Entsprechende Vorschläge hat sie vergangenen Woche der Europäischen Kommission zukommen lassen. Diese sollen der Brüsseler Kritik an den geltenden Regelungen Rechnung tragen und ein zweites
Vertragsverletzungsverfahren mit möglichweise daraus resultierenden gravierenden Strafzahlungen von bis zu 860.000 Euro pro Tag abwenden. Vorgesehen ist zum einen, den bislang geforderten Nährstoffvergleich durch eine Aufzeichnungspflicht über die aufgebrachten Düngermengen zu ersetzen, um so die Einhaltung des ermittelten Düngerbedarfs besser zu kontrollieren.
Zum anderen soll es zusätzliche Maßnahmen in nitratbelasteten Gebieten geben. Dazu zählen ein verpflichtender
Zwischenfruchtanbau vor Sommerkulturen sowie ein Verbot der
Herbstdüngung bei
Wintergerste und Winterraps. Zudem sollen in den „roten Gebieten“ die geltenden Sollwerte für die Düngebedarfsermittlung um 20 % niedriger liegen als anderenorts.
Schließlich soll die Einhaltung der Stickstoffobergrenze von 170 kg pro Hektar und Jahr für organische Düngemittel nicht mehr aufgrund von Durchschnittswerten, sondern schlagbezogen erfolgen. Generell sollen die Länder in den roten Gebieten größere Spielräume erhalten, um weitergehende Maßnahmen zur Reduzierung der
Nitratbelastung zu ergreifen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bezeichnete die weitergehenden Maßnahmen im
Düngerecht als unvermeidlich. Der Deutsche
Bauernverband (
DBV) reagierte verärgert und mahnte Verlässlichkeit an. „Änderungen im Jahresrhythmus sind ein Vertrauensbruch“, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Aus dem parlamentarischen Raum kam Kritik am Vorgehen des Agrarressorts.
Ping-Pong-Spiel zwischen Brüssel und BerlinRukwied bezeichnete die Brüsseler Forderungen nach einer erneuten Revision der
Düngeverordnung als nicht berechtigt. Die
EU-Kommission müsse Deutschland die Chance geben, „dass sich das neue Düngerecht auch entfalten kann“. Die Kommission sei aufgefordert, die bereits kurzfristig erzielten Wirkungen anzuerkennen und Deutschland eine Umsetzungszeit einzuräumen.
„Die Bauern in Deutschland arbeiten mit Hochdruck daran, die gestiegenen Anforderungen im
Gewässerschutz umzusetzen, haben aber kein Verständnis für das aktuelle Ping-Pong-Spiel zwischen Brüssel und Berlin“, stellte der DBV-Präsident klar. Für ihn steht auch dieGlaubwürdigkeit der deutschen Politik auf dem Spiel, „wenn ohne eine fundierte Bewertung des geltenden Düngerechts und vor der Vorlage des nächsten Nitratberichts 2020 die Grundlagen des Düngerechts erneut geändert werden“.
Rukwied erinnerte daran, dass die grundlegende Neufassung der Düngeverordnung erst im Juni 2017 und die komplett neue Stoffstrombilanzverordnung Anfang 2018 in Kraft getreten seien. Dieses „umfassende und flächendeckend geltende Regelwerk für den Gewässerschutz werde von den Bauern derzeit in einer großen Kraftanstrengung umgesetzt. Die Forderungen nach erneuten Änderungen im Düngerecht sind dem Bauernpräsidenten umso unverständlicher, als dass das neue Düngerecht bereits Wirkung zeige. So seien schon im ersten Düngejahr spürbare Veränderungen in der Tierhaltung, in den Betriebsstrukturen und beim Düngereinsatz zu verzeichnen.
