Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
   17.12.2018 | 16:58 | Ergonomie am Arbeitsplatz 

Arbeiten in der Landwirtschaft - Wie können stehende Tätigkeiten ergonomisch gestaltet werden?

Die Arbeit in der Landwirtschaft gilt in den Augen vieler als abwechslungsreich – wenn auch anstrengend.

Ergonomie am Arbeitsplatz
Auch wenn die Technik heute hilft, werden viele Tätigkeiten in der Landwirtschaft nach wie vor stehend ausgeübt. (c) proplanta
Mit dem Lauf der Jahreszeiten gibt es immer wieder etwas Neues zu tun, Langeweile kennen Landwirte nicht. Wer allerdings schon einmal selbst in der Landwirtschaft tätig gewesen ist, sieht das Ganze weniger rosig. Prägend ist das Bild vom im Traktor sitzenden Bauern. Sehr viele Arbeitsschritte und Tätigkeiten werden aber nicht im Sitzen, sondern stehend ausgeführt. Und die Körperhaltung ist in den seltenen Fällen optimal. Die Folgen für die Gesundheit bekommen Landwirte sehr schnell zu spüren.

Ein Ausweg: Die Arbeitsplätze müssen ergonomischer werden. Entsprechende Maßnahmen durchzuführen liegt nicht nur im Interesse der Landwirte. Heute sind es oft gesetzliche Rahmenbedingungen, welche gesundheitlich (möglichst) unbedenkliche Arbeitsplätze fordern – Stichwort Arbeitsschutz. Es geht schon lange nicht mehr nur darum, für Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen. Unter anderem durch die Unfallkassen und die Berufsgenossenschaften wird das Thema Prävention – auch durch die Arbeitsplatzgestaltung - immer wieder in den Fokus gerückt. Damit sieht sich auch die Landwirtschaft Herausforderungen gegenüber – etwa im Hinblick auf die Ergonomie der Arbeitsplätze.

Welche Probleme entstehen bei stehenden Tätigkeiten?

Langes Stehen – sofern es eine Ausnahme bleibt – hat im Regelfall keine Folgen. Sehr viel schwieriger wird die Situation, wenn Arbeitnehmer nicht nur hin und wieder mal über eine oder zwei Stunden am Stück stehen, etwa wenn die Mähmaschine gewartet werden muss, sondern aus der Ausnahme die Regel wird.

Andauernde Steharbeit beeinflusst unter anderem:

- Herz-/Kreislaufsystem

- Muskulatur

- Skelett

- Blutgefäße.
Mit was ist im Detail durch die andauernde Arbeit im Stehen zu rechnen?

  1. 1.    Muskulatur

Der menschliche Muskelapparat ist auf die Bewegung angepasst. Einzelne Muskeln und deren Gegenspieler arbeiten so in einem dynamischen System zusammen. Sobald es zu längeren Standzeiten kommt, verschiebt sich die Balance zunehmend. Zu den Folgen gehören Krämpfe, Ermüdungserscheinungen sowie anatomische Veränderungen. Ursachen hierfür sind unter anderem die dauernde Belastung der Muskeln sowie Störungen in der Durchblutung – und damit Versorgung – der betroffenen Muskeln.

  1. 2.    Skelettsystem

Durch das Stehen kommt es zu Fehlbelastungen in vielen Bereichen. So lässt sich beispielsweise beobachten, dass betroffene Arbeitnehmer zu einem Hohlkreuz neigen und sich die relative Position der Schultern verändert. Aufgrund dieser Veränderungen werden Sehnen und Gelenke anders belastet. Folgen sind Gelenkschmerzen, die im Lauf der Zeit zunehmen. Durch die mechanische Beanspruchung der Wirbelsäule kann es zu einer erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit und Mobilität kommen. Neben der Wirbelsäule sind von der stehenden Belastung oft auch die Hüft- und Kniegelenke betroffen.

  1. 3.    Herz-/Kreislaufsystem

Langes Stehen führt zu einer Volumenverschiebung der Körperflüssigkeiten in Richtung der unteren Extremitäten. Kompensiert wird das Ganze durch einen erhöhten Gefäßdruck. Funktioniert diese Regulation nicht optimal, können zum Beispiel Blutdruckschwankungen die Folge sein. Zudem besteht durch langes Stehen die Gefahr einer Bildung von Ödemen. Hintergrund: Durch das Stehen wird der Rückstrom von Blut über die Venen erheblich eingeschränkt. Es kann unter anderem zu:

  1. einer Erweiterung des Venenquerschnitts
  2. einer Herzklappeninsuffizienz
  3. Thrombosen
  4. Entzündlichen Erkrankungen der Venen

kommen.

