«Das hat in den vergangenen 30 Jahren stark zugenommen», sagt Berthold Langenhorst, Sprecher des Naturschutzbundes (Nabu) Hessen der Deutschen Presse-Agentur.
Zum einen liege dies an der industriellen Landwirtschaft, die die Lebensräume vieler Füchse, Rehe und
Wildschweine zunehmend einschränke. Zum anderen gebe es oft kein ausgeprägtes Land-Stadt-Gefälle mehr, das die Lebensräume von Mensch und Tier eindeutig abgrenze.
«Viele Tiere können dem Menschen gar nicht mehr ausweichen», erklärt Langenhorst. Vor allem Wildschweine zieht es immer wieder in Siedlungen. Nach dem trockenen Sommer, in dem es vor allem reichlich Bucheckern und Eicheln - also Kohlehydrate - gab, sind die Wildschweine nun auf der Suche nach Proteinen - also etwa
Käfer, Schnecken und Insekten. «Das kann aber auch mal ein weggeworfener Burger sein», sagt Langenhorst. Abfalltonnen, Komposthaufen im Garten oder gemähter Rasen sind für die Tiere ebenso verlockende Futter-Angebote.
Zuletzt sorgte eine Rotte Wildschweine in der Nähe des Wiesbadener Staatstheaters für Aufsehen. Die 20 Tiere liefen nachts wohl auf der Suche nach Nahrung durch die Innenstadt - ganz «gemütlich», wie die Polizei mitteilte. Als die Beamten eintrafen, flüchteten die Tiere in Richtung Kurpark. Niemand kam zu Schaden.
Vereinzelt registriert das Wiesbadener Ordnungsamt aber auch Schäden, die Bürger melden - etwa wenn Wildschweine Vorgärten verwüsteten oder Blumenkübel umwarfen. In diesem Jahr sind es bislang acht Meldungen.
Allerdings sei jeder Anwohner selbst für die Sicherung seines Eigentums zuständig, sagt Matthias Hofmeister vom Wiesbadener Ordnungsamt. Ein Anspruch auf Schadenersatz bestehe nicht.
Solche Fälle sind laut Nabu gemessen an der Gesamtzahl Tausender Wildschweine aber eher selten. Wie viele Wildschweine es genau in Hessen gibt, ist nicht bekannt. Neben Wiesbaden werden auch im Raum Kassel und in der Wetterau immer mal wieder Wildschweine in Siedlungen gesichtet. Betroffen sei aber vor allem das dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet, sagt Langenhorst.
In Frankfurt tummeln sich Wildschweine hauptsächlich westlich der Autobahn 5. Von dort kämen sie manchmal in den Stadtteil Schwanheim, erklärt Peter Rodenfels vom Frankfurter Stadtforst. Auch einen benachbarten Golfplatz und eine Baumschule suchten die Tiere dort in der Vergangenheit auf. Weil die Stadt zuletzt aber Brombeerhecken am Waldrand entfernte, wo die Tiere Unterschlupf fanden, habe sich die Zahl der ungeliebten Besuche reduziert.
Frankfurt und Wiesbaden setzen zudem auch auf den Einsatz von Stadtjägern. «Da müssen wir aber sehr, sehr bedacht vorgehen», sagt Hofmeister. Denn gejagt werden darf innerhalb Wiesbadens wenn überhaupt nur nachts. Und auch da wollen die
Jäger Spaziergänger oder Jogger, die in den Grünanlagen unterwegs sind, nicht in Gefahr bringen.
Eine
Jagd sei nur bei «einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit» durch die Tiere möglich, erklärt Hofmeister. Laut Ordnungsamt schossen die Jäger in diesem Jahr deswegen 23 Wildschweine. Auch wenn es tendenziell mehr Wildschweine gebe, würden sich die Abschuss-Zahlen über die Jahre auf einem Niveau bewegen.
Auch Rehe, Füchse, Waschbären und
Siebenschläfer trauen sich laut Naturschützern zunehmend in die Städte. Allerdings richten sie kaum solche Schäden an wie Wildschweine. Die naturnahen Gärten, Parkanlagen und Grüngürtel sind auch für sie ein geeigneter Lebensraum. «Da gibt es alte Bäume, frisches Gras und keine Pestizide», sagt Nabu-Sprecher Langenhorst.
«Das entscheidende Kriterium ist die Nahrung», erklärt er. Füchse etwa hätten ihre Nahrungsaufnahme umgestellt. Sie würden auch auf kleinem, städtischem Raum jede Menge Futter finden. Für den eigenen Garten rät Langenhorst: «Keine Fütterung im Garten anlegen.» Dadurch würden die
Wildtiere nur dauerhaft in Wohngebiete verlockt.
Auch anfassen sollte man sie nicht und eher Abstand halten. «Vor Wildtieren sollte man immer Respekt haben», erklärt Langenhorst. In der Regel würden sie versuchen, dem Menschen aus dem Weg zu gehen. Wildschweine etwa hätten keine Angst vor Menschen, sollten sie sich aber eingeengt fühlen, gerieten sie in Panik.