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Möhren (c) proplanta
Freitag, 19.04.2024
Bio: Ja oder Nein?

Bio boomt in Deutschland - eigentlich. Ende 2011 wurden über 1 Mio. Hektar, entsprechend 6,1 Prozent der Agrarfläche, in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Doch in letzter Zeit macht sich unter den Verbrauchern auch Verunsicherung bemerkbar. Die Frage des gesundheitlichen Wertes einer Bio-Ernährung wurde jüngst in den Medien lebhaft diskutiert.

Auch kritische Berichte über die Haltungsbedingungen in der Bio-Tierhaltung lassen viele Verbraucher zweifeln, ob Bio-Fleisch tatsächlich die bessere Alternative darstellt. Schlagwörter wie „Agrarindustrie-Bio" kratzen am Image der Branche und lassen manchen zögern, Biowaren aus dem Discounter zu erstehen. 


Sind Bio-Lebensmittel gesünder?

Der Frage nach gesundheitlichen Vorteilen einer biologischen Ernährung ging eine Forschergruppe der Universität Stanford um Dena M. Bravata kürzlich in einer Meta-Analyse nach. Dazu wurden 223 Studien herangezogen, die den Nährstoffgehalt oder die Belastung mit Bakterien, Pilzen oder Pestiziden betrachteten. Weitere 17 Untersuchungen verglichen Gruppen von Teilnehmern, die sich biologisch oder konventionell ernährten.

Wurzelgemüse
Die Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel wie Vitamingehalt, Fette und Proteine unterschieden sich den Forschern zufolge kaum. Auch Krankheitserreger waren in keiner der beiden Gruppen häufiger auszumachen. Die Schlussfolgerung: Direkte Gesundheitsvorteile durch biologische Ernährung gegenüber konventioneller seien nicht zu erkennen.

Relevante Unterschiede hat die Studie jedoch bei der Aufnahme von Pestiziden ermittelt. Bio-Nahrung verringert demnach die Belastung des Körpers durch Pflanzenschutzmittel. Auch Antibiotika-resistente Bakterien wiesen Bio-Hühner und -Schweine in geringerem Maße auf. Die gesundheitliche Bedeutung dieses Befundes sei jedoch noch unklar.

Die Standford-Studie fasst in erster Linie den Forschungsstand zusammen und deckt Wissenslücken auf. Langzeitstudien vor allem im Bereich der Auswirkungen der Pestizidrückstände fehlen bislang.

Die Zeitdauer der betrachteten Studien betrug lediglich zwischen zwei Tagen und zwei Jahren. Spätfolgen wie Krebs oder Beeinträchtigung des allgemeinen Gesundheitszustands wurden also nicht erfasst. Dies dürfte jedoch auch in Zukunft Probleme bereiten, da zahlreiche weitere Einflussfaktoren wie Bewegung, Bildungsstand oder Rauchen das Ergebnis beeinflussen und nur schwer zu eliminieren sind.

Laut Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau im Schweizerischen Frick, gibt es auch noch keine Forschungen über die Kombinationseffekte von Pestizidrückständen. So würden beispielsweise im Apfelanbau mehrere Fungizide, Insektizide und Herbizide verwendet sowie Phytohormone zum Ausdünnen der Früchte. Die Auswirkungen des gesamten Chemikalien-Cocktails wären bislang nie betrachtet worden.


Schont Bio-Anbau die Umwelt?

Die Bio-Branche selbst sieht die Vorzüge des Bio-Anbaus weniger in einem direkten gesundheitlichen Nutzen. Der „wesentliche und für die Gesellschaft auch wichtigste Vorteil der ökologischen Landwirtschaft bestehe in der Schonung natürlicher Ressourcen wie Boden, Gewässer, Klima und Biodiversität sowie in einer artgerechten Tierhaltung", erläutert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in einer Stellungnahme.

