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Freitag, 26.04.2024
Abiturienten und Studierende kritisieren Stipendienvergabe in Deutschland

Trotz vielfältiger Bemühungen um eine Ausweitung der Stipendienvergabe in Deutschland bewerten immer noch wenige Abiturienten und Studierende Stipendien als realistische Fördermöglichkeit. Die große Mehrheit potenzieller Empfänger von Stipendien fühlt sich unzureichend informiert. Zweifel an der Gerechtigkeit der Auswahlverfahren belasten die Reputation der Stipendienvergabe. Dies sind einige wichtige Ergebnisse der veröffentlichten Studie "Großer Bedarf - wenig Förderung Studienfinanzierung 2010", die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerks erstellt hat.

Die repräsentative Umfrage unter rund 3.400 Abiturienten und Studierenden wurde im Februar 2010 durchgeführt. Sie vertieft die Erkenntnisse der 2009 veröffentlichten Allensbach-Studie "Chancengerechtigkeit in der Studienfinanzierung?" und belegt die Schwächen der Stipendienvergabepraxis anhand von Erfahrungen, Einschätzungen und Forderungen der Zielgruppe.

Stipendien bleiben die Ausnahme

Obwohl über zwei Drittel (67 %) der studierwilligen Abiturienten Finanzierungsprobleme im Studium erwarten, planen nur insgesamt 16 Prozent, sich für ein Stipendium zu bewerben. Dabei beabsichtigen dies Abiturienten aus bildungsferneren Herkunftsfamilien sogar unterdurchschnittlich (14 %). Nur 6 % der befragten Studierenden erhalten ein Stipendium.

Eine große Mehrheit der Abiturienten (70 %) und Studierenden, die sich noch nie für ein Stipendium beworben haben (76 %), schätzen ihre Erfolgsaussichten auf ein Stipendium insgesamt als "eher gering" oder sogar "sehr gering" ein. Beide Gruppen erwarten überwiegend in den nächsten Jahren sogar eine Verschlechterung ihrer Chancen (Abiturienten: 37 %, Studierende: 26 %). Lediglich Studierende in Nordrhein-Westfalen sind etwas optimistischer. Dort halten sich Erwartungen einer Verbesserung der Stipendienchancen (21 %) und einer Verschlechterung (22 %) in etwa die Waage.

Informationsdefizite

Zweifel an den eigenen Leistungen und daran, ob das gesellschaftliche Engagement als ausreichend bewertet wird, sowie aufwendige Bewerbungsprozesse sind für Abiturienten und Studierende die wichtigsten Gründe gegen eine Stipendienbewerbung. Dazu kommt ein auffälliger Informationsmangel im Hinblick auf Voraussetzungen oder Anlaufstellen: Rund drei Viertel aller Abiturienten (76 %) und Studierenden (73 %) fühlen sich unzureichend über Stipendien informiert.

Gleichzeitig wird deutlich: Wer sich gut informiert fühlt, bewirbt sich in deutlich höherem Anteil erfolgreich um eine Förderung. 52 %derjenigen Studierenden, die sich gut informiert fühlen, haben sich schon einmal für ein Stipendium beworben - 49 % von ihnen waren erfolgreich. Nur 23 % der sich selbst als "nicht so gut" informiert bezeichnenden Studierenden haben sich bereits um eine Förderung bemüht, davon nur 33 % mit Erfolg.

Stipendienvergabe ungerecht

Die Umfrage offenbart weit verbreitete Vorbehalte gegenüber der derzeitigen Vergabepraxis. Mehr als die Hälfte (52 %) aller befragten Abiturienten und immerhin 43 % der Studierenden sind der Meinung, dass Kinder aus Arbeiterfamilien in ihren Chancen auf ein Stipendium benachteiligt sind.

Diese subjektiven Empfindungen werden durch die Erfolgsbilanzen bei der Bewerbung bestätigt: Während bei Bewerbern aus Akademiker- und Selbstständigenhaushalten etwa jede zweite Bewerbung Erfolg hat, ist nur gut ein Drittel der Bewerber aus bildungsferneren Herkunftsfamilien und Arbeiterfamilien erfolgreich. Vor diesem Hintergrund fordern 77 % der Abiturienten und 84 % der Studierenden, dass neben einer Vergabe nach Noten auch andere Kriterien bei der Stipendienvergabe berücksichtigt werden, insbesondere die sozialen Verhältnisse und das soziale Engagement der Studenten. (ots/Pd)

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Landwirtschaftliches Hauptfest 2010 (c) LWH



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Studienberechtigte wollen sich mit der Hochschulreife alle Möglichkeiten offen halten

Wie bereits bei den zuvor untersuchten Jahrgängen 2005 und 2006, ist auch bei den angehenden studienberechtigten Schulabgänger/inne/n 2008 das Bestreben, einen Schulabschluss zu erlangen, der alle nachschulischen Optionen offen lässt, der mit Abstand am häufigsten genannte Grund für den Erwerb der Hochschulreife (77 %).