Die Liste möglicher Komplikationen durch überwiegend stehende Tätigkeiten ist damit noch längst nicht abgeschlossen. Allerdings lässt sich hieran eines sehr klar erkennen: Wird nicht der Versuch unternommen, die Arbeitsplätze anders zu gestalten, drohen erhebliche gesundheitliche Risiken. Und diese können den Landwirt selbst, aber auch Angestellte treffen. Diesen gegenüber haben landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland immer Fürsorgepflichten zu erfüllen.

Was lässt sich dagegen tun?

Stehbelastung ist nicht gleich Stehbelastung. Generell lassen sich Arbeitsplätze nach dem Zeitanteil unterscheiden. Berufsgenossenschaften sehen als ideal einen Anteil stehender Tätigkeiten von 30 Prozent an. Für eine Vollzeitbeschäftigung liegt die Toleranz damit bei etwa 2 ½ Stunden. Solange die stehende Belastung diesen Zeitanteil nicht überschreitet, ist alles im grünen Bereich und keine Maßnahme erforderlich.

Ab 2 ½ Stunden liegt ein Arbeitsplatz im Bereich der erhöhten Stehbelastung. Sofern der Anteil auf vier Stunden steigt, ist der Anteil stehender Tätigkeiten soweit erhöht, dass Maßnahmen zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes erforderlich sind. Was können Betriebe aus der Landwirtschaft im Einzelnen unternehmen?

  1. 1.    Arbeitsplatz umgestalten

Zu überlegen ist, ob eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes zielführend sein kann. Dies wäre der Fall, wenn Arbeitsaufgaben sich über ein großes vertikales und horizontales Spektrum erstrecken. Ein Sitzarbeitsplatz bietet die nötige Abwechslung und vermeidet zu lange Phasen des Stehens.

  1. 2.    Aufgabenerweiterung

Um Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, zwischen Stehen und Sitzen zu wechseln, lassen sich die Aufgabenbereiche verändern. Hierdurch verschieben sich die Anteile der Tätigkeiten. Das gleiche Ziel verfolgt der Arbeitsplatzwechsel.

  1. 3.    Gestaltung des Arbeitsplatzes

Zu den wesentlichen Schritten gehören Veränderungen des Arbeitsplatzes. Diese können ganz unterschiedliche aussehen und sind individuell umsetzbar. So ist bei der Anlage eines Steharbeitsplatzes darauf zu achten, dass die Arbeitshöhe auf der Ebene der Ellenbogen liegt. Ein weiterer Lösungsansatz könnte die Verwendung von Stehhilfen sein, was allerdings gewisse Ansprüche hinsichtlich der Beinfreiheit mitbringt. Mit der Verwendung von speziellen Fußmatten zur Dämpfung der Belastungen kann hier ebenfalls gearbeitet werden.

Mit welchen Kosten ist zu rechnen?

Unternehmen schauen aufs Geld – besonders, wenn es um die Kosten geht. Wie teuer Maßnahmen zur Umgestaltung von Steharbeitsplätzen werden, lässt sich pauschal nicht festhalten. Der Einsatz von Fußmatten oder Stehhilfen macht sich vielleicht mit einigen hundert Euro bemerkbar – und ist damit vergleichsweise günstig.

Müssen neue Maschinen angeschafft oder die vorhandene Hardware angepasst werden, sind die Maßnahmen schnell sehr viel teurer. Ob sich aus der Aufgabenumgestaltung Kosten (oder vielleicht sogar ein finanzieller Nutzen) ergeben, bleibt der Einzelfallprüfung vorbehalten.
 

Was hilft gegen RückenschmerzenBild vergrößern
Rückenschmerzen sind keine Seltenheit bei dauerhaft stehenden Tätigkeiten. (c) Dan Race - fotolia.com

Fazit: Steharbeitsplätze und das Thema Gesundheit

Die Landwirtschaft ist ein für Deutschland essentieller Wirtschaftszweig. Im Hinblick auf die Tätigkeiten hat sie allerdings nicht den besten Ruf – unter anderem aufgrund der körperlichen Anstrengung. Langes Stehen während der Erntezeit kann beispielsweise schnell zu gesundheitlichen Problemen führen. Landwirte sollten daher – auch aus eigenem Interesse – die Gestaltung der Arbeitsplätze auf den Prüfstand stellen.

Pd
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken