«Deutschland nimmt beim Tierschutz international eine Führungsrolle ein», sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU). Das war im Mai, und das Kabinett hatte gerade ihren Entwurf für eine Reform des Tierschutzgesetzes beschlossen, der noch «wesentliche Verbesserungen» in diversen Bereichen bringen sollte.
Die schwarz-gelben Koalitionsfraktionen nahmen die Pläne aber noch einmal kräftig in die Mangel und schrieben etliche Änderungen hinein. Der
Bundestag will das Gesetz voraussichtlich an diesem Donnerstag verabschieden - zur hellen Empörung von Tierschützern und Opposition.
Was soll sich für Tierhalter ändern?In deutschen Ställen werden jährlich 20 Millionen Ferkel wenige Tage nach der Geburt ohne Betäubung kastriert. Das soll vermeiden, dass das Fleisch manches Jungebers streng riecht oder unangenehm schmeckt. Aigner wollte diese traditionelle Methode nur noch bis Ende 2016 zulassen. Kommen soll ein Verbot nun aber erst 2019.
Weil es derzeit «keine praxistaugliche Alternative» gebe, wie die Unions- Fachpolitiker Franz-Josef Holzenkamp und Dieter Stier erläuterten. Danach sollen Bauern den Eingriff mit einer Art örtlicher Betäubung vornehmen können, wenn sich Alternativmethoden nicht durchsetzen. Die Bundesregierung soll darüber bis 2016 einen Bericht vorlegen.
Was kommt auf Pferdezüchter zu?Auch eine umstrittene Gepflogenheit der Pferdezucht wollte Aigner eigentlich beenden. Auf althergebrachte Weise werden viele Tiere mit heißen Brandeisen auf dem Schenkel markiert - Hannoveraner etwa mit einem «H». Das sei nicht mehr vertretbar, da zur Kennzeichnung längst Mikrochips Pflicht sind, argumentierte das Ministerium.
In der
CDU gab es gegen diesen Angriff auf ein «Kulturgut» aber von Anfang an heftigen Widerstand. Das Gesetz lässt den Schenkelbrand nun weiter zu, ab 2019 allerdings nur noch mit «wirksamer Schmerzausschaltung».
Was ist für Wildtiere im Zirkus geplant?Haltungsbedingungen wilder Tiere im Zirkus stehen seit langem in der Kritik. So forderte auch der
Bundesrat ein Verbot von Affen, Elefanten, Bären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden in der Manege. Denn wegen häufiger Ortswechsel komme es in Transportwagen zwangsläufig zu Tierschutzproblemen. Konkrete Verbote werden nun nicht vorgeschrieben. Es soll aber eine vorsorgliche Ermächtigung geben, dass bestimmte Wildtierarten per Verordnung verboten werden können. Für Zootiere ändert sich nichts.
Was ist noch für mehr Tierschutz geplant?Quälerische Zuchtmethoden wie bizarr kleinwüchsige oder haarlose Hunde sollen unattraktiver werden. Dabei legten die schwarz-gelben Fachpolitiker aber fest, dass das nicht pauschal nach Rassen, sondern je nach konkretem Einzelfall beurteilt werden soll. Können Missstände durch bessere Zuchtpraktiken behoben werden, müssten Ausstellungen mit solchen Tieren nicht extra untersagt werden.
Nach einem Vorstoß des Bundesrats wird das Verbot sexueller Handlungen an Tieren künftig rechtlich klarer verankert. Tiere dürfen in der Regel auch nicht mehr als Gewinn bei Preisausschreiben oder Wettbewerben angeboten werden.
Warum wurde Aigners Entwurf so stark geändert?
Aus Sicht der Opposition ist Aigner durch Druck aus den eigenen Reihen eingeknickt. «Schwarz-Gelb macht sich weiterhin zum Sprecher der Agrar-Lobby», schimpfte SPD-Tierschutzexperte Heinz Paula. Grünen- Fraktionsvize Bärbel Höhn monierte: «Aigner wird wie ein Zirkuspferd vorgeführt.» CDU und FDP hätten Angst vor der Züchterlobby im großen Pferdeland Niedersachsen gehabt, wo im Januar Landtagswahl ist.
Der Tierschutzbund beklagte einen «Huftritt gegen den Tierschutz». Die Koalition verteidigte das Gesetz als praktikabel und wissenschaftlich fundiert. Der Agrarausschuss-Vorsitzende Hans-Michael Goldmann (FDP) meinte, in vielen Punkten müsse aber noch weitergearbeitet werden. (dpa)