Wissenschaft & Forschung

weiter blätternzurück blättern7/10vorwärts blättern
Seite drucken
Bodenproben (c) proplanta
Donnerstag, 25.04.2024
Gesunde Ernährung – sichere Lebensmittel – nachhaltige Rohstoffproduktion

Niedersachen ist ein Ernährungsland – auf über einem Drittel der niedersächsischen Ackerfläche wird Getreide angebaut. Das entspricht ca. 15 Prozent der jährlichen Getreideproduktion in Deutschland. Auf nahezu 50 Prozent der niedersächsischen Getreideanbaufläche steht Weizen, was unweigerlich zu Weizenselbstfolgen führt.

Ein steigender Anbau von Mais als Bioenergielieferant lässt die Herausforderungen an ein erfolgreiches Fruchtfolgemanagement zusätzlich wachsen. Auf einem Fünftel der Gesamtanbaufläche in Niedersachsen wird bereits Mais angebaut – die Tendenz ist steigend. Mais als risikoreiche Vorfrucht führt zu einer erhöhten Fusarienbelastung und damit einer erhöhten Mykotoxinanreicherung im Getreide.

Mykotoxine sind natürliche, sogenannte sekundäre Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, die bei Menschen und Tieren eine toxische Wirkung zeigen. Mykotoxine, die infolge von Primärkontamination entstehen, sind u.a. aufgrund ihrer Temperaturstabilität innerhalb der gesamten Nahrungskette präsent und können damit eine permanente Problematik für die Lebensmittel- und Ernährungsqualität darstellen. Dementsprechend wurde die Lebensmittel- und Futtermittelgesetzgebung der EU angepasst, um eine zuverlässige Versorgung mit gesunden, qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln und somit einen verbesserten Verbraucherschutz zu gewährleisten.

Auf diese neuen Rahmenbedingungen müssen sowohl die Primärproduktion, als auch die Lebensmittelindustrie reagieren. Für den sich daraus ergebenen Forschungsbedarf wurden Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen der Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Universitäten Göttingen und Hannover, des Institutes für Zuckerrübenforschung an der Universität Göttingen sowie der Fachhochschule Osnabrück in einer durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderten dritten Säule des Forschungsverbundes der Agrar- und Ernährungswissenschaften Niedersachsen (FAEN 3) gebündelt.

Unter dem Leitfaden 'Qualitätsgerechte Pflanzenproduktion unter veränderten Rahmenbedingungen: Mykotoxine im Kontext von Produktion, Qualität und Verarbeitung' werden verschiedene Bereiche der Wertschöpfungskette, beginnend bei der pflanzlichen Rohstoffproduktion bis hin zum Verbraucher mit Blick auf die Mykotoxinbelastung beleuchtet.

Der Verbund startete seine Arbeiten im Mai 2007 und befindet sich seit Mai dieses Jahres in der zweiten Förderphase. Im Mittelpunkt der laufenden Forschungsarbeiten stehen (a) die Erfassung des Fusarienartenspektrums und die Auswirkungen der daraus folgenden Mykotoxinkontamination auf verarbeitungstechnische und ernährungsphysiologische Werteigenschaften von Ernteprodukten unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren wie Fruchtfolge, Fungizideinsatz, Sortenresistenz, Lagerbedingungen, (b) die technologische Realisierung der Rückverfolgbarkeit der Ernteprodukte unter Nutzung der Radio Frequency Identification (RFID)-Technik und (c) sozio-ökonomische Fragestellungen zur Risikobewertung und zur Implementierung eines Managementsystems aus Sicht der Wirtschaft und Gesellschaft.


Weizenbonitur
Bonitur der Weizenbestände (Foto: Silke Stracke)


Die Forschungsaktivitäten sind auf die landwirtschaftlichen Hauptkulturen Weizen und Zuckerrübe sowie auf die konventionellen Arten Emmer und Nacktgerste und auf die für Niedersachsen bedeutende gärtnerische Kultur Spargel gerichtet.

Ein integraler Fruchtfolgeversuch liefert wertvolle Informationen zu acker- und pflanzenbaulichen Einflussfaktoren sowie zu Effekten der Umwelt. Die Mehrjährigkeit der Feldversuche garantiert hierbei einen aussagekräftigen Vergleich unterschiedlichster Bedingungen und eine Validierung der Ergebnisse.

Als Hauptrisikofaktoren für die Mykotoxinbildung im Weizenkorn konnten in abnehmender Reihenfolge Jahreswitterung, Sorte, Vorfrucht, Standort definiert werden. Interessanterweise brachten neueste Erkenntnisse aus Kreuzpathogenitätstests an Weizen mit isolierten Fusarienpathogenen aus Zuckerrübe den Hinweis, dass möglicherweise eine neue Bewertung des pflanzenpathologischen Vorfruchtwertes von Zuckerrüben in einer Getreidefruchtfolge erforderlich ist.

