An der Martin-Luther-Universität in Halle treffen sich ab diesen Montag rund 300 Insektenkundler aus aller Welt. Sie wollen sich unter anderem darüber austauschen, welche Möglichkeiten es gibt, die
Artenvielfalt zu erhalten.
Auch Ursachen und Folgen des Insektensterbens werden diskutiert. Viele Menschen nähmen Insekten, mit Ausnahme etwa von
Bienen oder Schmetterlingen, als Ungeziefer wahr, sagt Tagungsleiter Prof. Gerald Moritz vom Institut für Biologie der Uni Halle. Doch jede Insektenart habe ihre ganz eigene Biologie und ihre ganz eigene Welt.
Naturschützer schlagen schon seit längerem Alarm. «In den letzten 27 Jahren ist die Biomasse an Insekten um 75 Prozent zurückgegangen», sagt der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Nabu Nordrhein-Westfalen, Josef Tumbrinck. Er beruft sich auf eine Studie des Krefelder Entomologischen Vereins, die im Fachmagazin Plos One veröffentlicht wurde.
Spürbar sei dies vor allem in den Sommermonaten. «Das ist bei uns die Zeit, wo die Natur so richtig tobt», sagt der Entomologe, der selbst in dem Krefelder Verein mitarbeitet. «Wenn Sie früher mit dem Auto unterwegs waren, war die Frontscheibe voll mit toten Insekten. Das ist heute nicht mehr so.»
Intensive Landwirtschaft, Pestizide,
Insektizide und Lichtverschmutzung nennt der Naturschützer unter anderem als Ursache. Der Schwund der Insekten bedeute auch einen Rückgang bei den Vögeln. Denn fast alle Jungvögel würden mit Insekten gefüttert. «Das ganze System ist massiv gestört», sagt er. Die Bundesregierung will nun gegensteuern und erarbeitet ein Insektenschutzgesetz, das den Kern eines ganzen Aktionsprogramms bilden soll.
Insekten verbinden viele wohl hauptsächlich mit dem Thema Bienen: Sie sind als fleißige Bestäuber unterwegs und sorgen etwa dafür, dass Äpfel, Kirschen oder Aprikosen an den Bäumen wachsen. Der Deutsche
Bauernverband betont, wie wichtig die Bestäuber für die Obstkulturen sind.
Aber: «Wir sehen keine akuten Probleme einer zu geringen
Bestäubung unserer Kulturen beziehungsweise entsprechender Ernteverluste», erklärt der Vize-Generalsekretär des Verbandes, Udo Hemmerling. In vielen Regionen gebe es Absprachen und Zusammenarbeit zwischen Bauern und Imkern. Immer mehr Landwirte legten
Blühstreifen und Bienenweiden an, um das Nahrungsangebot für Bienen und andere Insekten über die gesamte Saison zu verbessern.
Während die Honigbiene von Imkern gepflegt und versorgt wird, geht es vor allem den Wildbienen an den Kragen. Ihre Habitate werden zunehmend zerstört, weiß Bienenforscher Prof. Robert Paxton von der Uni Halle. «Wir haben 582 Bienenarten, davon sind 40 schon ausgestorben und ein Drittel steht auf der Roten Liste», sagt er. Es gebe aber auch Generalisten, die sich dann anderswo ausbreiteten und sich etwa verstärkt in Städten wohlfühlten.
Tagungsleiter Moritz spricht sich für eine differenzierte Betrachtung aus. Er befasst sich an der Uni Halle mit dem Thema Schadinsekten. Es gebe eben auch
Schädlinge, die bekämpft werden müssten - etwa in anderen Weltgegenden, wo sie ganze Reisfelder vernichteten oder Menschen mit Malaria infizierten. Die Forschung müsse indessen immer weiter daran arbeiten, umweltschonendere Mittel zu finden.
Risikoanalysen und Bekämpfungsszenarien für die einheimische Stechmücke liefert Doreen Walther vom Leibniz Zentrum für Agrarlandforschung im brandenburgischen Müncheberg. In einem Citizen Science-Projekt entwickelte sie zusammen mit Interessierten aus ganz Deutschland einen Mückenatlas. Das könne eine wichtige Hilfestellung sein, etwa bei Hochwasser.
Nabu-Landeschef Tumbrinck meint: «Wenn die Bedingungen geändert werden, dann kann es auch wieder eine massenhafte Entwicklung bei den Insekten geben». Er schlägt vor, intensive Landwirtschaft aus den Naturschutzgebieten herauszunehmen und stattdessen ringsum ökologischen
Landbau anzusiedeln. So könnten sich die Insektenbestände erholen.