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19.01.2020 | 09:30 | Ergebnisprognose für 2019/20 

Agrareinkommen: Düstere Prognosen der Landwirtschaftskammern

Berlin - Eine Stabilisierung des Wirtschaftsergebnisses der bundesdeutschen Landwirtschaft dürfte allein dem aktuellen Exportboom beim Schweinefleisch geschuldet sein.

Agrareinkommen Deutschland
(c) proplanta
Das prognostiziert der Verband der Landwirtschaftskammern (VLK) für das laufende Wirtschaftsjahr 2019/20 mit Verweis auf die Buchführungsergebnisse von Haupterwerbsbetrieben aus der Kampagne 2018/19 und den ersten sechs Monaten von 2019/20 sowie Trendanalysen.

Wie der VLK am Donnerstag (16.1.) in Berlin ausführte, dürften die Gewinne im Durchschnitt aller Betriebe und Regionen voraussichtlich um 6.000 Euro auf rund 60.000 Euro zunehmen.

Allerdings müsse die Mehrzahl der Unternehmen wahrscheinlich ein geringeres Einkommen hinnehmen. So seien durch die Trockenheit im Sommer 2019 erneut nur unterdurchschnittliche Erntemengen eingefahren worden. In Verbindung mit rückläufigen Preisen für Getreide, Milch und Rindfleisch dürften die Unternehmensergebnisse der Ackerbau- und Futterbaubetriebe im Vergleich zu 2018/19 spürbar sinken.

Im Ackerbau werden die Gewinne den Kammerprognosen zufolge im aktuellen Wirtschaftsjahr von 49.000 Euro im Saarland bis 68.000 Euro in Niedersachsen im jeweiligen Schnitt reichen.

Für den Futterbau errechne sich eine Bandbreite von 42.000 Euro in Schleswig-Holstein bis 65.000 Euro im Saarland.

In den Hochburgen der Schweinehaltung seien dagegen Unternehmensergebnisse von mehr als 100.000 Euro möglich.

Der VLK hob hervor, dass zur finanziellen Anspannung in allen Betrieben auch Belastungen durch das verschärfte Fachrecht, steigende Bodenpreise und einen höheren Bürokratieaufwand hinzukämen. Außerdem dominiere das Gefühl, von den Politikern und Verbrauchern nicht gehört und verstanden zu werden. Insofern sei die Stimmung bei den Landwirten schlechter, als es allein durch die Wirtschaftskennzahlen erklärt werden könne.

Extreme Hitzewellen sorgten für unterdurchschnittliche Ernte

Im Sommer 2019 befand sich Deutschland oft im Einflussbereich von Hochdruckgebieten. Dies ging mit Temperaturrekorden und viel zu wenig Niederschlag einher. Erst im letzten Septemberdrittel endete die Trockenheit mit flächendeckenden Regenfällen. Auch im Erntejahr 2019 war Wasser somit der limitierende Wachstumsfaktor. Per Saldo lagen die Erträge bei Getreide dicht unter dem langjährigen Mittel. Im Durchschnitt aller Getreidearten (ohne Körnermais) betrug der festgestellte Hektarertrag in den Bundesländern mit einer Landwirtschaftskammer zwischen 60 dt/ha und 80 dt/ha.

Hinzuweisen ist jedoch auf große regionale Unterschiede. Besser als im Vorjahr war die Getreideernte im norddeutschen Raum; allerdings immer noch unter dem fünfjährigen Durchschnitt. Beim Raps konnte das enttäuschende Vorjahresergebnis teils überboten werden. In den Ländern mit einer Landwirtschaftskammer wurden Hektarerträge zwischen 30 dt und 38 dt erzielt.

Auch die Zuckerrüben litten unter der erneut langanhaltenden Trockenheit. Im Monat September profitierte die Rübe von den einsetzenden Niederschlägen und so wurden unter dem Strich bundesweit zwischen 600 dt/ha und 740 dt/ha gerodet. Dabei erwies sich der Zuckergehalt der Rüben als leicht unterdurchschnittlich. Den Kartoffeln setzten die widrigen Witterungsbedingungen ebenfalls zu. Das Ertragspotential konnte meist nur mit hohem Beregnungsaufwand voll ausgeschöpft werden. Bedingt durch regionale Gegebenheiten und vielerorts fehlende Beregnungsmöglichkeiten ergab die Ernte eine breite Spannweite zwischen 250 dt/ha und 450 dt/ha.

