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19.09.2019 | 09:00 | Eckpunkte 

Klimaschutz-Paket: Um was es in Berlin morgen geht

Berlin - Wenn die Spitzen der großen Koalition Kompromisse zum Klimaschutz finden, liegen die meisten Menschen in Deutschland wohl noch in ihren Betten - oder setzen schon den ersten Kaffee auf.

Klimaschutz-Paket
Seit einem halben Jahr wird gerechnet, verhandelt, abgewogen. Jetzt muss die Bundesregierung entscheiden, wie es in Deutschland im Kampf gegen die Erderhitzung weitergehen soll. Es wird wohl eine lange Nacht - und das Ergebnis betrifft jeden. (c) proplanta
Bei SPD, CDU und CSU rechnen alle mit einer langen Nacht, bevor an diesem Freitag dann das Klimakabinett zur entscheidenden Sitzung zusammenkommt. Was dann auf dem Tisch liegen soll: Ein Plan für Deutschland, um die Ziele beim Einsparen von Treibhausgasen für das Jahr 2030 zu erreichen. Oder wenigstens Eckpunkte eines Plans.

Denn so gespannt Klimaschützer, Wirtschaft und viele Bürger auf die Entscheidungen warten: Das meiste muss erst noch in Gesetze und Verordnungen verpackt werden, braucht den Segen des Bundestags und des Bundesrats, also der Bundesländer.

Es ist eine Gratwanderung. Wissenschaftler sagen katastrophale Folgen voraus, wenn es im jetzigen Tempo weiter geht mit der Erderhitzung - der Dürresommer 2018 hat vielen Menschen bewusst gemacht, dass auch Deutschland nicht verschont bliebe. Fridays for Future und andere Protestbewegungen haben Zulauf. Andererseits haben viele Angst um ihren Job, ihren Lebensstandard, alte Gewohnheiten. Die Koalition will einen Mittelweg finden: Handeln ja, aber niemanden überfordern.

Einfach wird das nicht. Deswegen wird seit einem halben Jahr gerechnet, verhandelt, abgewogen - und am Freitagmorgen voraussichtlich entschieden. Darum geht es:

CO2-Preis

Oder auch - wie Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas und Kohle teurer werden sollen. Das soll die Leute dazu bringen, klimafreundliche Autos und Heizungen zu kaufen, und Unternehmen motivieren, mehr davon zu entwickeln. Ob der Ausstoß des Treibhausgases CO2 nun über eine Steuer oder über den von der Union präferierten, komplizierteren Handel mit Verschmutzungsrechten teurer wird, macht aus Verbrauchersicht erst mal keinen Unterschied. Die Frage ist, wann es damit los geht, bei welchem Preis pro Tonne CO2 man startet und wie schnell es teurer wird. 35 Euro würden etwa bedeuten, dass der Liter Diesel 11 Cent teurer wird.

Entlastung

Über den CO2-Preis nimmt der Staat Geld ein. Das soll zurück an die Bürger gehen - oder zumindest Klimaschutz finanzieren. Aus der von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorgeschlagenen Pro-Kopf-Prämie wird eher nichts, dafür soll zumindest mittelfristig der Strompreis sinken, indem zum Beispiel die Ökostrom-Umlage nicht mehr mit der Stromrechnung bezahlt werden muss. Die Verteilungswirkung ist Experten zufolge ungefähr die gleiche. Auch für Pendler soll es Entlastungen geben, etwa eine höhere Pendlerpauschale, darauf pocht vor allem die Union. Es gehe darum, der AfD keine Steilvorlage zu geben, heißt es.

Anreize

Wer sein Zuhause so modernisiert, dass der Energiebedarf sinkt, kann schon jetzt Förderung beantragen. Die Angebote sollen aber attraktiver und einfacher werden. Für alte Ölheizungen könnte es eine Abwrackprämie geben, die sogenannte energetische Gebäudesanierung soll steuerlich gefördert werden. Die Prämie für E-Autos dürfte steigen - und bei der Pkw-Steuer soll künftig auch noch mehr sparen, wer klimafreundlich unterwegs ist.

Rahmenbedingungen

Die Bürger sollen Elektro- oder Wasserstoff-Autos fahren, besser noch mit Bus und Bahn oder dem Fahrrad. Damit sie das können und wollen, braucht es mehr Bahnstrecken und Buslinien, eine bessere Taktung, günstige Tickets, Radwege, mehr Ladesäulen und Fortschritte in der Forschung an alternativen Kraftstoffen. Der Bund will dafür viel Geld ausgeben und zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr senken und Kommunen unterstützen. Die Steuern auf Flugtickets sollen steigen - denn Fliegen schadet dem Klima, ist aber oft viel billiger als Bahnfahren.

Vorgaben

Ist der Einbau neuer Ölheizungen irgendwann verboten? Oder gelten dann einfach so hohe Umweltstandards, dass sie nicht mehr eingebaut werden können? Mit dem Thema Ordnungsrecht - oder auch Verbote - tun die Koalitionäre sich besonders schwer. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat aber schon erkennen lassen, dass es ohne Vorgaben nicht gehen werde.

Kontrolle

Und wenn es nicht reicht? Wenn das Ziel, bis 2030 den deutschen Treibhausgas-Ausstoß von derzeit rund 866 Millionen Tonnen auf 563 Millionen Tonnen zu senken, nicht erreicht wird - nämlich um insgesamt 55 Prozent im Vergleich zu 1990? Es soll neue Regeln dafür geben, wie die Fortschritte überwacht werden, und wie man notfalls nachsteuert, mit einem höheren CO2-Preis oder neuen Programmen.

Ökostrom-Ausbau

Wo fossile Brennstoffe wegfallen und Autos mit Strom fahren statt mit Diesel oder Benzin, steigt der Strombedarf - und wenn es klimafreundlich zugehen soll, muss dieser Strom aus Sonne, Wind, Wasser und nachwachsenden Rohstoffen kommen. Das offizielle Ziel: Ökostrom soll bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent haben. Gerade sind es etwa 38 Prozent.

Union und SPD streiten seit Monaten erbittert darüber, wie und wo mehr Solaranlagen und Windräder gebaut werden sollen - vor allem gegen Windkraftanlagen gibt es vor Ort oft heftige Proteste. Umstritten sind vor allem Regelungen zum Abstand von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern. Das ist eine Schlüsselfrage.

Finanzierung

An der «schwarzen Null», dem ausgeglichenen Haushalt, will die Bundesregierung nicht rütteln - dabei dürften die Förderpläne und Investitionen schon bis 2023 rund 40 Milliarden Euro oder mehr kosten. Über den CO2-Preis kommt Geld rein, im Energie- und Klimafonds gibt es noch Geld. Vielleicht borgt sich der Bund über Klima-Anleihen auch noch Geld von den Bürgern, die dafür feste Zinsen bekommen.
(c) dpa
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