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26.10.2018 | 07:13 | Energiepolitik 

Jobs und Geld sollen Kohleausstieg versüßen

Berlin - Alle warten auf Kapitel vier. In Kapitel vier will die Kohlekommission aufschreiben, wann Schluss sein soll mit den Kohlekraftwerken in Deutschland.

Kohleenergie
Die Zeit wird knapp für die Kohlekommission. Schon in ein paar Wochen soll ihr Plan für den Kohleausstieg stehen. Aber erst geht es nicht um Klimaschutz, sondern um Jobs - denn in den Revieren soll sich Geschichte möglichst nicht wiederholen. (c) proplanta
Aber Kapitel vier besteht bisher nur aus hellgrauen Überschriften in dem Zwischenbericht, den die Mitglieder am Donnerstag einstimmig verabschiedeten. Denn jetzt soll es - zumindest öffentlich - noch nicht um Gigawatt und Jahreszahlen gehen, sondern um Jobs, Geld, Straßen, Schienen. Aus gutem Grund.

«Mit diesem Zwischenbericht soll den Menschen vor Ort in den betroffenen Strukturentwicklungsregionen frühzeitig eine Perspektive aufgezeigt werden», heißt es zu Beginn eines 39-seitigen Entwurfs.

Anders gesagt: Bevor wir den Kohlekumpeln in der Lausitz, im Rheinischen Revier und im Mitteldeutschen Revier sagen, wann es ihren Arbeitsplatz nicht mehr gibt, zeigen wir ihnen, wie es weitergehen könnte. Schließlich wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im kommenden Jahr auch noch ein neuer Landtag gewählt. Die AfD sitzt den anderen Parteien im Nacken.

Andererseits: So funktionieren Verhandlungen nicht. Natürlich wird nicht über Milliarden für die Reviere geredet, ohne schon festzuzurren, wo es in der Klimapolitik hingeht. Es könnte auf einen Kompromiss hinauslaufen, über den seit Mitte September gesprochen wird - dann wäre spätestens 2038 Schluss mit der Stromgewinnung aus Kohle, und bis 2020 würden fünf bis sieben Gigawatt abgeschaltet, um dem deutschen Klimaziel näher zu kommen. Als BUND-Ched Hubert Weiger am Donnerstag zu Sitzung im Wirtschaftsministerium kam, stellte er aber klar: Vereinbart ist noch nichts.

Offiziell feststehen soll das Ausstiegsdatum Ende des Jahres. Danach ist die Politik am Zug, 2019 soll es das erste deutsche Klimaschutzgesetz geben, das auch für den Verkehr und Heizungen verbindliche Ziele festschreibt. Schon im Mandat für die Kommission «Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung», wie sie eigentlich heißt, hat die Bundesregierung festgelegt: Zuerst muss Handfestes zum Strukturwandel her. Nur so könne man die Leuten auch mit dem Ausstiegsdatum versöhnen, hieß es.

Mit dem Strukturwandel haben die Menschen in den Kohleregionen schon reichlich Erfahrung gemacht. Und nicht die beste. «Auch Jahrzehnte nach dem Beginn des Endes des Kohlebergbaus liegt beispielsweise im Ruhrgebiet die Wirtschaftskraft weiter deutlich hinter der gesamtdeutschen Entwicklung zurück», steht im Berichtsentwurf, und: «Der Zusammenbruch großer Teile der ostdeutschen Industrie nach der Deutschen Einheit hat Wunden hinterlassen.»

So dürfe es diesmal nicht wieder laufen, immerhin darüber herrscht in der Kommission Einigkeit, in der Umweltschützer mit der Bergbaugewerkschaft und dem Industrieverband hart verhandeln.

Noch etwa 20.000 Menschen arbeiten direkt in der Kohlewirtschaft. Das kann man für überschaubar halten, aber es sind laut Berichtsentwurf immerhin rund zwei Prozent der Beschäftigen in der Lausitz, 1,2 Prozent im Rheinischen Revier. Die Kommission geht von rund 60.000 Arbeitsplätzen aus, die insgesamt betroffen sind. Mindestens so viele sollen in den Regionen neu entstehen.

Richtig konkret soll auch das erst im Abschlussbericht werden. Aber einige Vorschläge liegen schon auf dem Tisch, zum Beispiel diese:

- Geld: Im Bundeshaushalt sind schon 1,5 Milliarden Euro bis 2021 für die Strukturpolitik eingeplant, die «im Sinne eines Sofortprogramms» genutzt werden und «ein erster Schritt» sein sollen.

- Planung: Ein «Revierbonus» soll dafür sorgen, dass in den vier Revieren schneller geplant und gebaut werden kann.

- Verkehr: Obwohl die Lausitz nicht allzu weit weg liegt von Berlin, hat sie davon wenig. Die Autobahn 13 auszubauen sei «erforderlich», heißt es im Entwurf, die Bahnstrecke Berlin-Cottbus-Görlitz soll als Schnellzug-Verbindung ausgebaut werden. Eine «Neuausrichtung» des Rheinischen Reviers erfordere, es «optimal an die großen Ballungszentren wie Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen anzubinden». Projekte zum Verleih von Rollern und Fahrrädern mit Elektromotor könnten die Menschen zum nächsten Bahnhof bringen.

- Schnelles Netz: Zusätzlich zu den geplanten fünf Modellregionen für 5G, den nächsten Mobilfunk-Standard, könnten die Lausitz und das Rheinische Revier ebenfalls Modellregionen werden.

- Behörden: Die Kommission schlägt im Entwurf eine Verlagerung von Bundesämtern vor. Bund und Länder sollen sich verpflichten, «Neugründungen, Verlagerungen oder Erweiterungen von Behörden oder Einrichtungen prioritär in den betroffenen Regionen vorzunehmen». Dafür kämen etwa das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und das Bundesverwaltungsamt in Frage.

- Forschung und Start-ups: Wo bisher Braunkohle abgebaut und verbrannt wird, soll die klimafreundliche Energienutzung von Wissenschaftlern vorangebracht werden. So wünscht die Kommission sich im Entwurf etwa ein Fraunhofer Institut und ein Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zu energieeffiziente Antrieben nach Cottbus.

Die Unis und Hochschulen in Aachen, Köln und Düsseldorf sollen «im Rahmen von Start-up Centern Impulse für Gründungen und Ausgründungen in die Region setzen».
dpa
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