Beispielsweise gehe der Einsatz von stickstoffhaltigen Handelsdüngern und
Klärschlamm deutlich zurück. Die Rinder- und
Schweinebestände nähmen überproportional ab. Landwirte bei der Umsetzung begleiten und unterstützen Ministerin Klöckner zeigte Verständnis für die Kritik, hält aber eine Nachbesserung der Düngeverordnung für unerlässlich. Sie wisse um die Erschwernisse, die mit den vorgeschlagenen Änderungen an der Düngeverordnung verbunden sein werden, räumte Klöckner ein.
Allerdings stünden auch die Landwirte in Dänemark, Frankreich und den Niederlanden vor vergleichbaren Herausforderungen. „Wir werden unsere Landwirte bei der Umsetzung begleiten und unterstützen“, versicherte die Ministerin. Handlungsbedarf besteht ihren Angaben zufolge einerseits im Hinblick auf die sogenannten „roten Gebiete“, in denen zusätzliche Regelungen getroffen werden müssten.
Andererseits müsse man beim Vergleich der Zu- und Abfuhr von Stickstoff auf landwirtschaftlichen Flächen besser werden. „Wir haben der EU-Kommission eine Aufzeichnungspflicht über die aufgebrachten Düngermengen vorgeschlagen, um damit die Einhaltung des ermittelten Düngebedarfs der landwirtschaftlichen Kulturen besser zu kontrollieren“, erläuterte Klöckner. Die Aufzeichnungspflicht soll an die Stelle des bislang vorgeschriebenen Nährstoffvergleichs treten, der ebenso wie der Kontrollwert gestrichen werden soll. Künftig soll der errechnete Düngebedarf eines Betriebes mit den tatsächlichen Düngungsmaßnahmen nicht überschritten werden dürfen.
Neuregelung bis Mai 2020Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens verwies in einem Schreiben an Bundestagsabgeordnete auf schwierige Beratungen, um innerhalb der Bundesregierung eine einheitliche Position zu erarbeiten. Nachdem diese Mitte Dezember erreicht worden sei, habe man im Januar die Gespräche mit der EU-Kommission fortgeführt und ihr Ende Januar die abgestimmten deutschen Vorschläge übermittelt. Bereits Ende Februar will das
Bundeslandwirtschaftsministerium einen Referentenentwurf zur Änderung der Düngeverordnung vorlegen.
Dem Zeitplan zufolge, den die Bundesregierung der EU-Kommission zusammen mit ihren Änderungsvorschlägen vorgelegt hat, soll die Ressortabstimmung einschließlich der Länder- und Verbändeanhörung bis zur Jahresmitte abgeschlossen sein, so dass im Herbst die Notfizierung der Novelle durch die Kommission erfolgen könnte. Nach deren Abschluss und der notwendigen Kabinettsbefassung könnte das Bundesratsverfahren beginnen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Verabschiedung in der
Länderkammer im Frühjahr 2020 erfolgt, so dass die neue Düngeverordnung im Mai 2020 in Kraft treten könnte.
Vorwurf der GeheimniskrämereiGrünen-Agrarsprecher
Friedrich Ostendorff warf dem Bundeslandwirtschaftsministerium Versagen vor. Das Ressort habe die Bauern und den
Bundestag bewusst über Monate im Unwissen über die Dringlichkeit der Probleme gelassen, monierte der Grünen-Politiker. Die jetzt völlig überraschend angekündigten Verschärfungen würden die Verunsicherung in der Landwirtschaf tmassiv vergrößern. Für die Agrarsprecherin der Linken im Bundestag, Dr.
Kirsten Tackmann, ist die vorgesehene neuerliche Novelle der Düngeverordnung grundsätzlich keine Überraschung.
Dass gehandelt werde müsse, sei bereits bei der Verabschiedung des jetzigen Düngerechts klar gewesen.
