Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
23.06.2011 | 14:55 | Selbstversorgung 

Mit Gemüse gegen den Finanzcrash - Selbstversorgung als Trend

Berne - Wenn es ums Essen geht, kennt Werner Meinlschmidt keine Kompromisse. Auf seinem Teller landet nur Grünzeug aus dem eigenen Garten und Fleisch von Tieren, die er selbst aufgezogen hat.

Gemüse selbst anbauen
Meinlschmidt ist Selbstversorger - und stolz darauf. «Das war schon immer mein Traum», sagt er und sieht dabei genauso aus, wie man es sich vorstellen würde: grauer Rauschebart, lange Haare und drahtiger Körper.

Gemeinsam mit Frau, Tochter, Enkelkindern und seinen Eltern lebt der 63-Jährige auf einem hübsch restaurierten Bauernhof in einem Dorf bei Bremen, das zu Berne gehört. Auf 3.500 Quadratmetern wachsen dort Bohnen, Kartoffeln, Tomaten, Erdbeeren, Äpfel und alle möglichen Kräuter. Natürlich alles ungespritzt.

Als Buchführungshelfer arbeitet Meinlschmidt zwar immer noch. Aber sein Herz schlägt seit seiner Kindheit für die Landwirtschaft. Vor zehn Jahren fing die Familie mit einem Schaf und etwas Gemüse an. Heute stehen eine ganze Schafherde und mehrere Kühe auf der Weide. Auf dem Hof gackern Hühner, Enten picken nach Körnern. In mehreren Käfigen tummeln sich Kaninchen. Ein Schwein wühlt grunzend im Dreck.

«Das ist unsere Wurstsau», sagt der Hofherr. Ihre zwei Artgenossen hat seine Frau längst zu Schinken, Speck und Kassler verarbeitet. Im Juli wird die Familie dann wieder drei Ferkel groß ziehen, bis sie schlachtreif sind. «Wenn man Tiere von der Geburt bis zum Tod begleitet, darf man sie ruhig essen», findet Meinlschmidt. Gekauftes Fleisch lehnt er dagegen komplett ab - aus ethischen Gründen.

Wie Meinlschmidt denken zurzeit viele. Lebensmittelskandale, aber auch die Finanzkrise und die gefühlt zunehmende Bedrohung durch Naturkatastrophen haben das Vertrauen in den Welthandel erschüttert. In Foren wie dem «Selbstversorger Netzwerk» tauschen sich Anhänger des autarken Lebensstils über Schneckenzäune, die Aufzucht von Stecklingen oder gentechnikfreies Saatgut aus.

Auch die «Selbstversorger-Bibel», John Seymours «Großes Buch vom Leben auf dem Lande» aus den 70er Jahren erfreut sich so großer Nachfrage, dass der Verlag Dorling Kindersley den Klassiker im vergangenen Jahr neu auflegte. Mitte Juli erscheint mit «Das Große Buch der Selbstversorgung» außerdem ein weiteres Nachschlagewerk zum Säen und Pflanzen, zur Hühnerhaltung, zum Brotbacken und zum Bau von Sumpfbettkläranlagen. Auch andere Verlage haben längst Ratgeber zu dem Thema im Programm.

Der Trend zieht sich nach Ansicht des Oldenburger Nachhaltigkeitsforschers Niko Paech inzwischen quer durch die Gesellschaft. «Neu ist, dass nicht mehr nur der Einsiedler auf dem Land selbst Gemüse zieht, sondern auch die hippen Leute aus der Stadt.» Angesichts schwindender Ressourcen und Versorgungsengpässen gewinnt das Grün auf dem Balkon, im Gemeinschaftsgarten oder auf der Parzelle eine ganz neue Bedeutung. «Der Garten gibt Sicherheit. Denn man weiß, es gibt Dinge, die können nicht wegbrechen», meint Paech.

Nachhaltigkeit als Selbstschutz - das predigt auch Gerhard Spannbauer, der den Krisenstammtisch im bayerischen Gauting gegründet hat. Aus seiner Sicht kann das globale Finanzsystem jederzeit komplett zusammenbrechen. Deshalb rät er, Lebensmittel selbst anzubauen und im Keller zu horten - was ihm zufolge massig Leute befolgen. «Das Bewusstsein dafür ist vor allem in gebildeten Kreisen weit fortgeschritten.»

Einmachen, einfrieren, einlagern, Margret Schmidt macht das mit ihrer Ernte seit vielen Jahren. In ihrem 460 Quadratmeter großen Kleingarten in Osnabrück baut sie so viel Obst und Gemüse an, dass sie das ganze Jahr davon leben kann. Pestizidbelastete Paprika oder die aktuelle EHEC-Welle lassen die 65-Jährige deshalb kalt. «Ich kann die ganze Zeit beruhigt Salat aus dem Garten holen - und der schmeckt auch noch besser.»

Trotzdem: So ganz als Selbstversorger zu leben, ist nicht einfach. Das gibt auch Werner Meinlschmidt zu. «Meine Enkelkinder essen natürlich auch Nudeln.» Und kürzlich kaufte seine Frau Kohlrabi im Supermarkt, weil der im eigenen Garten noch nicht reif war. «Das ärgert mich dann furchtbar.» Das genügsame Lebensgefühl ist halt nicht jedermanns Sache. Dem Schwiegersohn reichte es irgendwann. Er zog aus. «Dem wurde wohl die Arbeit zu viel», meint Meinlschmidt. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken