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25.10.2018 | 06:38 | Plastikmüll 

Plastikflut eindämmen: EU-Parlament will Strohhalme und Co. verbieten

Straßburg - Cocktails trinken mit Plastikstrohhalm? Picknicken mit Plastikbesteck? Das dürfte bald der Vergangenheit angehören - denn die EU will zum Schutz von Umwelt und Meerestieren bestimmte Kunststoffprodukte verbieten.

Strohhalm
Plastik ist praktisch und günstig in der Herstellung. Kein Wunder, dass Plastikprodukte oft nur einmal benutzt und dann weggeworfen werden - mit schlimmen Folgen für die Umwelt. Das EU-Parlament will nun Strohhalme, Wattestäbchen und andere Plastikprodukte verbieten. (c) proplanta
Das EU-Parlament verschärfte diese Ideen in einer Abstimmung am Mittwoch nun zum Teil - etwa mit einer längeren Verbotsliste.

Nun muss ein Kompromiss mit den Mitgliedstaaten gefunden werden. Klappt das, wie geplant, im kommenden Jahr, träten die neuen Regeln spätestens 2021 in Kraft. Aus den Reihen der Mitgliedstaaten gibt es bislang keinen grundsätzlichen Widerstand. Das Parlament und die EU-Kommission schlagen neben Verboten noch eine ganze Palette an anderen Ideen vor, mit denen die Plastikflut eingedämmt werden soll.

Für Verbraucher am deutlichsten spürbar wären aber wohl die geplanten Verbote von Plastikprodukten, die nur einmal benutzt werden. Darunter fallen Strohhalme, Plastikgeschirr und -besteck, Wattestäbchen und Ballonhalter. Das EU-Parlament fügte dieser Liste noch weitere Produkte hinzu: Fastfood-Boxen aus aufgeschäumtem Kunststoff und das sogenannte Oxoplastik, das als biologisch abbaubar vermarktet wird, aber Kritikern zufolge in Mikroplastik zerfällt.

Verbannt werden sollen dabei nur Gegenstände, für die es aus Sicht der EU-Kommission bereits Alternativen gibt. Als Ersatz für Plastik-Trinkhalme kommen zum Beispiel solche aus Papier oder wiederverwendbare aus härterem Kunststoff in Frage. Wattestäbchen gibt es auch mit Holz oder Pappe, Ballonhalter aus Metall, Einmal-Besteck aus Holz.

Minderungsziele sollen die EU-Staaten einführen für Plastikprodukte, die bislang nicht ohne Weiteres durch andere Materialien ersetzbar sind. Das betrifft vor allem Behälter für Lebensmittel: zum Beispiel Plastikbecher, Boxen für Sandwiches sowie Verpackungen für Früchte, Gemüse, Desserts oder Eis.

Das Parlament fordert, dass der Verbrauch solcher Verpackungen bis 2025 um ein Viertel sinkt. Wie das geschafft wird, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Ein Ansatz wäre, dass Einweg-Plastikverpackungen künftig nur noch gegen Geld abgegeben werden. Die Mitgliedstaaten könnten auch für Alternativen werben.

Alle Mitgliedstaaten sollen zudem bis 2025 mindestens 90 Prozent der Plastikgetränkeflaschen zur Wiederverwertung sammeln, etwa mit Hilfe eines Einwegpfands wie in Deutschland.

Ein weiterer Ansatz ist die Aufklärung der Verbraucher. Dazu sollen künftig auf vielen Verpackungen Hinweise stehen: zur richtigen Entsorgung und zu den potenziellen Schäden, die das Produkt in der Umwelt anrichten könnte. Solche Warnhinweise sollen zum Beispiel für Binden, Tampons und Feuchttücher kommen.

Das EU-Parlament will zudem Zigarettenabfall reduzieren. In den Filtern ist oft Kunststoff enthalten, ein einziger Stummel kann bis zu 1.000 Liter Wasser verschmutzen. Die Abgeordneten wollen, dass die Müllmenge aus plastikhaltigen Zigarettenfiltern bis 2030 um 80 Prozent sinkt. Es gibt auch Filter ohne Plastik.

Zudem ist eine Kostenbeteiligung der Hersteller für das Säubern der Umwelt vorgesehen. Bisher zahlen dafür vor allem die Steuerzahler oder die Tourismusbranche.

All diese Vorschläge sollen dabei helfen, die Plastikflut in den Meeren einzudämmen. Weltweit, aber auch in Europa, werden enorme Mengen Kunststoff genutzt und anschließend weggeworfen. Nur knapp ein Drittel des Plastikmülls wird nach Angaben der EU-Kommission eingesammelt und wiederverwertet.

Ein Großteil des Rests landet auf Müllkippen oder in der Umwelt. Plastik zerfällt sehr langsam und häuft sich besonders im Meer und an Stränden. Bis zu 85 Prozent aller in der EU angespülten Abfälle sind aus Kunststoff - dabei handelt es sich in etwa der Hälfte der Fälle um weggeschmissene Einwegprodukte. Plastikspuren in Fischen gelangen auch auf Teller von Menschen.

Über Fraktionsgrenzen hinaus bekamen die Abstimmungsergebnisse viel Applaus. «Diese EU-Gesetzgebung wird sichtbare Verbesserungen bringen und dabei helfen, dass weniger Wegwerfplastik in den Weltmeeren landet», sagte der SPD-Abgeordnete Jo Leinen. Der CDU-Parlamentarier Karl-Heinz Florenz sagte, nun werde die Industrie zu Innovationen gedrängt, damit alternative Materialien auf den Markt kämen.

Auch der Kommunalverband VKU zeigte sich zufrieden - unter anderem damit, dass auch Plastikhersteller an den Entsorgungskosten beteiligt werden sollen. Bislang zahlen dafür laut Verband die Bürger - über Straßenreinigungsgebühren.

Aus Sicht von Grünen-Parteichef Robert Habeck in Deutschland reichen die europäischen Pläne jedoch nicht aus: Sie könnten nur der Anfang sein, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. «Um den Verbrauch von Plastik zu reduzieren, brauchen wir eine radikale Kursänderung.»

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny sprach von Symbolpolitik. «Mit Makkaroni statt Plastik-Strohalmen trinkende EU-Bürger machen das Meer nicht sauberer», erklärte sie. Sinnvoller wäre es beispielweise, Mülldeponien für Plastik in der EU zu verbieten.

Weitergehende Maßnahmen wie eine Plastiksteuer mahnte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms an. Greenpeace sieht vor allem eine Schwachstelle in den Vorschlägen. Die Einwegplastik-Definition sei zu eng, kritisiert Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Damit öffne sich ein Schlupfloch für die Industrie: Die Konzerne könnten die Reduktionsziele schlicht ignorieren, wenn sie ihre Produkte als wiederverwendbar kennzeichneten, gab er zu bedenken.

Die Plastikindustrie hingegen warnt vor Schnellschüssen. Hier würden wichtige Gesetze durchgepeitscht, ohne die Folgen abzuschätzen, erklärte der europäische Verpackungsverband pack2go. Es drohten Einbußen im Lebensmittel-Sektor oder Probleme bei der Lebensmittelhygiene, wenn der Plastikverbrauch drastisch gesenkt werde. Bislang nutzten Millionen von Europäern täglich Verpackungen für Essen oder Getränke zum Mitnehmen, betonte der Verband.
dpa
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