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15.01.2019 | 07:26 | Finanzminister 

Grundsteuer-Reform von Scholz kommt nicht gut an

Berlin - Finanzminister Olaf Scholz (SPD) versucht sich an der Quadratur des Kreises. Wenn er scheitert, droht ein Loch von rund 14 Milliarden Euro bei Städten und Kommunen.

Grundsteuer
Es ist die größte Steuerreform der großen Koalition - eine nicht ganz freiwillige. Doch zwischen Bund und Ländern, zwischen Union und SPD knirscht es gewaltig bei der Reform der Grundsteuer, die Kommunen 14 Milliarden im Jahr bringt. Einige fordern daher die Abschaffung. (c) proplanta
Seine erste Steuerreform ist eine sehr harte Nuss, erzwungen vom Bundesverfassungsgericht.

Denn die Uneinigkeit bei der Reform der Grundsteuer ist groß - am Montag gab es beim Treffen mit den Länderfinanzministern viel Gegenwind. Scholz muss nachbessern - Knackpunkt ist, ob Immobilien nur nach der Fläche oder auch nach dem Wert besteuert werden sollen.

Warum drängt die Zeit für eine Reform?

Die Grundsteuer ist eine Steuer auf das Eigentum - mit den Einnahmen werden kommunale Leistungen, zum Beispiel für Kitas und neue Straßen finanziert. Das Verfassungsgericht hat am 10. April 2018 geurteilt, dass die bei der Berechnung zugrunde gelegten Einheitswerte (Wert eines Grundstücks) verfassungswidrig sind. Denn die sind veraltet: In den westdeutschen Ländern wurden diese letztmals 1964 festgelegt, in Ostdeutschland stammen sie sogar von 1935.

Städte und Kommunen haben sich aber verändert und damit die Werte von Grundstücken und Gebäuden, gerade in Ballungsgebieten. Das Gericht verlangt eine Reform bis Ende 2019, sonst könnte die Steuer wegfallen. Da der Entwurf noch Bundestag und Bundesrat passieren muss, drängt die Zeit.

Warum ist die Steuer so wichtig?

Die Grundsteuer deckt rund 15 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Fehlt das Geld, könnten Bibliotheken und Schwimmbäder zu und marode Schulen ohne Sanierung bleiben. Nur im Ziel sind sich daher alle einig: es sollen wie bisher durch die Grundsteuer A (Forst- und Landwirtschaft) und die Grundsteuer B insgesamt rund 14 Milliarden Euro im Jahr eingenommen werden. Doch das Wie ist der Knackpunkt.

Worum dreht sich der Streit?

Im Bundesfinanzministerium haben sich für die beiden zur Debatte stehenden Modelle die Abkürzungen «WAM» und «WUM» eingebürgert.

«WAM» steht für wertabhängiges Modell und ist aus Sicht von Scholz das Modell, das am ehesten die Vorgaben des Verfassungsgerichts für eine zeitgemäße und sozial gerechte Besteuerung erfüllt. Er will 36 Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke neu bewerten und aus fünf Faktoren eine individuelle Grundsteuer errechnen lassen: Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und regionaler Bodenrichtwert.

Es droht ein «Bürokratiemonster», sagen die Gegner - dazu zählen Bayern, Niedersachsen die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, die FDP und Immobilienverbände. Sie sind ein wertunabhängiges Modell («WUM», wo die Steuer nur pauschal nach der Fläche berechnet wird.

Was sind Vorteile des «WAM»-Modells?

Es wäre gerechter, da die im Wert weit höher anzusetzende Immobilie im Zentrum einer Großstadt höher besteuert wird, als die ähnlich große, aber im Wert viel geringere Immobilie auf dem Land. Auch der Deutsche Städtetag unterstützt dieses Modell.

«Es macht auch einen Unterschied, ob es um ein Haus in einem Villenviertel geht oder um eine Hochhaussiedlung», sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». «Da geht es um Steuergerechtigkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung.»

Was sind die Nachteile?

Der enorme Aufwand und drohende Mehrbelastungen für Mieter in gefragten Gegenden. Auch Wohnungsbesitzer müssten für selbst genutzte Immobilien eine «fiktive» Miete angeben - das Finanzministerium will regionale Mietpreisstufen zur Verfügung stellen, die dann eingetragen werden müssen.

Bei Vermietungen wird die im Mietvertrag vereinbarte Miete eingetragen. Die Grundsteuer wird bisher über die Nebenkosten umgelegt. Bisher 19 Cent im Schnitt pro Quadratmeter, bei 100 qm also 19 Euro im Monat. Für Mieter in gefragten Gegenden rechnet man mit Mehrkosten in Höhe eines mittleren zweistelligen Betrags pro Jahr.

«Wir wollen keine Steuererhöhungen, weder direkt noch durch die Hintertür», lehnt Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) das ab. Daher müsse das Flächenmodell Ausgangspunkt einer Lösung sein.

Wie könnten Mieter beim Scholz-Modell besser geschützt werden?

Städte und Kommunen können über den von ihnen individuell festzulegenden Hebesatz die Steuerhöhe steuern. Scholz setzt darauf, dass mit diesem Instrument gerade Großstädte dafür sorgen, dass die Zusatzbelastungen im Rahmen bleiben, zudem sind Obergrenzen geplant.

Während Scholz' Vorschlag einige Mieten leicht steigen lassen kann, haben Parteikollegen, die SPD-Fraktionschefs von Bund und Ländern, beschlossen, dass die Umlage auf die Miete ganz untersagt werden soll - dafür müsste aber das Mietrecht geändert werden.

Die SPD und Scholz sind hier in einem paradoxen Dilemma - pflegt die SPD doch ihr Selbstbild als Mieterschutzpartei. Doch fiele die Umlage weg, müssten Immobilienbesitzer weitaus mehr zahlen - und könnten versuchen, die Grundsteuer über höhere Kaltmieten weiter umzulegen.

Was ist der Nachteil des Flächenmodells?

Der Besitzer einer Top-Wohnung in Filetlage zahlt bei gleicher Fläche soviel Steuer wie der Wohnungsbesitzer in einer strukturschwachen Gegend. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) hat am Montag eine interessante Kompromissvariante ins Spiel gebracht: Eine Steuererhebung nach der Fläche, mit Abstufungen für Immobilien in gefragten Gegenden - um nicht alles über einen Kamm zu scheren. Also ein Steuermodell, das zum Teil auch den Wert berücksichtigt.

Wie groß ist der bürokratische Aufwand?

Das Finanzministerium geht von 2.200 neuen Vollzeitstellen aus - bei beiden Modellen gleichermaßen. Denn so oder so müssen die Daten für alle Grundstücke und Wohnungen gesammelt und gespeichert werden, denn das ist ja seit über 50 Jahren nicht mehr geschehen. Bei künftigen Steuererklärungen soll dann alles automatisiert ablaufen - nur neue Nettokaltmieten müssten aktualisiert werden.

Niedersachsens Finanzminister Hilbers sieht das anders, beim Scholz-Modell müsse man für den Verwaltungsaufwand quasi die Steuereinnahmen von einem Jahr kalkulieren. Der Präsident des Verbands Wohneigentum, Manfred Jost, meint ob der schweren Kompromisssuche und drohender Komplikationen für künftige Steuererklärungen der Bürger: «Die einfachste Lösung wäre, die Grundsteuer abzuschaffen und die Kommunen stattdessen mit einem höheren Anteil an der Einkommensteuer zu beteiligen».
dpa
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