Grundfuttermangel in Grünlandregionen

Die unzureichenden Niederschläge haben die Betriebe vielerorts vor ernsthafte Grundfutterprobleme gestellt. Der erste Schnitt von Grünland- und Ackerfutterflächen konnte noch befriedigen. Ab Juni 2019 brachten die Folgeschnitte meist nur wenig Ertrag. Da wenige Futterreserven aus dem Problemjahr 2018 vorhanden sind, verschärft sich die Grundfutterproblematik in den Futterbaubetrieben.

Preise für Marktfrüchte wieder auf dem Sinkflug

Die USA und Australien hatten eine schwache Weizenernte. Trotzdem blieb die Exportnachfrage zurückhaltend. Die bundesdeutsche Getreideernte lag um knapp 15 % höher als 2018. Die Marktnotierungen für Getreide sanken um circa 10 %. Der Rapsmarkt tendierte im Vergleich zum Vorjahr positiv. Das niedrige Rapsangebot führte regional zu Preissteigerungen von circa 3 % über dem Vorjahr. Die Kartoffelpreise konnten sich nicht auf dem Niveau des Rekordjahres 2018 halten. Ferner ist auf beachtliche regionale Preisentwicklungen aufmerksam zu machen. Besonders in Niedersachsen sanken die Preise für Speisekartoffeln.

Milchpreise geben nach

Die stagnierende Nachfrage nach Milchprodukten ließ den Durchschnittspreis für das erste Halbjahr unter das Vorjahresniveau sinken. Die Preise in der zweiten Hälfte des laufenden Wirtschaftsjahres werden voraussichtlich auf einem mäßigen Niveau stagnieren. Für das gesamte Wirtschaftsjahr 2019/20 erwarten die Landwirtschaftskammern einen leichten Rückgang der Milchpreise.

Notierungen für Rindfleisch ebenfalls rückläufig

Das relativ große Angebot wirkt sich auf die Preise der Jungbullen aus, die das Niveau der Vorjahre nicht halten können. Auch die Färsen- und Kälberpreise stehen im laufenden Wirtschaftsjahr unter Druck. So müssen die Rindermäster Umsatzrückgänge bis zu 10 % hinnehmen.

Höchstes Preisniveau für Schlachtschweine seit 18 Jahren

Bereits seit März 2019 zogen die Preise für Schlachtschweine an. Nach dem Ausbruch der Schweinepest in Fernost muss vor allem China viel Schweinefleisch importieren, um seinen Bedarf zu decken. Durch den deutschen Exportboom durchbrach der Preis je Kilogramm Schlachtgewicht im November 2019 die 2-Euro-Marke. Im Kontext sehr ansprechender Preise wird die Schweinemast wieder wirtschaftlich. Unter der Annahme, dass Deutschland von der Schweinepest verschont bleibt, gehen die Landwirtschaftskammern von stabilen Preisen auf hohem Niveau für das gesamte Wirtschaftsjahr aus.

Ferkelpreise mit zweistelligem Zuwachs

Im Frühjahr 2019 zog auch der Preis für Ferkel an. Zur Jahreswende 2020 wurden je Ferkel bis zu 30 Euro über dem Durchschnitt des Vorjahres gezahlt. Sofern in Deutschland keine Schweinepest auftritt, bleiben die Aussichten weiter rosig. Für diesen Fall rechnen die Landwirtschaftskammern mit hohen Ferkelpreisen für das gesamte Wirtschaftsjahr, die um rund 40 % über dem Vorjahresniveau rangieren.

Unternehmensergebnisse im Ackerbau sinken

In den Ländern mit einer Landwirtschaftskammer zeichnet sich ein Rückgang der Umsatzerlöse aus der Pflanzenproduktion ab. Die Unternehmensergebnisse sinken zwischen 4 % in Nordrhein- Westfalen und 26 % im Saarland. Sie erreichen absolute Werte zwischen 49.000 Euro im Saarland und 68.000 Euro in Niedersachsen. Damit können die eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital nur teilweise vergütet werden. Das Maß der Vergütung wird als Nettorentabilität bezeichnet und in Prozent angegeben.

