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Bine ati venit în România! | Auslandserfahrungen im Agrarbereich

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Bine ati venit în România!
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Titel:

Bine ati venit în România!

Beschreibung:

Gewichtige Interpunktionen

Ein entsetztes Fragezeichen. Schon mal gesehen? Wirklich nicht!? - Nun, ein solches Satzzeichen der Verstörung erzeugt man immer dann im Gesicht eines Gesprächspartners, wenn man ihm von Dingen erzählt, die in seinen Augen ziemlich verrückt, ziemlich waghalsig oder einfach nur komplett bescheuert erscheinen.

War es - vorzugsweise unter den Damen der sogenannten feinen Gesellschaft - im viktorianischen England des ausgehenden 19. Jahrhunderts noch eine weit verbreitete Mode, dem Ausdruck seiner Bestürzung durch eine kurzzeitige Ohnmacht Nachdruck zu verleihen, erntet man heute von Vertretern beiderlei Geschlechts nur noch missbilligende Entgleisungen der mimischen Muskulatur, die eine frappierende Ähnlichkeit mit Edvard Munch's Bild „Der Schrei" haben. Ein entsetztes Fragezeichen eben!

Es ist aber nicht nur bei einem geblieben. Nein, ganz im Gegenteil. Es war eine ganz schöne Menge entsetzter Fragezeichen, die jedes Mal düster und bedeutungsschwer in den mir bekannten Gesichtern stand, als ich von meiner kühnen Idee berichtete, für die Dauer von drei Monaten in einem kleinen transsilvanischen Dörfchen am Fuß der Südkarpaten leben zu wollen, um dort mit Honigbienen zu arbeiten: „Wohin? Nach Rumäääänien!?"

Ab dem dritten „ä" erhöht sich übrigens die Tonlage dann regelmäßig. Das war im Januar 2012. Aber eins nach dem anderen, denn jede Geschichte hat ja schließlich ihren Anfang. Und dieser liegt bereits ein paar Jahre zurück. Erlauben wir uns also eine kleine Zeitreise in das Jahr, in dem alles seinen Anfang nahm.


Zurück in die Vergangenheit

Wir befinden uns im Jahr 2009. Wieder im Januar. Ich habe gerade meine Abschlussarbeit über die horizontale und vertikale Verbreitung von Ostrakoden in Sedimenten aus Methan freisetzenden pockmark-Strukturen im Bodensee bei der Friedrich-Schiller-Universität in Jena eingereicht und stelle mir schon seit einiger Zeit die bohrende Frage, ob ich meine berufliche Zukunft wirklich diesen mikroskopisch kleinen, unheimlich langweiligen und wahnsinnig unspektakulären Krebstierchen widmen will.

Nun, nichts gegen Muschelkrebse - die können ja schließlich auch nichts dafür! Aber das ist es ja nicht allein. Zu diesem Zeitpunkt gibt es ungefähr 20 bis 25 Menschen, die ihre Brötchen als fachlich sehr spezialisierte Ostrakodologen verdienen. Und das weltweit! Zum besseren Verständnis meiner damaligen Lage möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl nur noch 16 bis 18 von diesen Koryphäen am Leben sind.

Die Ostrakodologie ist bereits im Jahr 2009 nicht unbedingt eine gefragte Disziplin der Biologie und war daher auch schon seit geraumer Zeit einer gewissen Überalterung zum Opfer gefallen. So kommt es mir in dieser Zeit des Grübelns mehr als gelegen, dass ich erst kürzlich über eine recht interessante Ausschreibung gestolpert bin. Da werden Biologen für die Mitarbeit an einer Feldstudie über die möglichen Schadwirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Honigbienen gesucht, in Österreich: „Da mach' ich mit!" Und ich mache mit.

Ohne auch nur den geringsten Hauch einer Ahnung von Honigbienen und Ökotoxikologie zu haben, packe ich meine Siebensachen und fahre in die Nähe von Linz. Für fünf Wochen. Dann ist die Studie beendet und die Würfel sind gefallen. Ich habe Blut, nein, Honig geleckt und bleibe an den Bienen kleben. Weitere Projekte folgen, aber eben nichts von Dauer. Also beschließe ich im Dezember 2011 meine praktischen Kenntnisse über Bienen und vor allem über Bienenhaltung ein wenig aufzupeppen.

Da die Anschaffung ein paar eigener Völker vorerst nicht in Frage kommt, begebe ich mich also auf die Suche nach einem imkerlichen Mentor. Dafür gebe ich exakt zwei Begriffe in die wohl gebräuchlichste aller Suchmaschinen ein: „Imkerei" und „Praktikum". Enter. Und finde einen deutschsprachigen Imker. 200 Bienenvölker, ökologisch zertifizierte Bienenhaltung, altes idyllisches Pfarrhaus, Kost und Logis frei, finanzielle Förderung durch das EU-Programm LEONARDO DA VINCI möglich, Hamba, Siebenbürgen.

„Rumänien!? - Egal, Hauptsache Bienen!" Also kontaktiere ich den Mann, wir arrangieren uns, treffen uns in Deutschland und beschließen, dass ich ihn im Jahr 2012 von April bis Juni in seiner Imkerei unterstützen werde. Die Förderung wird zugesagt, die Anreise geplant, die Koffer gepackt und die Spannung steigt. Denn eigentlich habe ich mal wieder nicht den blassesten Schimmer, worauf ich mich da eingelassen habe. Über Rumänien weiß ich so gut wie gar nichts! Doch, etwas gibt es da: eine ganze Menge Vorurteile!


Reden wir also über Rumänien

Wer an Rumänien denkt - jedenfalls im „zivilisierten" Mitteleuropa -, der hat recht häufig das Bild eines dunklen und schaurigen Schurkenstaates vor Augen, in dem marodierende Zigeunerbanden, verwahrloste Straßenkinder und - natürlich auch - blutsaugende Vampire ihr düsteres Unwesen treiben. Bittere Armut, eine hohe Kriminalitätsrate wie auch ein hohes Maß an Korruption sind Attribute, die in Verbindung mit Rumänien nicht selten in ein und demselben Atemzug genannt werden.

Dass man also häufig verständnisloses Kopfschütteln hervorruft, wenn man von Reiseplänen ins ungezähmte Osteuropa spricht, ist so absehbar wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Viel zu gefährlich! À propos, selbst der Limbus sollte dagegen noch ein lauschigeres Plätzchen sein. Ach nein, geht ja gar nicht! Der wurde durch den Vatikan ja abgeschafft. - Was aber ist nun dran an diesem Bild des Schauermärchens Rumänien? Ist es dort wirklich so schlimm?


Zuerst einmal die Fakten

Rumänien ist eine Flunder! Das sagen zumindest die phantasievollen Geographen über die Form der semipräsidentiellen Republik an der Schwelle von Mittel- zu Südosteuropa. Hauptstadt: Bukarest. Ein Drittel Hochgebirge, ein Drittel Hochland, ein Drittel Ebene. Mit seinem Anteil an den Karpaten besitzt die ehemalige römische Provinz Dacia - die übrigens der Namensgeber der gleichnamigen rumänischen Automobilmarke ist - das noch ursprünglichste europäische Hochgebirge mit dem größten noch bestehenden geschlossenen Waldgebiet und mit fast 15 Millionen Hektar eine der größten landwirtschaftlichen Nutzflächen in Europa.

Die Gesamtfläche von fast 240.000 qkm teilen sich unter anderem unzählige Bienenvölker und - ganz nebenbei bemerkt - die größte europäische Braunbären-Population mit annähernd 20 Millionen Menschen. Die meisten davon sind natürlich Rumänen. Auch die Bienen und Bären.

Unter den menschlichen Bewohnern gibt es aber auch zahlreiche ethnische Minderheiten wie zum Beispiel die Sinti und Roma, die gerne abwertend als Zigeuner bezeichnet und auch von den Rumänen nicht wirklich gemocht werden. Das bringt natürlich ein gewisses Konfliktpotential mit sich. Oder die Ungarn, diese Raubeine, von denen manche immer noch nicht einsehen wollen, dass Teile Westrumäniens nicht mehr zur k.u.k. Monarchie gehören.

