittel der außereuropäischen Exporte Deutschlands beruhten auf WTO-Regeln. «Betroffen davon sind unser Handel mit den USA, der mit China oder auch der mit Russland. Für die Unternehmen und unsere gesamte Volkswirtschaft steht also viel auf dem Spiel.»

WTO-Experte Joost Pauwelyn geht noch weiter: «Das größte Risiko ist die Eskalation von Handelskriegen», sagt der Rechtsprofessor an der Genfer Universität Graduate Institute. Er sieht aber einen Silberstreif am Horizont: «Vielleicht war es nötig, dass die USA mit der Faust auf den Tisch hauen, um die Länder zu den nötigen Reformen zu bewegen. Im besten Fall geht daraus eine gestärkte WTO hervor - das kann aber ein paar Jahre dauern.» Mit Trump habe das nichts zu tun. Die US-Demokraten hätten mit der WTO dieselben Probleme.

Der Frust der Amerikaner sitzt seit Jahren tief. Vor allem das aufstrebende China mit seiner staatsgelenkten Wirtschaft, mit der Missachtung von Patenten und billigen Waren auf dem Weltmarkt verärgert sie und andere, etwa die EU. «Der US-Handelsbeauftragte hat mehrfach moniert, dass die WTO-Regeln nicht ausreichen, um China wegen Verstößen gegen geistige Eigentumsrechte zu belangen», schrieb die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Neue WTO-Regeln werden aber verhindert, denn jedes Land hat Vetorecht.

Zudem hat China - wie zwei Drittel der Mitglieder - den Status eines Entwicklungslandes mit vielen Konzessionen. «Die WTO ist KAPUTT, wenn die REICHSTEN Länder der Welt Entwicklungslandstatus beanspruchen, um WTO-Regeln zu umgehen und Konzessionen bekommen», twitterte Trump im Sommer. Allerdings beanspruche China bei laufenden Verhandlungen keine Entwicklungsland-Vergünstigungen mehr, sagt Pauwelyn.

Die WTO gilt als Erfolgsgeschichte. Sie hat größere Handelskriege 25 Jahre lang verhindert. Heute unterliegen 96 Prozent des weltweiten Handels WTO-Regeln. Bis zu Trumps Amtsantritt waren willkürliche Zölle eine Seltenheit, und betroffene Länder konnten sich im Streitschlichtungsverfahren wehren. Die heute 164 Mitgliedsländer unterwarfen sich den Richtersprüchen. Zuletzt musste die EU nach einer Niederlage wegen rechtswidriger Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus milliardenschwere US-Zölle hinnehmen.

Trotz Krise ist die WTO weiter aktiv. Verhandelt wird etwa über eine Begrenzung von Subventionen in der Fischerei und im Agrarsektor. Ein Fischereiabkommen könne bis zur Ministertagung im kommenden Juni in Kasachstan unter Dach und Fach sein, meinte WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo jetzt. Er appellierte an die WTO-Mitglieder, keine neuen Handelshürden zu schaffen.

«Einseitige Maßnahmen können zu einem Klima der Unberechenbarkeit führen», sagte Azevêdo. Unsicherheit hemme Investitionen, was Wachstum stoppe und Arbeitsplätze koste. «Das ist eine Situation, in der alle verlieren.»

Auf die in Kürze erwartete Entscheidung über die Höhe von Strafzöllen, die die EU wegen rechtswidriger US-Subventionen für den Flugzeugbauer Boeing erheben darf, hat die Situation keinen Einfluss. Dafür ist ein Schlichter außerhalb des Berufungsgremiums zuständig.
dpa
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