«Wir sehen die stärkste Massenvermehrung mindestens seit Ende des Zweiten Weltkrieges», sagte der Professor für Waldschutz an der TU Dresden, Michael Müller, vor einer Fachtagung am Dienstag in Dresden der Deutschen Presse-Agentur.
Das Umweltministerium berichtete dort von «schlimmsten Waldschäden» seit 1989 infolge der
Wetterextreme 2018. Forstexperten warnten vor einer katastrophalen Verschärfung der Lage. Denn: Milliarden dieser Tierchen beginnen in diesen Tagen nach der Winterruhe auszuschwärmen - drei Wochen früher als üblich.
Waldbesitzer und
Förster hätten in den vergangenen Monaten alles getan, um den Borkenkäfern die Brutmöglichkeiten zu nehmen, sagte Staatssekretär Frank Pfeil. «Aber die Gefahr einer erneuten Massenvermehrung ist keinesfalls gebannt.» Die Situation sei in diesem Jahr besonders brisant, da sich die
Käfer 2018 unter idealen Bedingungen vermehren und in großer Zahl überwintern konnten.
Nach Angaben von TU-Professor Müller hat das die Population beim Großen Buchdrucker, der die Fichten befällt, explodieren lassen. «Abhängig von Temperatur und Tageslänge konnte er drei statt normalerweise zwei Generationen hervorbringen.» Laut Müller sind das statt 1.000 Nachkommen pro Elternpaar im Jahr 20.000 und mehr.
Zudem gibt es sehr viele durch das Extremwetter geschwächt oder vorgeschädigte Bäume. Besonders betroffen sind laut Müller die Fichtenwälder: «Die Bäume sind empfindlicher als normal.» Dafür hätten die Herbststürme im Wechsel mit
Dürre und Schneebruch sowie der Trockenstress gesorgt. «Ein vitaler Baum könnte von diesen Käfern gar nicht besiedelt werden, der würde sie abwehren und im Harz ersticken.» Vorgeschädigte Bäume indes werden massenhaft von ihnen besiedelt. «Die Insekten fressen zwischen Rinde und Holz und zerfressen damit die Lebensschichten des Baumes.»
Der Große Buchdrucker, ein die
Fichte liebender Borkenkäfer, sei dafür besonders prädestiniert. «Wir erwarten aber auch entsprechende Folgen bei
Kiefer, Eiche und Rotbuche, mit anderen Borkenkäferarten.» Laut der staatlichen Forstverwaltung summiert sich die Menge an Schadholz in den Wäldern auf fast zwei Millionen Kubikmeter.
«Die betroffenen Bäume müssen so schnell wie möglich aufgearbeitet und verarbeitet und aus dem Wald geschafft werden, damit Insekten, die sie schon besiedeln, nicht rauskommen», betonte Müller. Weitere Optionen: beregnen, ganz im Wasser oder so lagern, dass die Insekten nicht zurückfliegen können - oder die Behandlung mit Insektiziden als letzte Option. «Das sind zugelassene Mittel und es gibt strenge Vorschriften.»
Sonst könne nicht mehr getan werden als hoffen, «dass es gut regnet und nicht so eine Dürre kommt wie im letzten Jahr». Dann würden sich auch bisher nicht vom
Borkenkäfer befallene Bäume vom Dürrestress erholen. Die schnelle Erfassung und Entfernung frisch befallener Bäume solle helfen, katastrophale Folgen zu vermeiden, erläuterte der Staatssekretär. «Eine weitere Dürreperiode wie im Vorjahr mit langanhaltend hohen Temperaturen könnte Borkenkäferschäden in bislang ungeahntem Maß nach sich ziehen.»
Vorausschauend werden die
Wälder mit dem Umbau von labilen reinen Nadelholz- zu arten- und strukturreichen Mischbeständen bereits «widerstandsfähiger gegen mehr und stärkere Stürme, größere Hitzephasen und längere Trockenperioden» gemacht. Nach Angaben des Staatsbetriebes Sachsenforst liegen die seit Herbst 2017 durch Wetterextreme und Borkenkäfer geschädigten Holzbestände in den Wäldern bei mehr als vier Millionen Kubikmetern.
Der Große Buchdrucker, eine von über 100 Borkenkäferarten, liebt mittelalte und alte Fichten. Diese wachsen auf mehr als 130.000 Hektar, einem Viertel der Gesamtwaldfläche Sachsens. Besonders betroffen von deren Befall sind Fichten in den unteren Berglagen und im Hügelland. Die größten Schäden gibt es aktuell in den Landkreisen Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Mittelsachsen sowie im Süden des Landkreises Leipzig.