Es gibt aber auch noch eine kleine deutsche Minderheit. Das sind neben den Banater Schwaben vor allem die Siebenbürger Sachsen, die bereits im 12. Jahrhundert einer herzlicheren Einladung als der Teilnahme am Zweiten Kreuzzug - der übrigens ein Flop wurde - gefolgt sind und es sich seitdem vor allem in Siebenbürgen, dem berüchtigten Transsilvanien also, durch den Bau vieler Wehrkirchen und Kirchenburgen gemütlich gemacht haben. Allerdings nicht zum Schutz vor Vampiren!

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist diese gesamtdeutsche Minderheit noch rapider geschrumpft als in den 60 Jahren davor. Tendenz fallend. Mein imkerlicher Mentor ist als waschechter „Sachse" übrigens ein entfernter Spross eines vom Heiligen Krieg Abgeworbenen. Klingt doch alles gar nicht mal so übel, oder?

Reden wir aber nochmal über ethnische Konflikte, Armut und Kriminalität! Denn irgend etwas muss ja dran sein. Ist es ja auch. Wenn man aber mal die Augen ganz weit öffnet und sich in unserem eigenen Heimatland umschaut, stellt man Folgendes fest: Ob es nun ethnische Konflikte sind, Armut und Arbeitslosigkeit, organisierte und „kleine" Kriminalität oder Korruption und Bestechlichkeit. All das gibt es auch hier. Ein altbekannter Hut also. Vielleicht passiert es hier einfach unbemerkter und im Hintergrund oder wir wollen es nicht sehen. Es ist ja überdies auch viel bequemer den Schmutz vor anderen Türen zu bemängeln anstatt erst mal vor seiner eigenen zu kehren. Nicht wahr?

Alles halb so wild, sage ich! Rumänien ist gar nicht so schlimm. Im Gegenteil. Ich bin während meines Aufenthaltes kein einziges Mal beklaut..., na ja, ein Mal, und das nur halbherzig, aber mehr dazu später. Also: Rumänien hat zwar seine Ecken und Kanten, aber es ist ein wunderschönes und - ja, fast schon beschämend - gastfreundliches Land. Es ist kontrastreich! Ja, das ist es! Aber es gibt dort viele, viele Bienen! Nun ist all das aber Wissen, das jede Bücherlaus in sich hineinfressen kann. Machen wir uns also auf die Reise!

Da kein größeres Gewässer auf dem Weg nach Rumänien zu überqueren ist, bieten sich für die Anreise zwei Varianten an. Mit dem Flugzeug erreicht man sein Ziel ohne Zweifel am schnellsten. Zu empfehlen für Eilige, die auch gerne etwas tiefer in die Tasche greifen und nur wenig Gepäck mit auf ihre Reise nehmen wollen. Etwas langwieriger, aber dafür erheblich günstiger gestaltet sich eine Zug- oder Busfahrt.

Wer Wert auf Beinfreiheit legt und dem das Schleppen von Gepäck beim Umsteigen nichts ausmacht, nutzt die Eisenbahn als Reisemittel seiner Wahl. Wenig komfortabel wird es dagegen in einem der zahlreichen Linienbusse, die zweimal wöchentlich zwischen Deutschland und Rumänien pendeln. Obwohl man sich dort wie Stückgut beim Transport in einer rollenden Sardinenbüchse fühlt, bietet das Verkehrsmittel Bus unschätzbare Vorteile. Das Ticket ist sehr günstig, 60 kg Gepäck sind inklusive, man muss nicht umsteigen und befindet sich gleich nach Betreten des Gefährts - da 99% der Insassen im Vehikel Rumänen sind - im Kulturkreis seines Ziellandes: „Bine a?i venit în România!"

