Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
01.12.2019 | 10:00 | Landwirtschaftsdialog 

Kurswechsel in der Agrarpolitik: Spielt der Bauernverband auf Zeit?

Berlin - Einen Kurswechsel in der Agrarpolitik der Bundesregierung wird es nicht geben.

Joachim Rukwied - DBV
Bild vergrößern
(c) proplanta
Forderungen nach einer Abkehr von einer stärker auf Umwelt- und Tierschutzziele orientierten Politik erteilte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im Vorfeld des von ihr initiierten Landwirtschaftsdialog in dieser Woche im Kanzleramt eine Absage.

„Landwirte müssen Antworten auf die neuen Zeiten geben“, sagte die Regierungschefin in der Generalaussprache zum Bundeshaushalt 2020 am vergangenen Mittwoch (27.11.) in Berlin. Merkel lehnt Vorschläge ab, im Hinblick auf die von der EU-Kommission geforderte Anpassung der Düngeverordnung auf Zeit zu spielen. Es könne nicht angehen, die Verschärfung der Düngeverordnung noch einmal um drei Jahre hinauszuschieben, nachdem man die europäischen Vorgaben seit vielen Jahren nicht umgesetzt habe, stellte die Kanzlerin klar.

Für den agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, ist der Landwirtedialog „mehr als nur ein überfälliges Zeichen der Anerkennung“. „Die Kanzlerin macht Ernährung und Landwirtschaft zur Chefsache“, stellt der CDU-Politiker fest. Darin fordert Stegemann zugleich mehr Engagement der Agrarwirtschaft für eine aktive Kommunikation.  FDP-Agrarsprecher Dr. Gero Hocker mahnte „mehr Wissenschaftlichkeit“ in der Agrarpolitik der Bundesregierung an.

Keine Umweltverbände geladen

Die Bundeskanzlerin zeigte in ihrer Haushaltsrede Verständnis für den Unmut der Landwirte. Die Proteste seien nicht zuletzt eine Reaktion unterschiedlicher Lebenswelten in Stadt und Land, die eine Gefahr für den Zusammenhalt in der Gesellschaft darstellten.

Merkel kritisierte eine unzureichende Wertschätzung der landwirtschaftlichen Arbeit. Man müsse die Landwirte achten, „die im Sommer noch arbeiten, wenn wir beim kühlen Bier sitzen“. Zur notwendigen Wertschätzung der heimischen Landwirtschaft zähle auch der Kauf regionaler Produkte. Man dürfe keinen Zweifel daran lassen, „dass wir heimische Lebensmittel wollen und eine starke Landwirtschaft“. Darüber werde sie mit Vertretern der Bauern sprechen, kündigte die Kanzlerin an.

Zum Landwirtedialog an diesem Montag sind Vertreter von 40 Verbänden und Organisationen aus dem landwirtschaftlichen Berufsstand und dem ländlichen Bereich eingeladen, nicht jedoch Umweltverbände. Die Kanzlerin wird sich drei Stunden Zeit zur Diskussion nehmen: Gesprochen werden soll über die Themen „Wertschätzung“, „Tierhaltung“ und „Ackerbau“.

Wirkungsvolle Branchenorganisation notwendig

Nach Auffassung von Stegemann darf der Dialog „nicht im Kanzleramt enden“. Das von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner vorgeschlagene Nationale Dialogforum weist für den CDU-Politiker den richtigen Weg. Die Landwirte ruft er dazu auf, der Kommunikation einen größeren Stellenwert einzuräumen.

„Landwirte brauchen eine wirkungsvolle Branchenorganisation, die über die Arbeit der Landwirtschaft informiert“, betont Stegemann. Eine gute Kommunikation mit den Verbrauchern liege im Eigeninteresse der Landwirte und der gesamten Ernährungsbranche.

Ausdrücklich bekräftigt der Unionsabgeordnete die Führungsrolle der Politik angesichts der anstehenden Veränderungen in der Landwirtschaft: „Wir müssen festlegen, wer in der Agrarpolitik Koch und wer Kellner ist.“ So könne es nicht sein, dass dringend notwendige Pflanzenschutzmittelzulassungen von nachgeordneten Umweltbehörden ausgebremst oder teilweise sogar mit rechtswidrigen Auflagen faktisch verhindert würden. Das gleiche gelte für neue molekulare Züchtungstechniken, „die wir dringend brauchen, um beispielsweise Pflanzen zu züchten, die dem Klimastress trotzen“.