Tackmann sprach von einer „Klatsche“ für die Bundesregierung und die schwarz-rote Koalition. Die Zeche zahlten die Agrarbetriebe: „Statt Planungssicherheit gibt’s erneute Verunsicherung.“
Ambitionierte Maßnahmen nötigAuch die FDP-Obfrau im Ernährungsausschuss, Carina Konrad, befürchtet eine erneute Verunsicherung in der Landwirtschaft. Sie warf der Bundesregierung ein übereiltes Vorgehen vor, zumal sich die Auswirkungen der letzten Düngenovelle noch nicht in Messergebnissen widerspiegelten. Die FDP-Politikerin nannte es unverständlich, „warum zu hohe Nitratwerte fast ausschließlich ein deutsches Problem sind“. Es scheine so, „als werde nur in Deutschland durch das Belastungsmessnetz dort gemessen, wo man durch die jetzt vorgestellten Nachbesserungen der Bundesregierung eh keine Besserung zu erwarten hat“. Ein repräsentatives flächendeckendes Messnetz würde der Liberalen zufolge zu einer ganz anderen Bewertung führen.
Der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Spiering , begrüßte hingegen das Vorgehen der Bundesregierung. „Wir brauchen dringend ambitionierte Maßnahmen, um das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (
EuGH) gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie umzusetzen“, erklärte Spiering. Für die SPD-Bundestagsfraktion sei eine umfassende Revision der Regelungen zur Stickstoffausbringung unerlässlich. Anderenfalls drohten hohe Strafzahlungen sowie weitere Vertragsverletzungsverfahren aufgrund einer unzureichenden Umsetzung der
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (NEC-RL). „Das Düngerecht ist hierfür der Grandmesser“, betonte Spiering.
Rote Gebiete im BlickWirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Nitratbelastung im Grund- und Oberflächenwasser halten die
Umweltverbände für dringend geboten. „Zum Schutz unseres Wassers muss das Düngerecht deutlich verschärft werden“, erklärte Christian Rehmer vom Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND). Handlungsbedarf sieht Rehmer insbesondere in viehdichten Regionen. Dort müssten verbindliche und strenge Maßnahmen ergriffen werden. „Anstatt die
Gülle dort vier Stunden auf dem Acker ausdampfen zu lassen, sollte sie innerhalb einer Stunde in den Boden eingearbeitet werden“, so der BUND-Experte.
Der Naturschutz Deutschland (
NABU) sieht sich mit der nun erfolgten Ankündigung der Bundesregierung, die Düngeverordnung nachzubessern, in seiner Kritik an den geltenden Vorschriften bestätigt. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller begrüßte Pläne, denen zufolge die Länder in Gebieten mit hoher Nitratbelastung die Stickstoffausbringung künftig auf 130 kg je Hektar begrenzen dürfen. Allerdings fehlten weiterhin Vorgaben für ausreichende Abstände zu Gewässern
Bürokratische MithaftungNach Auffassung von Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter gehen die der EU-Kommission übermittelten Vorschläge in die richtige Richtung. Mit ihnen ließen sich Schlupflöcher stopfen und „wirksame Maßnahmen gegen die Güllefluten und für den Schutz des Trinkwassers“ einleiten.
Betriebe mit Gülleüberschüssen müssten ihre Tierbestände in den kommenden Jahren konsequent verkleinern, so Hofstetter.
Scharfe Kritik am Bundeslandwirtschaftsministerium übte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Obwohl die Probleme lange bekannt gewesen seien, würden die Bauern vor „vollendete Tatsachen“ gestellt, beklagte der AbL-Vorsitzende Martin Schulz . Durch die geplanten Maßnahmen würden alle bäuerlichen Betriebe in bürokratische Mithaftung genommen. Offenbar sollten in Zukunft nun alle Betriebe einzelflächenspezifische Nährstoffbilanzen für jedes einzelne Feld erstellen, auch wenn die Betriebe gar nicht zu den Risikobetrieben zählten. „Wir haben den Eindruck, dass die Bundesregierung sich nicht traut, bei den eigentlichen Ursachen zu hoher Nährstofffrachten anzusetzen“, erklärte Schulz.