Potenziell gefährliche Haie
Weltweit sind rund 500 Hai-Arten bekannt, vom nur rund 20 Zentimeter kleinen Zwerglaternenhai bis zum etwa 14 Meter langen Walhai, dem größten Fisch der Erde. Nur etwa 10-15 Arten können jedoch für den Menschen wirklich gefährlich werden. Besonders durch Steven Spielbergs Horror-Schocker aus dem Jahre 1975 bekannt und gefürchtet sind die Angriffe des Weißen Haies (Carcharodon carcharias). Aber auch der Bullenhai (Carcharhinus leucas) ist für viele blutige Attacken verantwortlich. Er schwimmt oft auf der Suche nach Nahrung, z.B. durch Hochwasser verendete Rinder (Zambesihai, Ganges-Bullenhai), gezielt die Flüsse herauf und verweilt dort wochenlang. Weiterhin sind tödliche Angriffe von Weißspitzen-Hochseehaien (Carcharhinus longimanus) und Tigerhaien (Galeocerdo cuvier) dokumentiert.
Darüber hinaus haben auch weitere Arten Menschen gebissen, unter anderem Blauhai (Prionace glauca), Makohai (Isurus spec.), Seidenhai (Carcharhinus falciformis), Zitronenhai (Negaprion brevirostris), Großer Hammerhai (Sphyrna mokarran), Galapagoshai (Carcharhinus galapagensis) und bestimmte Riffhaie wie der Karibische Riffhai (Carcharhinus perezi).
Der Weiße Hai mit durchschnittlich 4-5 Metern Länge (max. 7 m) und bis zu 2 Tonnen Gewicht zählt zu den größten Hai-Arten und gilt zugleich als das Tier mit der stärksten Bisskraft von allen Lebewesen. Computersimulationen ermittelten, dass bereits ein kleinerer, 200 bis 400 kg schwerer Weißer Hai eine Bisskraft von etwa 3.000 bis 5.000 Newton erreicht. Ein simulierter Riesen-Hai von 3,5 Tonnen Gewicht käme sogar auf 18.000 Newton. Im Vergleich dazu bringt es ein afrikanischer Löwe auf 5.600 Newton, der Mensch gerade mal auf 800 Newton. Die Lebenserwartung der Weißen Haie liegt bei über 30 Jahren.
Doch die Wahrscheinlichkeit tödliches Opfer eines Haies zu werden, ist vergleichsweise gering. 76-fach höher liegt das Risiko, von einem Blitz erschlagen zu werden. Sogar letale Hundebisse sind 26 Mal häufiger als Hai-Bisse. In den USA wurde errechnet, dass das Risiko durch einen Hai zu sterben bei 1:3.748.067 liegt - im Gegensatz zu Herzkrankheiten als Todesursache mit einem Verhältnis von 1:5.
Es muss jedoch betont werden, dass Haien mehr Gefahr durch den Menschen droht als umgekehrt. Nach Angaben der FAO werden jährlich rund 700.000 bis 800.000 t Knorpelfische gefangen. Diese Menge entspricht 70 bis 100 Millionen Tieren, von denen etwa 60 % Haie und 40 % Rochen sind. Über die Hälfte der Menge wird als Abfall wieder ins Meer geworfen - entweder als Beifang, oder es werden nur die Flossen oder Zähne der Tiere verarbeitet. Selten wird das Fleisch für Haifisch-Steaks oder ähnliches verwertet.
Besonders brutal ist das so genannte „Finning“, bei dem den Tieren die Flossen für Haifischflossensuppe abgeschnitten werden und sie anschließend lebend ins Meer zurückgeworfen werden, wo sie elendig verbluten und ertrinken. Viele Produkte werden zudem unter Phantasie-Namen vermarktet. Hinter „Schillerlocken“ verbergen sich zum Beispiel geräucherte Bauchlappen des Dornhais. Hai-Filets und -Steaks sind unter den Bezeichnungen „See-Aal“ (Dornhai), „Kalbsfisch“, „Seestör“ oder „Karbonadenfisch“ (Heringshai) im Handel.
