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09.10.2018 | 02:36 | Braunkohlegegner 

Baumhaus-Besetzung im Hambacher Forst nicht zu Ende

Kerpen - Das Ende ist völlig unspektakulär: Ein letzter Streifenwagen und ein Räumfahrzeug verlassen am Montagmorgen den Platz am Hambacher Forst, der wochenlang der Stützpunkt für einen der größten Polizeieinsätze in der Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens war.

Hambacher Forst
Einer der größten Polizeieinsätze Nordrhein-Westfalens ist gerade beendet im Hambacher Forst. Da hängen schon wieder Seile in den Bäumen und die ersten Baumhaus-Fundamente werden gezimmert. (c) proplanta
Der Wald hat seine Ruhe wieder - sechs Tage, nachdem die Polizei das letzte Baumhaus von Waldbesetzern und Braunkohlegegnern geräumt hat. Hinter den Einsatzkräften liegen fast drei Wochen Dauerbelastung, Stress und zum Teil extreme Zumutungen, wie der Aachener Polizeisprecher Paul Kemen feststellt: Baumhausbewohner übergossen Polizisten mit Fäkalien und bewarfen sie mit Urinbeuteln. «Das ist menschenverachtend und sollte bewusst erniedrigend wirken», sagt Kemen. Ein kräftezehrender Einsatz mit dicker Sicherheitsausrüstung - bei spätsommerlichen Temperaturen.

86 Baumhäuser hat die Polizei am Ende auf Weisung der Landesregierung geräumt - als Vollzugshilfe für die Stadt Kerpen und den Kreis Düren: Aber nicht für die Braunkohle im Tagebau Hambach, sondern erklärtermaßen aus Sicherheitsgründen. Es wäre ein «Trugschluss» anzunehmen, der Einsatz sei überflüssig gewesen, sagt Kemen.

Schon vor dem tödlichen Absturz eines Journalisten von einer Hängebrücke habe es schließlich andere, weniger dramatische und daher weniger beachtete Unfälle gegeben. Und bei RWE hätten die Rodungsvorbereitungen schon auf vollen Touren gelaufen. An dem Morgen, an dem der Polizeisprecher das feststellt, klettert in der morgendlichen Stille des Hambacher Waldes ein junger Mann an einem Seil in der Krone einer sehr alten Eiche aus seiner Hängematte auf den Waldboden hinunter.

Er gehört zu denen, die vor einigen Tagen nach der Räumung durch die Polizei ein Baumhaus verlassen mussten. Jetzt hat er weit oben in der Baumkrone schon mit der Basiskonstruktion für ein neues Baumhaus begonnen: «Es kann ein Jahr dauern, bis ein Baumhaus fertig ist. Es ist viel Arbeit, das Material da hochzubringen.»

Zwischendurch muss auch noch die Infrastruktur für die neue Siedlung gebaut werden. Die Bewohner nennen die neue Siedlung «Winkel». Am Sonntag haben Unterstützer ihnen so viele Lebensmittel gebracht, dass erst einmal Stauraum gebaut werden muss. Ihnen geht es um die Bewahrung des Waldes, aber auch um diese Lebensform im Wald, die manche als anarchistisch empfinden.

Für Andere hingegen ist das eine Freiheit auf Kosten anderer - schließlich gehört der Wald nicht den Baumhauserbauern, sondern dem Energiekonzern RWE. «Man kann jetzt nicht wieder zwei Jahre lang weggucken», sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Michael Mertens. Die GdP fordert ein konsequentes Einschreiten gegen neue Rechtsbrüche. «Das Bauministerium und die Ordnungsbehörden müssen nun gemeinsam mit RWE regelmäßig die Rechtslage überprüfen.»

Es stelle sich schon die Frage, warum die Baumbesetzer-Szene im Hambacher Wald sechs Jahre lang toleriert worden sei, bemängelte Mertens. Solche Zustände dürften nicht wieder einreißen. 2012 hatte es schon einmal die Räumung einer Baumhaus-Besetzung gegeben. Nur Monate danach gab es schon wieder die ersten Baumhäuser.

Dass die NRW-Landesregierung die Baumhäuser noch vor der Eil-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zum vorläufigen Rodungsstopp vom vergangenen Freitag räumen ließ, stößt bei Umweltschützern wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz und bei den Grünen auf Kritik und Unverständnis.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagt dagegen: «Ich habe von Anfang an gesagt: Was das Oberverwaltungsgericht entscheidet, das gilt. Ohne Wenn und Aber.» Daran müssten sich auch die Umweltschützer messen lassen. Denn in seiner ersten Eilentscheidung zu dem Komplex Mitte September habe das OVG die Räumung der Baumhäuser für rechtmäßig erklärt.

Und was macht RWE jetzt mit dem Wald? «Dazu äußern wir uns nicht», sagt ein Konzern-Sprecher. Am Morgen waren keine Sicherheitsleute von RWE zu sehen. Auf den Hauptwegen stapelten sich Barrikaden - undenkbar noch in den vergangenen Wochen. Da hatte RWE immer mit dem Verweis darauf, dass Rettungswege frei sein müssten, unter Polizeischutz geräumt. Die Natur kümmerts nicht: Die Vögel zwitschern, ein Buchfink fliegt ungerührt aus einem Berg aus Totholz auf.
dpa
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