Umweltschützer sprechen von einem «historischen Schritt» und einem «Rettungsanker», den die EU wirft - doch ob das Überleben der Honigbiene damit gesichert ist, ist mehr als offen. Zu viele Faktoren machen den pelzigen kleinen Tierchen das Leben schwer.
Das Sterben der
Bienenvölker ist dramatisch. Jedes Jahr überlebt nach Angaben von
Greenpeace jede fünfte Biene den Winter nicht, in Deutschland fast jede dritte. Dabei ist die Landwirtschaft auf die emsigen Bienen für das Bestäuben von Mais, Raps oder Zuckerrüben angewiesen. Nicht nur Honig liefern die fleißigen Tierchen, sondern sie bescheren den Bauern immerhin 22 Milliarden Euro Wertschöpfung jährlich. «Die Bienen sind so wichtig für unser Ökosystem», sagt EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg.
Nach dem Rind und dem Schwein ist die Honigbiene das drittwichtigste Nutztier des Menschen und sichert seine Nahrung. Wenn die Bienen aussterben, stirbt der Mensch vier Jahre später aus, soll Albert Einstein gesagt haben.
Seit Jahren streiten Wissenschaftler um die Gründe für den Bienentod. Sicher ist nur: Es dürften mehrere Faktoren sein. Etwa die in den 1970er Jahren aus Asien eingeschleppte Varroamilbe, die Bienen befällt und aussaugt. Auch Viren und Pilze sind als mögliche Ursachen identifiziert. Wissenschaftler der Hochschule für Agrarwissenschaften in Bern machen Nahrungsmangel verantwortlich. Die zahlreichen Felder mit Monokulturen ließen den Bienen die Nahrung ausgehen.
Studien weisen darauf hin, dass eines der Übel auch
Insektizide sein könnten. Als etwa im Jahr 2008 in der Rheinebene beim
Maisanbau der Schädling
Maiswurzelbohrer mit
Clothianidin bekämpft wurde, gingen etwa 11.500 Bienenvölker zugrunde. Die Umweltorganisation Greenpeace nannte in ihrem Bericht «Bye bye Biene?» jüngst sieben Pestizide als «Bienen-Killer» Nummer eins, darunter bestimmte Nervengifte (Neonicotinoide), wie sie etwa das deutsche Chemieunternehmen Bayer und der Schweizer Konzern
Syngenta produzieren. Drei davon werden in der EU nun größtenteils verboten.
Die Agrarbranche verwendet die Insektizide etwa gegen den Schädling Maiswurzelbohrer. Die Gifte werden benutzt, um Saatgut zu beizen, oder werden direkt auf die Pflanze gespritzt. Die Bienen nehmen das Nervengift vermutlich über das Regenwasser auf, das die gefährlichen Insektizide auf den Pflanzen auswäscht. Studien belegen, dass die Chemikalien bei den Tieren Navigationsstörungen verursachen - das heißt, sie finden nicht mehr zurück in ihren Bienenstock.
Die EU-Behörde für
Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte Mitte Januar einen möglichen Zusammenhang zwischen dem
Bienensterben und dem Einsatz von Neonicotinoiden ins Feld geführt. Allerdings fehlt ein echter Beleg. Das Problem besteht darin, dass solche Vergiftungen wegen der außerordentlich geringen Wirkstoffmengen im Nanogramm-Bereich nur sehr schwer nachweisbar sind. Außerdem sind viele Bienenvölker durch andere Einflüsse wie etwa die Varroamilbe schon geschädigt.
Der politische Streit schwelt schon lange. Darf der Tier- und
Artenschutz zulasten der Landwirte gehen? Diese Fragen stellen Agrarverbände und Hersteller. Die Folgen des Verbots stünden in keinem Verhältnis zum Risiko, lautet ihr Argument. Würden die Produkte vom Markt genommen, seien zehntausende Arbeitsplätze in der EU-Landwirtschaft gefährdet. Der europäischen Landwirtschaft drohten Ernteausfälle von 40 Prozent - das werde Milliarden kosten.
Entscheidungen der EU würden mehr und mehr von politischem Kalkül überlagert, kritisiert der Konzern Syngenta: «Der Vorschlag entbehrt einer soliden wissenschaftlichen Grundlage.» Auch Bauern halten Neonicotinoide für unverzichtbar. Der Bayerische
Bauernverband warnt: «Schädlinge wie die kleine
Kohlfliege sind ohne neonicotinoide Saatgutbeizung nicht mehr bekämpfbar.» Auch gegen den
Rapserdfloh werde es schwierig. Als Folge des Verbots müssten Flächen zusätzlich gespritzt werden, wodurch
Schädlinge resistent werden könnten. Der
Rapsanbau werde schrumpfen - und somit eine wichtige Futterquelle für die heimischen Bienen fehlen. Wobei man beim nächsten Grund wäre. (dpa)