Zahlreiche Haie sind heute gefährdet und stehen unter strengem Schutz. Über 70 Hai-Arten finden sich bereits auf der Roten Liste, darunter zum Beispiel Dornhai, Walhai, Weißer Hai, Weißspitzen-Hochseehai, Heringshai und Riesenhai.
Zur Beute der Haie gehören neben Fischen, Säugetieren wie Seelöwen, Krebstieren, Weichtieren und Zooplankton auch kranke und schwache Meerestiere, weshalb sie zur Gesunderhaltung der Beutetierbestände bzw. zum natürlichen Gleichgewicht des maritimen Ökosystems maßgeblich beitragen. Im Magen eines Tigerhais wurden sogar schon Stiefel, Blechdosen und Zigarettenschachteln gefunden, was ihm den Spitznamen „Mülleimerhai“ eingebracht hat (engl.: garbage can shark).
Doch darüber hinaus kann ein Hai als Apex-Predator komplexer Nahrungsnetze auch für den Menschen zur Gefahr werden.
Wie und warum greifen Haie an?
Prinzipiell unterscheidet man bei Haien vier verschiedene Angriffsmuster. Die häufigste Art sind Hit-and-Run-Attacken. Plätschern oder auch das Aufblitzen einer helleren Fußsohle, die der Hai für einen Fisch hält, kann den Hai in die Irre führen. Bei einem derartigen Probebiss schnappt er normalerweise nur einmal zu und zieht sich dann zurück. Diese Attacken enden selten tödlich.
Bump-and-Bite-Attacken fordern mehr Todesopfer und führen zu schwereren Verletzungen. Bei dieser Angriffsart kreist der Hai erst um sein Opfer, um es mit seinem Seitenlinienorgan zu inspizieren. Dann stößt der Hai es an, bevor er zubeißt. Diese Angriffe können fressmotiviert sein oder der Revierverteidigung dienen.
Überraschungsangriffe (Sneak-Attacken) treten ohne Vorwarnung auf und sind für den Menschen daher oft am gefährlichsten. Häufig heißt es, dass der Hai den Menschen mit seinen Beutetieren verwechselt - die Silhouetten einer Robbe und eines Menschen auf einem Surfbrett ähneln sich sehr. Auch Geräusche des Surfbrettes oder Plätschern können auf Haie großen Reiz ausüben - Frequenzen um 300 Hertz entsprechen denen von verletzten Fischen. Blut wird ebenfalls oft als Auslöser von Hai-Bissen diskutiert. Überraschungsangriffe sind das klassische Angriffsmuster besonders vom Weißen Hai.
Als vierte Kategorie gelten Bisse zur Verteidigung, wenn ein Hai gestört oder geärgert wird. Das kann der Fall sein, wenn man im flachen Wasser versehentlich auf einen im Boden eingegrabenen Hai tritt, wenn Menschen die Tiere an der Schwanzflosse ziehen oder versuchen, auf ihm zu reiten. Dann können auch ansonsten harmlose Arten zubeißen.
Wo sind die gefährlichsten Küsten?
Im letzten Jahrzehnt (2001 - 2012) ereigneten sich laut ISAF weltweit insgesamt 812 Haiunfälle. In Florida wurden davon 271 gemeldet, Australien zählte 141 Attacken, Hawaii 52, Südafrika 47 und Kalifornien 38. Die meisten Angriffe geschehen jedoch im Pazifik.
- Der New Smyrna Beach in Florida hält den Rekord, er trägt daher den Beinamen „Hauptstadt der Haiangriffe“. Die meisten Attacken gehen hier auf das Konto von Bullenhaien. Ebenfalls in Florida liegt Ponce de Leon Inlet, wo Schwarzspitzenhaie durch die Mündung des Halifax angelockt werden. Beide gehören zur Provinz Volusia, in der seit 1882 bislang 249 Haiangriffe gezählt wurden, allerdings keiner mit tödlichem Ausgang.
- Neusüdwales mit Garden Island in Australien verzeichnet 195 Angriffe seit dem Jahr 1700, davon endeten 57 tödlich.
- Second Beach (Port St. Johns) in Südafrika gilt erst seit einiger Zeit als sehr gefährlich. Hier wurde Käfigtauchen mit Haien zur Touristen-Attraktion, so dass durch die Fütterung Haie angelockt werden. In der entsprechenden Provinz Ostkap gab es 94 Hai-Attacken seit 1905, davon 12 mit tödlichem Ausgang. In ganz Südafrika fanden im gleichen Zeitraum 234 Angriffe statt.
