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Bananenforschung im Wadi Tiwi Oman | Auslandserfahrungen im Agrarbereich

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Bananenforschung im Wadi Tiwi Oman
Map-Nr.:

6393

Titel:

Bananenforschung im Wadi Tiwi Oman

Beschreibung:

Eine Forschungsreise in den Orient

Wer träumt nicht davon dem eisigen Winter Deutschlands zu entfliehen und dorthin zu reisen, wo Datteln, Limonen, Mangos, Bananen und Papayas in der Sonne gedeihen und angenehmes Meeresrauschen einen behutsam in den Schlaf wiegt?

Im Rahmen des Studiums der „Ökologischen Agrarwissenschaften“ im Fachgebiet „Ökologischer Pflanzenbau und Agrarökosystemforschung in den Tropen und Subtropen“, bot sich einem Kommilitonen und mir die ein- bzw. mittlerweile sogar schon zweimalige Möglichkeit, eine Forschungsreise in das Sultanat Oman zu unternehmen.

Ziel dieser Expedition war die Untersuchung und Kartierung einer speziellen Gegend im Nordosten des Omans auf weltweit seltene oder gar einzigartige Bananenvorkommen. Besonderes Augenmerk lag auf der Morphologie von Bananenpflanzen, anhand welcher es mit gewissen Vorbereitungen möglich ist, das Genom der Pflanzen zu identifizieren.

Mit reichlich technischem und wissenschaftlichem Equipment im Rucksack und in der Reisetasche, war es nicht sonderlich erstaunlich, dass das Gepäck am Flughafen erst einmal von dortigen Zollbeamten gründlich inspiziert und sogar mit Teststreifen auf Sprengstoff überprüft wurde.

Natürlich wurden die Beamten nicht fündig und ließen uns nach dieser Prozedur gewähren. Somit begann der Aufbruch ins Morgenland, in eine für uns fremde Welt im Osten der Arabischen Halbinsel gelegen, in die atemberaubende Heimat Sindbads dem Seefahrer aus den Märchen aus Tausendundeine Nacht.

Bei tropischen 40 Grad Celsius in von Weihrauch- und Parfumduft geschwängerter Luft, verloren sich die letzten Gedanken daran, noch vor 24 Stunden den Schnee vom Gehweg gefegt zu haben.

Ein erster Spaziergang durch den traditionellen „Souk“ war selbstverständlich Pflicht gewesen. Wieder durchstreiften unbekannte, doch sehr angenehme, dezent süßliche Düfte die Luft. Der Markt bot alles was das Herz eines Touristen höher schlagen lässt: edler Schmuck aus Gold und Silber, erlesene Gewürze, teure und wohlriechende Parfums, traditionelle Handwerkskunst, handgeknüpfte Teppiche und unzählige Souvenirs, sowie das beste „Olibanum“ der Welt, welches aus dem Weihrauchbaum (Boswellia sacra) gewonnen wird. 

Die omanischen Frauen verhüllen ihren Körper mit einem langen schwarzen Umhang, die „abaya“, unter welcher häufig farbenfrohe Kleider getragen werden. Ein Kopftuch „lahaf“ bedeckt ihr Haar und von den Beduininnen und Küstenbewohnerinnen werden häufig auch die ursprünglich zum Schutz vor Sand, Sonne und Staub eingesetzten „burqa“ getragen, deren kulturelle Bedeutung immer wieder durch Vorurteile verklärt wird.

Die omanischen Männer tragen ein langes Gewand, welches als „dishdasha“ bekannt ist. Dieses Gewand gibt es in allen erdenklichen Farben. Auch sie tragen eine Kopfbedeckung, die entweder eine runde Kappe namens „kumma“ sein kann, oder ein Kaschmirtuch, dem „massar“ ist.

Die erste Woche unseres Omanaufenthaltes galt der Eingewöhnung in die Kultur des Landes. Hierzu zählte auch eine umfassenden Einführung in die Geschichte und Gegenwart des Omans durch Professor Andreas Bürkert, welcher uns die erste Woche begleitete und an der Sultan-Qaboos-Universität in Maskat, der Hauptstadt des Sultanats, einen spannenden Gastvortrag über Oasen und deren genetischen Ressourcen im Nordoman hielt. 

Der Name des Landes geht historisch auf die Einwanderung arabischer Stämme aus einer Region namens „Uman“ im Süden an den Oman angrenzenden Jemen zurück. Die Einwanderer bestritten ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft und Fischfang nahe der Küste oder als Hirten von Ziegen und Schafen in den Bergregionen. Der Oman erstreckt sich auf einer Fläche von 310.000 Quadratkilometern und ist somit ein wenig kleiner verglichen mit Deutschland, jedoch leben dort gegenwärtig nur etwa 2,6 Mio. Menschen. Bedingt durch Monsun- und Passatwinde, sowie Gebirgs-, Tal- und Küstenlagen, kann das Klima regional recht unterschiedlich ausfallen. Die Jahresdurchschnittstemperaturen im ariden Nordoman liegen bei 27 °C.

Unser Einsatzgebiet zur Untersuchung verschiedener Bananenvarietäten war das „Wadi Tiwi“. Ein „Wadi“ ist ein Flusslauf, der nach Regenfällen über längere Zeit Wasser trägt und bei anhaltender Trockenheit versiegt. Das Besondere am „Wadi Tiwi“ ist, dass es ein ausgeklügeltes Kanalsystem genannt „aflaj“ gibt, in welchem ganzjährig Wasser über mehrere Kilometer ohne zusätzlichen Energieaufwand transportiert wird. Hierfür sammelt sich das Regenwasser am Fuße des umgebenden Hadschar-Gebirges und wird dann dem Gefälle folgend in die Dörfer transportiert, wo es für den Haushalt und die Gartenbewässerung zur Verfügung steht. Dieses viele Jahrhunderte alte und lang bewährte Bewässerungssystem wurde nicht ohne Grund im Jahre 2006 zum Weltkulturerbe erklärt, denn es erlaubte den dort lebenden Menschen die eigentlich karge Sand- und Steinwüste zu begrünen und somit Nahrungspflanzen, Futter- und Faserpflanzen zu kultivieren.

Das Fischerdorf Tiwi liegt etwa 230 km südlich von Maskat, direkt am Golf von Oman. Wir bezogen ein großes Haus am Meer, von dessen Dachterrasse eine einmalige und überwältigende Aussicht genossen werden konnte.

Nachdem wir eine dreitägige Einführung in die morphologische Charakterisierung von Bananen durch den renommierten belgischen Bananenexperten Professor Edmond De Langhe erhalten hatten, waren wir auf uns alleine gestellt. 

Während der morgendliche Muezzin noch vor Sonnenaufgang das erste von fünf Gebeten am Tag ausrief, schliefen wir oft noch tief und fest, doch für die Omanis beginnt so der neue Tag.

Kurz nach Sonnenaufgang konnte man dann auch uns auf der Straße erblicken. Auf eine höfliche Begrüßung vorbeiziehender Menschen mit den Worten  „salam aleikum!“ (der Friede sei mit dir), erwiderten sie uns ein freundliches „aleikum asalam!“.

In kürzester Zeit waren wir bei nahezu allen 5.000 Einwohnern des Küstendorfes als Bananensucher bekannt und wurden in guter omanischer, gastfreundlicher Tradition häufig zum Mittagessen oder zu Kaffee mit Datteln in die Häuser der Menschen eingeladen. Für unsere Arbeit in den Hausgärten belächelten uns die Menschen häufig, denn wie verrückt müssen zwei Europäer denn sein, wenn sie Tag für Tag ins zwei Kilometer vom Wohnhaus entfernt gelegene und zehn Kilometer lange „Wadi“ laufen, um sich dort alltägliche Früchte wie Bananen anzuschauen und ihre Positionen mit GPS – Geräten zu speichern?