Per Saldo ergibt sich im Ackerbau eine Faktorvergütung um 80 %. Vor allem dort, wo viel Kartoffeln und Zuckerrüben angebaut werden, stellt sich die Wertschöpfung aus dem Ackerbau besser dar, als in Regionen, die durch den Anbau von Getreide und Raps gekennzeichnet sind. Gegen den Trend steuert Schleswig-Holstein. Allerdings kann das beklagenswerte Vorjahresniveau nur geringfügig gesteigert werden.

Futterbaubetriebe müssen Umsatzrückgänge und hohe Futterkosten akzeptieren

Gesunkene Milchpreise und geringe Erlöse aus der Altkuh- und Rindfleischvermarktung sowie hohe Futterkosten belasten die Wirtschaftlichkeit der Futterbaubetriebe. So geben die Unternehmensergebnisse gegenüber dem Vorjahr nach: Die Spanne reicht von 3 % in Schleswig-Holstein bis zu 11 % in Nordrhein- Westfalen. Erreicht werden Gewinne zwischen 42 000 Euro in Schleswig-Holstein und 65 000 im Saarland. Die damit verbundenen Werte der Nettorentabilität schwanken zwischen 54 % in Schleswig-Holstein und 90 % im Saarland.

Schweinehaltung boomt

Nach einer großen Durststrecke wendet sich das Blatt für die Schweinehalter im laufenden Wirtschaftsjahr. Sie können ihre Gewinne mehr als verdoppeln und sind damit wieder in der Lage, Kredite zu tilgen beziehungsweise Rücklagen aufzubauen. In den Hochburgen der Schweinehaltung werden Unternehmensergebnisse von über 100.000 Euro erreicht. Erwartungsgemäß legen auch die Werte der Nettorentabilität in kaum gekanntem Umfang zu.

Stabilisierung der Ergebnisse im Weinbau erwartet

Der Wein kristallisiert sich immer mehr als eine der Kulturpflanzen heraus, die mit den sich ändernden Klimabedingungen in Deutschland besser zu Recht kommen. Auch das zweite Jahr in Folge mit langem, trockenem und heißem Sommer wurde gut überstanden. Zwar liegen die Erntemengen 2019 regional zum Teil deutlich unter denen des Vorjahres, dafür sind aber die Fassweinpreise wieder gestiegen. Fehlende Erntemengen werden in der aktuellen Vermarktung zum Großteil durch Lagerbestände aus den Vorjahren ausgeglichen. Trotz allgemeiner Kostensteigerung werden Weinbaubetriebe im Wirtschaftsjahr 2019/20 erneut ihr Unternehmensergebnis steigern.

Gewinnrückgang im Acker- und im Futterbau belastet das Gesamtergebnis

Speziell Acker- und Futterbau belasten den Durchschnitt aller Haupterwerbsbetriebe. Demgegenüber wird er durch die herausragende Situation der Schweinehalter stärker gestützt, als er durch die Einbußen der Acker- und Futterbaubetriebe geschmälert wird. Rein rechnerisch steigt der Gewinn aller Betriebe an. Konkret heißt das: Im Durchschnitt aller Betriebe und Regionen legen die Gewinne von rund 54.000 Euro auf gut 60.000 Euro zu. Aber die Mehrzahl aller Unternehmen muss ein geringeres Einkommen hinnehmen. Dabei schneiden die Regionen differenziert ab.

Die Landwirte in Niedersachsen (68.000 Euro) und in Nordrhein-Westfalen (65 000 Euro) partizipieren von guten Preisen für Schweine und Ferkel. Eine Familienarbeitskraft in Vollbeschäftigung darf damit ein Unternehmensergebnis von rund 40.000 Euro erwarten. Von diesem Betrag sind jedoch die Privatentnahmen, Tilgung und Rücklagen für Neuinvestitionen zu decken. Neben der finanziellen Anspannung belasten in allen Betrieben das verschärfte Fachrecht, steigende Bodenpreise, ein höherer Bürokratieaufwand sowie das Gefühl, von den Politikern und Verbrauchern nicht gehört und verstanden zu werden. Insofern ist die Stimmung bei den Landwirten schlechter, als es allein durch die Wirtschaftskennzahlen erklärt werden könnte.
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