- In Kalifornien wurden seit 1926 insgesamt 109 Attacken gezählt, 10 mit tödlichem Ausgang. Besonders berüchtigt sind Fletcher Cove sowie Surf Beach.
- In Makena auf Hawaii sind vorwiegend Tigerhaie aktiv. Seit 1828 gab es auf ganz Hawaii 116 Attacken, davon 8 tödliche.
- In der Provinz Pernambuco in Brasilien, insbesondere in Recife, sollte man ebenfalls vorsichtig sein. Hier sind 51 Angriffe seit 1931 verzeichnet, 15 endeten tödlich.
- In der Golfregion besteht in Sharm El Sheik in Ägypten ein gewisses Hai-Risiko. Seit 1828 gab es hier 16 Angriffe, davon 3 tödliche.
In diesem Jahr 2013 wurden im Global Shark Attack File (GSAF) des Haiforschungsinstituts in Princeton (USA) bis Ende Juni weltweit bereits 39 Haiangriffe registriert. Vier davon verliefen tödlich, drei galten als provozierte Zwischenfälle, da sie Fischern galten. 18 wurden aus den USA gemeldet, 5 aus Australien und Neuseeland, ebenfalls 5 aus Südafrika, 2 fanden auf Jamaika statt, je einer in Französisch-Polynesien, auf Guam, in den Palästinensischen Gebieten, auf den Philippinen, auf La Réunion, den Seychellen, den Bahamas sowie in Taiwan.
Deutlich wird bei diesen Statistiken, dass wohl in vielen Ländern nur ein Bruchteil der Haiunfälle erfasst wird. Das liegt daran, dass teils keine zuständigen Institutionen existieren, teils aber auch Haiangriffe bewusst verschwiegen werden, da ein Bekanntwerden katastrophale Auswirkungen auf den Tourismus in einer Region hätte.
Haiunfälle im Mittelmeer?
Hai-Attacken können durchaus auch im von europäischen Urlaubern sehr geschätzten Mittelmeer vorkommen. Etwa 50 Hai-Arten sind hier zu Hause. Zu finden sind dort beispielsweise Blauhai, Kurzflossen Makohai, Sandtigerhai, Riesenhai, Großer Hammerhai, Fuchshai, Dornhai, Kleingefleckter Katzenhai oder Schwarzspitzen-Riffhai. Selbst der Weiße Hai ist nicht nur in den Ozeanen, sondern auch im Mittelmeer anzutreffen. Sichtungen des Weißen Haies im Mittelmeer sind im Proplanta-Projekt „Hai-Angriffe“ ebenfalls verzeichnet.
Weißer Hai Vorkommen
Hai-Angriffe sind im Mittelmeer aber selten. In Europa wurden seit 1847 insgesamt nur 35 Attacken gemeldet. Der letzte der 18 tödlichen Hai-Unfälle ereignete sich 1984 in Griechenland. Dem Weißen Hai werden laut ISAF von 1907-2011 in der Mittelmeerregion 22 Attacken zugeschrieben, davon 10 mit tödlichem Ausgang.
Der Speiseplan des Weißen Haies im Mittelmeer weicht etwas von seinem übrigen Verbreitungsgebiet ab, denn Seehunde und Seelöwen gibt es hier nicht. Allerdings ist durch die gesetzlichen Schutzmaßnahmen die Delfin-Population im Mittelmeer angestiegen, weshalb der Weiße Hai diese wohl vermehrt als Beutetier anvisiert.
Dennoch gibt es heute im Mittelmeer nur noch sehr wenige Weiße Haie, die sich bevorzugt vor Nordafrika, der Westküste Italiens, bei Sizilien und Malta, in der Adria und der Ägäis, bei Zypern und vor Israel aufhalten. Ihre Population wird weltweit auf lediglich rund 5.000 Individuen geschätzt. In den vergangenen 200 Jahren sind im Mittelmeer die gesamten Haibestände durch Überfischung um ca. 97 Prozent geschrumpft.