Sinn ergibt das Ganze erst in einem größeren Kontext. Schließlich entdeckte Prof. Bürkert in dieser Gegend des Omans im Jahr 2003 eine bis dahin in der Fachliteratur nicht beschriebene Bananenpflanze. In späteren Untersuchungen erwies sich dieses Bananenkultivar als weltweit einzigartig. Ein spezieller Resistenzmechanismus innerhalb der Pflanze vermag es toxische Verbindungen zu bilden, welche auf die ärgsten tierischen Schädlinge, im globalen Bananenanbau, letal wirken. Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte, dass diese Varietät auch gegen diverse Pilzkrankheiten immun sein könnte, welche im kommerziellen Bananenanbau zuhauf auftreten und gegen diese üblicherweise erhebliche Mengen Pestizide ausgebracht werden. Somit ist solch eine Neuentdeckung für die weitere Forschung durchaus interessant.

Im Laufe der Kartierungsarbeiten im Wadi Tiwi, sowie den nahe gelegenen Bergoasen Al Jaylah und Maqta, wurden insgesamt 8255 Bananenpflanzen entdeckt und mit GPS aufgenommen. Durch die intensive und gut vorbereitete Einführung in die Klassifikation von Bananenpflanzen, war es uns nun möglich, anhand des äußeren Erscheinungsbildes und mithilfe eines speziell angefertigten Bestimmungsschlüssels auf das Genom der Pflanze zu schließen. Darüber hinaus konnten wir nicht nur die omanische Bezeichnung der verschiedenen Sorten ausfindig machen, sondern auch die unterschiedlichen Varietäten bestimmen. Durch gelegentliches Trampen in die nächstgrößere, etwa 45 Kilometer südlich gelegene Stadt Sur, konnte ein Erfahrungs- und Informationsaustausch mit Prof. De Langhe via Internet erfolgen. Es erfreute ihn, sein langjähriges Fachwissen an uns weitergeben zu können und wir waren stets beeindruckt, wie kompetent er uns auf über 5.000 Kilometer Entfernung aufkommende Fragen beantworten konnte und somit unsere Erkenntnisse optimal ergänzte.

Im gesamten Wadi Tiwi fanden wir sieben verschiedene Kultivare: „Bluggoe“, „Dwarf Cavendish“, „Green Red Banana“, „Horn Plantain”, „Mysore”, „Red Banana” und „Silver Bluggoe”.

Auf welchem Weg diese verschiedenen Bananenpflanzen in den Oman gelangt sind ist bislang noch ungewiss. Fakt ist aber, dass es sich sowohl um Bananen handelt, die verstärkt in afrikanischen Hochlandgegenden kultiviert werden, als auch solche aus dem indo-malaysischen Raum, dem Ursprungsgebiet aller heute bekannten Bananen.

Die am häufigsten aufgefundenen Kultivare waren „Bluggoe“ und „Dwarf Cavendish“. Alle anderen Bananenkultivare spielen im Anbau eine untergeordnete Rolle, was sie jedoch nicht weniger interessant macht. Die weltweit verbreitete und wegen ihrem hohen Stärkegehalt vorrangig als Kochbanane genutzte „Bluggoe“ erfüllt ihren Zweck auch gerne mal als Schattenspender auf kommerziellen Kakaoplantagen und ist bekannt für ihre guten Erträge. Die in Südchina und Indien beheimatete „Dwarf Cavendish“ ist die weltweit am weitesten verbreitete essbare Banane. Sie zeichnet sich durch eine relativ hohe Kältetoleranz und der guten Fruchtqualität aus. Ihre Früchte sind zwar nur halb so groß wie jene, die uns geläufig sind, jedoch bestechen sie durch ihre Süße und werden roh als Dessertbananen verzehrt.

Interessanterweise fanden wir eine „Mysore“ mit zweigeteiltem Fruchtstand in einem der vielen Hausgärten, die sich in terrassenform auf ungefähr 100 ha erstrecken und nicht selten durch kleinere Klettereinsätze erklommen werden mussten. Die Gärten grenzen meistens an die kleinen Dörfer an. Sie werden durch die oben erläuterten „aflaj“ Systeme mit Wasser versorgt, indem die oberirdisch verlaufenden Kanäle an verschiedenen Stellen geöffnet werden und das Wasser großflächig die Terrassen flutet. Dieser Prozess dauert einige Stunden und wird im Abstand von 3-4 Tagen von den omanischen Farmern selbst oder durch die aus Indien, Pakistan oder Bangladesch stammenden Arbeiter durchgeführt.

Hauptsächlich werden in den Hausgärten Dattelpalmen (Phoenix dactylifera) kultiviert, denn Datteln schützten nicht nur die früheren Seefahrer vor Skorbut, sie sind heutzutage das bedeutendste landwirtschaftliche Erzeugnis überhaupt im Oman. Vom traditionellen Frühstück zu Tagesbeginn, welches häufig aus Datteln und mit Kardamom angereicherten Kaffee besteht, werden die Früchte zu jeder erdenklichen Gelegenheit, bis in die Abendstunden hinein serviert und gegessen. Eine feine Angewohnheiten, denn eine kleine Hand voll Datteln deckt den täglichen Vitamin- und Mineralstoffhaushalt eines Menschen ab. Zudem liefern die Palmen Fasern und Holz, was als Flechtwerk und Baumaterial Verwendung findet. 

Die innerhalb von drei Monaten im Jahr 2010 im Oman gesammelten Erfahrungen lassen sich unmöglich in Worte fassen. Aus der als Praktikum angedachten Studienreise wurde schließlich eine erfolgreiche Bachelorarbeit. Darüber hinaus bot sich mir die Möglichkeit im November 2011 für eine einmonatige Folgestudie erneut den Oman zu bereisen. Hierbei konnten noch fehlende Daten ergänzt und weitere Erkenntnisse über die Region und ihre Geschichte in Erfahrung gebracht werden. Natürlich war es auch ein freudiges Wiedersehen lieb gewonnener Freunde und Bekannte, sowie ein schöner zweiter Eindruck vom Land und den dort lebenden Menschen. Die enorme Hilfsbereitschaft und die überaus großzügige Gastfreundschaft der Omanis sind nicht nur wertvolle Tugenden ihrer Kultur, sondern auch nachahmenswerte Sitten, die meiner Einschätzung nach in unserer Gesellschaft einen viel zu geringen Stellenwert haben. Solche Werte zu fördern und zu achten ist ein unglaublich hohes Kulturgut.

Durch die jahrelange Zusammenarbeit der Universität Kassel/Witzenhausen in Deutschland mit der Sultan-Qaboos-Universität und der Universität Nizwa im Sultanat Oman, hat sich eine erfolgreiche Kooperation entwickelt, die den Aufenthalt und die damit verbundenen Forschungsarbeiten erheblich vereinfacht hat. Desweiteren war das solidarische Mitwirken der Bevölkerung von unschätzbarem Wert hinsichtlich des Aufenthaltes in diesem fernen Land.

Das Studium im nordhessischen Witzenhausen beinhaltet viel Theorie und natürlich war das dreimonatige Praktikum, sowie dessen Vor- und Nachbereitung alles Andere als ein Erholungsurlaub. Trotzallem blieb auch ausreichend Zeit zum Entspannen und Verarbeiten der Eindrücke, welche die arabische Welt mir bot. 

Unsere Kulturen trennen wahrlich Welten, doch verbindet uns alle das Sein. Heute ist es ein wunderschönes Gefühl in Witzenhausen an der Universität auf jene Menschen zu treffen, in deren Land ich ein einzigartiges und unvergessliches Abenteuer erleben durfte.

Vielen Dank dafür!

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2009 Nach der Landwirtschaftslehre absolvierte ich ein dreimonatiges Praktikum auf dem Betrieb Chiavassa in Argentinien, was für mich sehr interessant und aufschlussreich war, da ich viele neue Eindrücke gewinnen konnte.
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