Daneben steht die pragmatische "Verwertbarkeit" der Hochschulreife im Vordergrund: 57 % betrachten das Hochschulreifezeugnis als unerlässliche Voraussetzung für ein Studium, 37 % als unverzichtbare Voraussetzung für jede Art von anspruchsvoller Berufsausbildung. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der von der HIS Hochschul-Informations-System GmbH zum dritten Mal mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführten Befragung von angehenden Studienberechtigten zu ihren Studien- und Berufsausbildungsplänen ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulreife.

Für die nun vorliegende Publikation "Studierneigung und Berufsausbildungspläne - Studienberechtigte 2008 ein halbes Jahr vor Schulabgang" wurde eine auf Bun­des- und Land­es­ebe­ne re­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be von knapp 29.000 Personen befragt, die im Schul­jahr 2007/08 an allgemeinbilden­den oder be­rufli­chen Schu­len die Fach­hoch­schul­rei­fe oder das Abi­tur erwor­ben ha­ben.

Zu den wichtigen Ergebnissen, die auf Bundesebene und differenziert nach Bundesländern vorliegen, sind außerdem die Befunde zu den individuellen Schwierigkeiten bei der Planung des nachschulischen Werdegangs zu zählen. Insbesondere die unvorhersehbare Entwicklung des Arbeitsmarktes bereitet den Schüler/inne/n vergleichsweise häufig erhebliche persönliche Schwierigkeiten (38 %). Erstaunen mag vor dem Hintergrund des oben mehrheitlich genannten "Offenhaltens aller Optionen", dass für ein gutes Drittel die nur schwer überschaubare Zahl der Möglichkeiten nach dem Schulabschluss ein großes Problem darstellt
(37 %).

Von Bedeutung als individuelles Planungsproblem sind zudem die von knapp einem Drittel (31 %) und sogar 41 % derjenigen Schüler/innen, die sich ein halbes Jahr vor Schulabgang bereits für ein Studium entschieden haben, benannten Zugangsbeschränkungen im angestrebten Studienfach. Für nahezu gleich viele gestaltet sich die Finanzierung von Studium oder Ausbildung problematisch. Bei diesem Aspekt zeigen sich bemerkenswerte geschlechtsspezifische Unterschiede: 34 % der weiblichen, aber nur 26 % der männlichen angehenden studienberechtigten Schulabgänger geben an, dass die Finanzierung von Studium/Ausbildung ein Problem bei ihren Überlegungen über den weiteren Werdegang darstellt.

Die Neigung der angehenden Studienberechtigten 2008, ein Hochschulstudium aufzunehmen, bewegt sich ein halbes Jahr vor Schulabgang in einem großen Korridor von minimal 51 % und maximal 72 %. Das Minimum dieser Bandbreite bildet der Anteil der Schüler/innen, deren Studienentscheidung zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht. Hinzu kommt eine Marge von weniger Entschlossenen, die "eventuell" ein Studium aufnehmen werden. Mit 21 % fällt dieser Anteil beim Schulentlassjahrgang 2008 deutlich größer aus als bei den zuvor befragten Studienberechtigtenkohorten 2005 und 2006.

Die Unsicherheiten über eine mögliche Studienaufnahme haben im Jahrgangsvergleich offenbar einen neuen Höhepunkt erreicht. 27 % der Schüler/innen werden zudem voraussichtlich gänzlich auf ein Studium verzichten. Dieser Anteil ist im Vergleich zum Studienberechtigtenjahrgang 2006 deutlich angestiegen und liegt damit wieder auf dem Niveau von 2005.

Neben dem starken Einfluss unterschiedlicher schulischer Leistungsniveaus ist auch der familiäre Bildungshintergrund nach wie vor von Bedeutung für die Überlegungen, ein Studium aufzunehmen oder darauf zu verzichten. Bei den zukünftigen Studienberechtigten 2008 aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil über einen Hochschulabschluss verfügt, beläuft sich die Bandbreite der Studierneigung auf minimal 59 % bis maximal 78 %; Schüler/innen ohne akademischen Bildungshintergrund äußern dagegen erheblich seltener eine Studienabsicht (43 % bis 65 %).

Von einigem Gewicht ist zudem der West-Ost-Unterschied. Im Gegensatz zu 2005 und 2006 zeigen sich beim Schulabschlussjahrgang 2008 erstmals wieder deutliche Differenzen zwischen den alten und neuen Ländern. Während sich die Studierneigung in den alten Ländern in einem Korridor von 52 % bis 73 % bewegt, liegt sie in den neuen Ländern nur zwischen einem Minimalwert von 47 % und einem Maximum von 68 %. Keinerlei Studienabsichten bekunden
26 % der westdeutschen, aber 31 % der ostdeutschen Schüler/innen in den Abschlussklassen.

Wie in allen Schulabschlussjahrgängen entscheidet sich auch ein Teil der Studienberechtigten 2008 (zumindest zunächst) gegen die Umsetzung der durch die Hochschulreife erlangten Studienoption und für die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung. Insgesamt bewegt sich der Anteil derjenigen, die diesen Qualifikationsschritt wählen, in einer Bandbreite zwischen minimal 28 % und maximal 42 %. 2006 lag die Berufsausbildungsneigung hingegen in dem sehr schmalen Korridor von 24 % und 27 %. (his)
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