Drei Monate in ein paar Zeilen. Rumänien ist anders! Das sieht man schon, wenn man nach etwa 18 Stunden Fahrt im Morgengrauen die ungarisch-rumänische Grenze in der Nähe von Arad mit dem Bus passiert hat und - noch - hinter dem Schutz einer Glasscheibe die ersten schemenhaften Bilder aufschnappt. Man sieht alte - und ich meine wirklich alte - Häuser, große Häuser, kleine Häuser, neue Häuser und vor allem unverputzte Häuser. War man in Ungarn noch müde und hat schläfrig vor sich hingedöst, ist man jetzt hellwach.

Die rumänischen Straßen mit ihren unzähligen Schlaglöchern machen jeder Buckelpiste ernsthafte Konkurrenz. Der Busfahrer beginnt in Schlangenlinien zu fahren. Regelmäßig muss er Pferdefuhrwerken oder Schäfern mit ihren Herden ausweichen. Ab jetzt gleicht die Anreise einem Kamelritt durch's „wilde Kurdistan"! Man sieht vor allem in den Dörfern links und rechts der Straßen immer wieder Ziegen, Esel, Kühe und auch streunende Hunde. Hin und wieder in den Gärten auch ein paar Bienenkisten.

In den Toreinfahrten tummeln sich neben teilweise museumsreifen Automobilen nicht selten Gänse oder Hühner. Rumänien ist irgendwie... „alt". Die Zeit scheint dort vor 100 oder mehr Jahren stehengeblieben zu sein. Auf der einen Seite! Durchquert man aber kleinere oder größere Städte, bekommt man einen Eindruck vom „jungen" und dynamischen EU-Mitgliedstaat Rumänien. Filialen von bekannten mitteleuropäischen Einkaufsmärkten wie Baumax, Deichmann, dm, Kaufland, Lidl, OBI oder Penny ragen mit ihren knallbunten Werbefarben aus der gräulichen Patina der Vergangenheit hervor.

Business people in schicken Anzügen und Kostümen kreuzen hektisch und telefonierend die Straßen. Auch sieht man hier jetzt neuere, größere, teurere Modelle von vor allem westeuropäischen Automobilherstellern. Pferdefuhrwerke und streunende Hunde gibt es aber auch hier.

Rumänien ist gegensätzlich! Und genau dieser scharfe Kontrast zwischen dem „alten" und dem „neuen" Rumänien, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen der ländlichen Idylle des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der urbanen Geschäftigkeit der allseits vernetzten Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts hat mich die folgenden drei Monate stets begleitet. Man kann es auch ganz kurz zusammenfassen: Internet und Plumpsklo.

Diese Kombination aus High- und Low-Tech findet man auch in der rumänischen Landwirtschaft wieder. So stehen Monokulturen mit teilweise gigantischen Ausmaßen von zum Beispiel Raps und Mais im westrumänischen Kreischgebiet und südwestrumänischen Oltenien oder Sonnenblumen in der an der Schwarzmeerküste gelegenen Dobrudscha in einem krassen Gegensatz zu den unzähligen kleinen und von Familien traditionell - oft in mühevoller Handarbeit - bewirtschafteten Nutzflächen.

Dennoch bietet gerade dieses Mosaik aus intensiver und traditionell-extensiver Landnutzung nahezu ideale Bedingungen für die Haltung von Honigbienen. Der Raps liefert als erste Massentracht im Bienenjahr reine Sortenhonige. Dichte Robinienwälder, deren Blüte im Frühjahr in der Region um Calafat an der rumänisch-bulgarischen Grenze beginnt und sich dann mit den wärmer werdenden Temperaturen langsam in nördliche Richtung schlängelt, ermöglichen in guten Jahren bis zu drei Ernten von schmackhaftem Akazienhonig. Unzählige Linden in Siebenbürgen und Muntenien lösen im Frühsommer dann die bereits verblühten Robinien ab und beschenken - wenn es denn im Frühjahr ausreichend geregnet hat - den passionierten Imker reich.

Die späte Blüte der Myriaden von Sonnenblumen bildet dann den krönenden Abschluss eines erfolgreichen Imkerjahres. Natürlich kann man seine Honigbienen auch als Standimker in heimischen Gefilden stehen und von den zahlreichen dort wachsenden Sträuchern und Wildblumen naschen lassen. Die meisten rumänischen Imker aber sind Wanderimker und karren ihre Honigbienen Jahr für Jahr von Massentracht zu Massentracht. Es soll sich ja schließlich lohnen! Und das tut es auch. Denn Imker und ihre Produkte sind in Rumänien steuerlich befreit, so dass für viele die Haltung von Bienen und die Herstellung und der Verkauf von Honig ein erträgliches Zusatzeinkommen bilden, um die karge Haushaltskasse aufzustocken.

Wer's nicht glaubt, der sollte sich mal zu Beginn der Robinienblüte - gegen Ende April, Anfang Mai - nachts in Craiova an den Rand einer Hauptverkehrsstraße stellen und die zahlreichen mit Bienenkisten beladenen PKW, LKW und Anhänger zählen, die innerhalb von - sagen wir mal - zehn Minuten an einem vorbeifahren. Der Begriff „Völkerwanderung" bekommt danach eine ganz neue Bedeutung.


Und was macht man tagsüber, wenn man nicht gerade mitten in der Walachei rumsteht?

Imkern natürlich! Nun sind die Wanderungen zu den großen Trachtgebieten sicherlich die Sahnehäubchen einer Saison. Allzu leicht darf man sich das aber nicht vorstellen. Denn immerhin müssen jedes Mal um die 80 bis 100 Völker in der frühen Abenddämmerung - nachdem die letzten fleißigen Bienchen von ihren Sammelflügen heimgekehrt sind - verschlossen und verladen werden.

Eine schöne Plackerei übrigens, nach der man ganz gut bedient ist! Allerdings geht's jetzt erst richtig los! Mit höchstens 60 km/h auf rumänischen Pisten kann eine Tour von 300 km zur reinen Tortur werden und sich regelmäßig über acht bis neun Stunden hinziehen. An seinem Ziel angekommen - gerädert von der langen Fahrt -, muss man sich jetzt auch noch beeilen. Denn die Uhr tickt! Die Sonne geht bald auf. Die Völker müssen ja auch wieder ausgeladen und die Fluglöcher geöffnet werden. Im Idealfall natürlich, bevor die Bienen fliegen wollen! Mit steigendem Sonnenstand steigt daher auch das Risiko, sich ein paar unangenehme Stiche einzufangen. - Eine Torte besteht allerdings nicht ausschließlich aus Sahnehäubchen.

Das Gros der Arbeit in einer Imkerei ist vielschichtig und hängt stark - wie alle Bereiche der Landwirtschaft - vom Wetter und demzufolge auch von der Frühjahrsentwicklung der verschiedenen Trachtpflanzen wie auch der Entwicklung der einzelnen Bienenvölker ab. So gleicht kein Tag wirklich dem anderen.

Dennoch gibt es spezifische imkerliche Aufgaben, die immer wieder - mal mehr, mal weniger - auf einen zukommen: Bienen leben unter menschlicher Obhut in künstlichen Höhlen. Diese Höhlen - vom Eingeweihten Zargen oder Beuten genannt - müssen mit all ihren Bestandteilen wie zum Beispiel Boden, Deckel oder Rähmchen bei Beschädigungen oder ab einem gewissen Alter repariert oder ausgetauscht werden. Absperrgitter, Bienenfluchten und Honigräume sollten ebenfalls ab einem gewissen Zeitpunkt auf die Zargen gesetzt werden, sonst gibt es nichts zu ernten!

Wie jedes andere Nutztier können auch Honigbienen durch eine ganze Menge böswilliger Mikroorganismen oder parasitierender Insekten und vor allem Milben in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt und ratzfatz dahingerafft werden. Eine regelmäßige Inspektion jedes einzelnen Bienenvolkes ist daher nicht nur nützlich, um zu sehen, ob eine Königin da ist, die auch fleißig Eier legt, sondern dient vor allem der Abwendung von Krankheiten.

Drohnenbrut muss ausgeschnitten und Milch- oder Ameisensäure zur Bekämpfung der arglistigen Varroa-Milbe appliziert werden. Nicht selten - und das besonders im Frühsommer - neigen Honigbienen dazu, samt Ihrer königlichen Majestät einfach zu verduften, um sich an anderer Stelle niederzulassen. Dieses Schwärmen muss man durch geeignete Maßnahmen verhindern oder - was immer mal wieder passiert - die Flüchtigen wieder einfangen. Auch den Honig, den die Bienen hergestellt haben, muss man letztlich entnehmen, schleudern und abfüllen. Eine ganze Menge Arbeit also! Und das ist bei Weitem noch nicht alles. Das klingt nach wenig Freizeit, oder?

Nein, nein! Ganz so arg war es natürlich nicht. Es blieb genügend Freizeit, um hin und wieder auch eine kleine Expedition in die nahe gelegene Stadt Sibiu (dt. Hermannstadt) zu unternehmen und aus dem dortigen reichhaltigen kulturellen Angebot zu schöpfen oder mit den Eingeborenen zu interagieren. Hermannstadt war übrigens im Jahr 2007 zusammen mit Luxemburg Kulturhauptstadt Europas und hat einen „deutschen" Bürgermeister, der im Jahr 2009 fast rumänischer Ministerpräsident geworden wäre.

Außerdem gibt es dort mit dem Colegiul Na?ional „Samuel von Brukenthal" ein deutschsprachiges Gymnasium, das bereits im Jahr 1380 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Wer hätte das gedacht? Weniger mondän und ungleich abenteuerlicher gestalten sich dagegen Wanderungen im transsilvanischen Hochland.

Als Ausrüstung benötigt man: (1) ausreichend Wasser, (2) einen dicken Stock und (3) eine Handvoll Steine. Das Wasser braucht man natürlich zum Trinken. Häufig klettern die Temperaturen dort im Mai bis auf 35 Grad Celsius oder darüber. Der Stock eignet sich zwar auch als vorzügliches Wanderrequisit, erfüllt aber eine andere Funktion! In Siebenbürgen gibt es recht viele Schäfer. Und die haben, weil es in Siebenbürgen auch Bären gibt, demzufolge Schäferhunde. Eine Konfrontation ist nahezu unausweichlich. Früher oder später passiert es eben.

Nähert man sich also einer Schafherde, dauert es nicht lang bis einem ein oder gleich mehrere fast kalbsgroße Monstren kläffend und zähnefletschend entgegenrennen. Jetzt kommt die Stunde des Stockes! Der dient nämlich als wirkungsvolle Waffe der psychologischen Kriegsführung. Vor Stöcken - wie sie auch Schäfer mit sich führen - haben die Hunde Respekt. Zusätzliches ruhiges Zureden und vor allem ruhig bleiben entschärft die Situation in den allermeisten Fällen. Für die wenigen Ausnahmen hat man dann ja noch die Steine für eine gezielte Raketenabwehr in der Tasche. Bei einem vis-à-vis mit Meister Petz verlieren natürlich auch die Steine ihre Wirkung. Ich bin übrigens froh, dass mir dieses haarige Erlebnis erspart geblieben ist. - Ein Erlebnis gänzlich anderer Art ist es, beklaut zu werden.

Wenn man schon für drei Monate in einem fremden Land lebt, sollte man natürlich auch die Gelegenheit nutzen, ein paar touristische Highlights abzuklappern. In Hermannstadt, das auch einen kleinen, aber internationalen Flughafen besitzt, kann man sich recht günstig bei einer der dort ansässigen Agenturen ein Automobil mieten. Als ob die Fahrt auf Rumäniens holprigen Straßen nicht bereits Abenteuer genug wäre, möchte ich jedem, der dieses Land einmal bereisen wird, eine Überquerung der Karpaten über den Pass Drumul Transf?g?r??an empfehlen. Schwindelfreiheit und absolute Fahrsicherheit vorausgesetzt.

Um Schloss Bran („Dracula's Schloss") in der Nähe von Bra?ov kann man einen weiten Bogen machen und damit Benzin sparen, das in Rumänien übrigens fast genauso teuer ist wie bei uns. Es sei denn man steht auf Nippes und Touristen-Nepp wie „Vampir-Pizza", kleine „Dracula-Schlüsselanhänger" oder billige Kunststoffbeißerchen, die man aber auch bei uns in der Karnevalszeit als Scherzartikel überall hinterhergeworfen bekommt. Ich möchte niemandem seine Illusionen nehmen, aber „Dracula" ist niemals auf Schloss Bran gewesen! Sorry! Alles nur Werbung. Außerdem leben in der Nähe von Bra?ov auch wesentlich mehr Bären.

Wirklich interessant dagegen ist das Biosphärenreservat Donaudelta. Einmalig in Europa und mit dem größten zusammenhängenden Schilfrohrgebiet der Erde absolut sehenswert! Überhaupt ist die vom Delta südlich gelegene Schwarzmeer-Küste Rumäniens ein pittoreskes Örtchen, wo man bei viel Sonne und rauschenden Wogen an menschenleeren Stränden die Seele baumeln lassen kann. Man kann dort auch ohne Probleme sein Zelt - sollte man denn eines mitgenommen haben - aufschlagen. Natürlich ist das irgendwie verboten. In Rumänien interessiert das aber niemanden. Und weil es dort so menschenleer ist, bietet es sich förmlich an, sein Zelt auch unbeaufsichtigt stehen zu lassen. „Passiert ja nichts! Kommt ja sowieso keiner!" Diese Logik ist so einleuchtend einfach wie sie dämlich ist. Denn einer kommt immer. Und der hat zugegriffen!

Wer jetzt aber denkt, dass das Zelt komplett verschwunden ist, der irrt! Denn in Rumänien gibt es Diebe mit Gewissen. Sicher, es gibt bestimmt auch schwergewichtigere Kaliber. Aber dieser war irgendwie nett. Er hat sich lediglich genommen, was er gebrauchen konnte und mich dabei auch nicht vergessen. So hat es auch erst mal eine ganze Weile gedauert bis ich gemerkt habe, dass mein Zelt irgendwie anders aussah. Was war geschehen? „Da waren doch heute Morgen noch mehr Spannleinen und nicht nur eine einzige!" Diese eine hat er mir gelassen, weil es den Abend vorher etwas windig war.

Was am Ende (übrig) bleibt. An Deutschlands Ostseeküste gibt es kleine Universitätsstadt, über die berichtet wird, dass man zweimal weint, wenn man sich auf sie einlässt. Das erste Mal, wenn man dort ankommt. Das zweite Mal, wenn man sie wieder verlässt.

In Rumänien ist es mir ähnlich ergangen. Rumänien ist anders! Es ist ein Land voller Gegensätze. Und es ist auch nicht alles wunderbar dort. Rumänien ist arm, daran besteht kein Zweifel. Auch der Lebensstandard ist gering. Plumpsklo! - Die Menschen dort aber stecken ihre Köpfe nicht in den Sand oder beweinen ihre Lage. Nein, sie sind lebensfroh, freundlich, herzlich und versuchen das Beste aus ihrer Situation herauszuholen. Manchmal auch, in dem sie anderen etwas wegnehmen. Aber nur ein bisschen. Not macht eben erfinderisch. Nun war ich beileibe nicht das erste Mal im Ausland. Aber Südosteuropa war auch für mich terra incognita. Und hat bisher alles übertroffen, was ich je erlebt habe.

Was nimmt man von einer solchen Reise in das „Armenhaus Europas" mit nach Hause? Zahlreiche Bienenstiche und einen geschärften Blick für alltägliche Dinge, die uns in unserem gemütlichen Nest selbstverständlich vorkommen, die aber in Rumänien unbezahlbarer Luxus sind. Eine einfache Toilettenspülung zum Beispiel. Und einen Einblick in eine Kultur, die uns auf einen ersten flüchtigen Blick sehr fremd vorkommt. Aber der unsrigen immer ähnlicher wird, je mehr wir uns mit ihr auseinandersetzen. Rumänien kann man nicht beschreiben. Rumänien muss man erleben!

Schlagworte
Imkerei Imker Honig Transsilvanien Bienen Rumänien Auslandspraktikum Siebenbürgen Auslandserfahrungen Agrarpraktikum
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