Auch Niggli betont die positive Wirkung von biologischer Landwirtschaft auf die Artenvielfalt. Biologisch bewirtschafteter Boden biete eine erheblich größere Biodiversität, von den Mikroorganismen bis hin zu den Vögeln. Auch das Grundwasser würde wesentlich weniger belastet, weshalb Wasserwerke in ihrem Einzugsgebiet Bio-Anbau bevorzugen.

Die positiven Auswirkungen des Bio-Landbaus auf die Umwelt sind in zahlreichen Forschungsarbeiten bestätigt und werden auch von den Autoren der Stanford-Studie nicht in Zweifel gezogen. Für die Verbraucher stellen sie oftmals den wichtigsten Kaufgrund dar.
Glückliche Schweine Sind Bio-Tiere wirklich glücklicher?

Immer wieder verunsichern kritische Medienberichte über die Tierhaltungs-Bedingungen auf Bio-Betrieben. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) bemängelt vor allem die zunehmende Größe vieler Haltungen und nennt sie «Agrarindustrie-Bio».

Andere Fachleute stören sich weniger an der Dimension, entscheidend seien außer der Fütterung die Haltungsbedingungen an sich - und die sind in den verschiedenen Richtlinien festgelegt.

Ein häufiger Kritikpunkt auch aus den eigenen Reihen ist aber, dass in der Biofleisch-Produktion meist dieselben Hochleistungs-Rassen eingesetzt werden wie in der konventionellen Landwirtschaft. Mit ähnlichen gesundheitlichen Problemen wie bei letzterer und Folgen wie Küken-Tötungen bei der Selektion nach Geschlecht. Hier wäre vor allem die Öko-Tierzucht gefragt, robustere bzw. Zweinutzungsrassen zu züchten, mit denen rentabel gearbeitet werden kann.

Aus tiermedizinischer Sicht bringt die Freilandhaltung zudem nicht nur Vorteile, sondern auch mehr Parasiten und eine höhere Keimbelastung. Atemwegserkrankungen sind dafür im Freiland weniger zu verzeichnen.

Ein weiteres Problem der Bio-Tierhalter ist der Mangel an Eiweißfuttermitteln. Seit 2001 im Zuge der BSE-Krise kein Tiermehl mehr verfüttert werden darf, ist das Protein im Futter für Schweine und Hühner knapp geworden, die von Natur aus Allesfresser sind. Die Folge kann zum Beispiel bei Hühnern der Ausfall von Federn sein.

Konventionelle Betriebe greifen auf chemisch-synthetische Aminosäuren zurück, die für Bio-Betriebe tabu sind. Bio-Soja aus Südamerika stellt aufgrund der Entfernung keine Alternative dar, und heimische Eiweißpflanzen stehen noch kaum ausreichend zur Verfügung. Auch hier besteht noch erheblicher Nachholbedarf.



Wo kauft man am besten Bio-Lebensmittel?

Wer beim Biokauf auf Nummer sicher gehen will, kauft vorzugsweise im Bioladen oder am besten direkt auf dem Biohof ein. Bioläden bieten Qualität, die oft weit über die EU-Mindestanforderungen hinausgeht. Verbraucher finden hier ein breites Sortiment auch von Herstellern, die Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter angeschlossen sind und nach erheblich strengeren Kriterien produzieren.

Wer seinen Bio-Einkauf direkt beim Erzeuger tätigt, kann sich selbst von den Produktionsbedingungen überzeugen. Kurze Transportwege garantieren zudem nicht nur frische Waren, sondern schonen auch die Umwelt.

Mehr als 1.200 Bioläden und Bio-Direktvermarkter verzeichnet das Projekt „Bioläden - Biohöfe - Bio-Direktvermarkter" bei Proplanta. Jeder Laden bzw. Hof ist durch die Angabe des genauen Standortes und der Kontaktdaten leicht zu finden. Angaben zum jeweiligen Sortiment und zu den Öffnungszeiten ergänzen den Service. (Pp)

 

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