In klassischen niedersächsischen Ackerbaugebieten ist die Fruchtfolge Zuckerrüben – Winterweizen üblich, wobei Zuckerrübe bisher als risikoarme Vorfrucht galt. Neben weiterführenden Untersuchungen zu Infektionsmechanismen und Besiedlungsstrategien konzentrieren sich die Forschungsarbeiten der laufenden zweiten Projektphase verstärkt auf die Nachernteperiode.
Weißährigkeit
Typische Symptome der partiellen Weißährigkeit, verursacht durch Fusarium graminearum (Foto: Silke Stracke)



Die Identifizierung der Faktoren, welche im Lager eine Veränderung der Pilzflora und des Mykotoxinspektrums bedingen und der sich daraus ergebene Einfluss auf die verarbeitungstechnischen und ernährungsphysiologischen Werteigenschaften der Ernteprodukte stehen dabei im Vordergrund.

Neben dem zu gewährleistenden Verbraucherschutz durch Einhaltung der festgelegten Höchstgrenzen steht die Frage, welchen Effekt die Schimmelpilzbelastung auf die Backeigenschaften hat. Die Schädigung teigbildender Proteine als Folge von Fusarienbefall und Mykotoxinanreicherung im Weizenmehl wurde bereits in der ersten Projektphase nachgewiesen.

Veränderungen von Inhaltsstoffzusammensetzung in Abhängigkeit vom Mykotoxingehalt zeigten sich ebenfalls in Emmer und Nacktgerste, wobei beide Getreidearten eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber dem Fusarienbefall aufwiesen.

Mit Blick auf eine mögliche Integration in Fruchtfolgen zur Reduzierung des Infektionsdrucks werden Emmer- und Nacktgerstensorten unter konventionellen Anbaubedingungen untersucht sowie die Stressphysiologie dieser Getreidearten analysiert.

Neben dem Fokus auf landwirtschaftliche Kulturen ist ein Forschungsbereich im Verbund auf die Mykotoxinproblematik im Spargelanbau gerichtet. Das pilzliche Erregerspektrum und die Belastungssituation in Spargelanlagen sowie die Bedeutung einzelner Prozessfaktoren für die Anreicherung von Mykotoxinen in einer für Spargel typischen Nacherntekette werden dabei untersucht.

Die acker- und pflanzenbaulichen Strategiemaßnahmen zur Sicherung einer gesunden Ernährung werden durch die sozio-ökonomische Erfassung und Bewertung der Akzeptanz eines Risikomanagements bei den betroffenen Akteuren der Getreide-Wertschöpfungskette und beim Verbraucher sowie durch Kosten-Nutzen-Analysen erarbeiteter Implementierungsvarianten komplettiert.

Entscheidend für die Garantie des Verbraucherschutzes ist dabei die Rückverfolgbarkeit des Ernteguts vom Beginn der Wertschöpfungskette bis hin zum Endnutzer. Der innovative Ansatz, spezifische Informationen über Getreidepartien unter Nutzung der RFID-Technologie transparenter zu machen, ist Schwerpunkt des agrartechnisch ausgerichteten Teilprojektes im Forscherteam.

Die Verbundstruktur des Vorhabens bietet eine Plattform für wertvolle Interaktionen zwischen verschiedenen Bereichen, die zur Entwicklung eines umfassenden und erfolgreichen Risikomanagements unerlässlich sind. Diese holistische Herangehensweise bietet die Möglichkeit, Konzepte und Lösungsansätze für eine risikoarme, qualitätsgesicherte Lebensmittelproduktion zu erstellen.


Folgende Institutionen sind an FAEN 3 beteiligt:

Georg-August-Universität Göttingen, Fakultät für Agrarwissenschaften, Department für Nutzpflanzenwissenschaften Abteilung Allgemeine Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz (Prof. A. v. Tiedemann), Abteilung Qualität pflanzlicher Erzeugnisse (Prof. E. Pawelzik, Sprecherin des Verbundes), Abteilung Molekulare Phytopathologie und Mykotoxinforschung (Prof. P. Karlovsky), Abteilung Agrartechnik (Dr. D. v. Hörsten, Prof. W. Lücke); Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, Abteilung Umwelt- und Ressourcenökonomik (Prof. R. Marggraf); Institut für Zuckerrübenforschung an der Universität Göttingen (Prof. M. Varrelmann, Prof. B. Märländer), Leibniz Universität Hannover Institut für Pflanzenkrankheiten u. Pflanzenschutz (Dr. H. v. Alten, Prof. H.-M. Poehling); Fachhochschule Osnabrück, Fakultät für Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Fachgebiet Agrarmarketing (Prof. U. Enneking).

Nähere Information zu den Forschungstätigkeiten des FAEN 3 stehen auf der Homepage zur Verfügung.


Autoren:
Elke Pawelzik und Silke Stracke
Georg-August-Universität Göttingen
Department für Nutzpflanzenwissenschaften
Abteilung Qualität Pflanzlicher Erzeugnisse
Carl-Sprengel-Weg 1
37075 Göttingen