Mehr Wissenschaftlichkeit

FDP-Agrarsprecher Hocker begrüßte den angestrebten Dialog mit der heimischen Landwirtschaft. Seiner Auffassung nach muss schnellstmöglich wieder Wissenschaft in die Agrarpolitik Einzug halten, „und zwar sowohl bei der Ursachenforschung als auch bei der Wirksamkeit der geforderten Maßnahmen“. Beides sei die Bundesregierung bisher schuldig geblieben, und das sei die Ursache für die „riesige Protestwelle der Landwirte“. Auch den Verbrauchern müsse klar sein, „ein Kaputtregulieren ohne Sinn und Verstand hilft weder Tieren und Umwelt, noch Verbrauchern und Landwirtschaft“.

Hocker verwies auf einen Antrag seiner Fraktion, nach dem keine weiteren Beschlüsse zu Insektenschutz, Düngeverordnung oder Pflanzenschutz getroffen werden sollten, „ohne dass hierfür evidente wissenschaftliche Gutachten existieren“. Weitere Beschlüsse und künftige Maßnahmen dürften nur auf wissenschaftlicher Basis getroffen werden. Es müsse endlich Schluss sein mit politischen Entscheidungen „nach Gefühl und aus dem Bauch heraus“.

Wichtiges Signal

Unterdessen warnte der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, vor überzogenen Erwartungen an das Treffen im Kanzleramt. „Bei Gesprächen auf dieser Ebene gibt es selten konkrete Ergebnisse“, sagte der ehemalige langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete beim DRV-Veredelungsforumvergangene Woche in Berlin.

Holzenkamp begrüßte die Einladung ins Kanzleramt gleichwohl als „wichtiges Signal“. Die Bundeskanzlerin mache damit deutlich, dass sie die Botschaft der Bauernproteste verstanden habe und sich mit ihren Forderungen auseinandersetze.

Der DRV-Präsident zeigte sich angetan von den Demonstrationen, insbesondere zu Wochenbeginn in Berlin. Sie seien hilfreich für die politische Arbeit der berufsständischen Verbände. Die Bauern hätten unmissverständlich zu verstehen gegeben, „es reicht“. Die Landwirtschaft stehe am Scheideweg. Die Politik müsse sagen, ob Land- und Agrarwirtschaft hierzulande gewollt sei oder Deutschland eine „Insel der Glückseligen“ sein solle.

Ausweg Ökolandbau

Der Vorsitzende vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, machte im Vorfeld des Landwirtedialogs auf „sich dramatisch zuspitzende“ Krisen bei Klima, Biodiversität, Wasser und Bodenfruchtbarkeit aufmerksam, die vor allem die Landwirtschaft und ihre Produktionsgrundlagen und damit das Wohlergehen der Gesellschaft bedrohten.

„Wenn die Bundesregierung sich vorgenommen hat, den Ökolandbau bis 2030 auf 20 % zu steigern, dann nicht, um sich mit den ökologischen gegen die konventionellen Landwirte zu stellen“, erklärte Prinz Löwenstein. Der Grund sei vielmehr, dass Bio „einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Krisen bietet, die Bäuerinnen und Bauern mitnimmt und ihnen dabei eine wirtschaftliche Perspektive eröffnet“.

Das 20-%-Ziel werde nur zu erreichen sein, „wenn die Bundeskanzlerin es zur Chefsache macht und alle Ressorts der Bundesregierung darauf hinarbeiten - von der Forschung bis zu Gesundheit und Wirtschaft bis hin zu all den Kantinen des Bundes, die kaum Bio anbieten“. Dringend sei zudem, dass sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in Brüssel für eine sinnvolle Weiterentwicklung des Bio-Rechts einsetze, „damit es kein Bio-Verhinderungsgesetz wird“.
AgE
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Kommentierte Artikel

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken

 Entwaldungsfreie Lieferketten: EU-Kommission zur Klärung aufgefordert

 Bund Naturschutz: Kein kategorisches Nein mehr zum Wolfsabschuss

 Nach Atomausstieg boomen erneuerbare Energien in Niedersachsen

 Massive Flächenverluste in Bayern

 Umsatzsteuersätze: Union will Reform

 Union fordert Ergebnisse beim Bürokratieabbau