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16.03.2014 | 14:30 | Krankheitsüberträger 

Zecken-Alarm: Sind die Spinnentiere in diesem Jahr aggressiver als sonst?

Stuttgart/Hohenheim - Sie ist klein, bleibt oft unbemerkt, doch ihr Stich kann für Opfer folgenreich sein: Die Zecke. Trotz des zeitigen Frühjahrs ist sie in diesem Jahr bereits sehr aktiv.

Mittel gegen Zecken
(c) proplanta
Wissenschaftler warnen davor, dass die Blutsauger bei einem milden Winter ihre Winterruhe ausfallen lassen und sehr früh unterwegs sind, weshalb infolge des Klimawandels in Zukunft häufiger mit ihnen zu rechnen sei. Ab Temperaturen von 5 bis 7 °C können die Tiere schon munter werden. Die Parasitologin Prof. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim hat die Zecke jüngst als „das gefährlichste Tier Deutschlands“ bezeichnet, da die Gefahr durch von ihr übertragene Krankheiten steige.

Rund 900 Zeckenarten sind weltweit bekannt, etwa 20 davon kommen in Deutschland vor. Die blutsaugenden Parasiten gehören zu den Spinnentieren (Arachnida). Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) befällt hierzulande am häufigsten den Menschen.

Wie findet die Zecke den Wirt?



Zecken fallen weder von den Bäumen noch können sie springen, wie häufig behauptet wird. Bei der Wirtsfindung haben die diversen Zeckenarten unterschiedliche Strategien entwickelt. Einige wie der Gemeine Holzbock klettern auf Pflanzen bis 1,5 m Höhe und lauern dort auf ihr Opfer. Sobald dieses sie berührt, halten sie sich mit ihren Krallen an den Vorderbeinen an ihm fest. Laufzecken wie die Braune Hundezecke oder die erst seit einigen Jahren auftretende Auwald-Zecke suchen dagegen aktiv nach einem Nahrungsgeber und bewegen sich dazu in einem begrenzten Radius.

Zeckenstich oder Zeckenbiss?



Auch wenn häufig von einem „Zeckenbiss“ die Rede ist: Zecken stechen, sie besitzen einen Stech- und Saugapparat. Mit ihren scharfkantigen Mundwerkzeugen (Cheliceren) ritzen sie die Haut ihres Wirts auf, um dann den Saugrüssel (Hypostom) in der Wunde zu versenken. Dabei verankern sie sich mit Widerhaken am Wirt. Dass dieses grobe Vorgehen beim Opfer unbemerkt bleibt, ist auf den Speichel der Zecke zurückzuführen, der nicht nur die Blutgerinnung hemmt, sondern auch das Schmerzempfinden lokal ausschaltet.

Welche Krankheiten können Zecken übertragen?



Zecken können zahlreiche Krankheiten übertragen. Hierzu zählen Erkrankungen wie die humane granulozytäre Anaplasmose, die Babesiose oder verschiedene Rickettsiosen. Am bedeutendsten sind jedoch die in ganz Deutschland verbreitete Lyme-Borreliose sowie die vorwiegend im süddeutschen Raum auftretende Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

Lyme-Borreliose



Bis zu 30 % der Zecken sind in Deutschland mit dem Erreger der Borreliose infiziert, dem Bakterium Borrelia burgdorferi. Allerdings schwankt das Vorkommen regional sehr stark. Schätzungen nach tritt bei etwa 5 % der Menschen, die von einer Zecke gestochen wurden, eine Infektion auf. Krankheitssymptome entwickeln jedoch nur rund ein Prozent der Infizierten.

Einen typischen Krankheitsverlauf der Lyme-Borreliose gibt es nicht, die Borreliose-Symptome sind unspezifisch wie Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Als charakteristischer Hinweis zu Beginn der Erkrankung gilt die sogenannte Wanderröte (Erythema migrans), die bei 40 bis 60 % der Betroffenen  nach 4-6 Wochen auftritt.

Danach ist häufig die akute Neuroborelliose anzutreffen mit brennenden Nervenschmerzen vor allem nachts sowie leichten Lähmungen der Hirnnerven mit Taubheitsgefühlen, Seh- oder Hörstörungen. Auch Herzrhythmusstörungen infolge einer Entzündung können durch Borelliose bedingt sein.

Bei der neurologischen Spätmanifestationen wird unter anderem von Gelenkentzündung (Lyme-Arthritis) berichtet. Auch chronische Entzündung an den Innenseiten der Arme und Beine und an den Körperenden wie Nase, Finger und Zehen (Acrodermatica chronica athropicans) können Zeckenbiss-Spätfolgen sein.

Eine Behandlung von Borreliose ist durchaus möglich. Eine vorbeugende Impfung als Mittel gegen Borreliose wie bei FSME gibt es zwar nicht, doch lässt sich die Borrelien-Therapie gut mit Antibiotika bewerkstelligen, wenn sie Krankheit frühzeitig erkannt wird. Da die Diagnose nicht einfach ist, sollte man bei Verdacht immer einen Arzt aufsuchen. Die maximale Latenzzeit bis zum Auftreten von Krankheitssymptomen wird von Experten mit 8 Jahren beziffert.

Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME



Nach einer Infektion mit dem FSME-Virus zeigen rund 30 % der Opfer Krankheitserscheinungen. In der ersten Phase zeigen sich grippeähnliche Symptome. Nach einem fieberfreien Intervall von 1-3 Wochen entsteht bei etwa 10 % der Infizierten die gefürchtete Meningoenzephalitis (Hirnhaut- und Hirnentzündung) mit Lähmungen, Sprachstörungen, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Vor allem bei älteren Patienten kann zudem das Rückenmark betroffen sein (Myelitis) mit der Gefahr bleibender neurologischer Schäden. Für rund 1 % endet die Erkrankung tödlich.

Andererseits kommt es aber auch nach schweren Krankheitsverläufen oft zur völligen Heilung. Bei Kindern zeigt sich die Erkrankung meist leichter als bei Erwachsenen. Eine Therapie gibt es nicht, lediglich vorbeugend ist eine Impfung möglich.

Auch in den Risikogebieten sind nur wenige Zecken infiziert, die Virusprävalenzen aber schwanken so erheblich, dass die Ableitung eines Risikos schwierig ist. Außerhalb der vom RKI ausgewiesenen Risikogebiete ist die Wahrscheinlichkeit, sich durch einen Zeckenstich zu infizieren, extrem gering.

Risikogebiete für FSME



In diesem Kalenderjahr hat das Robert Koch-Institut, bedingt durch den milden Winter, bis dato fünf FSME-Fälle registriert. Die Fallzahlen der FSME-Erkrankungen schwanken von Jahr zu Jahr erheblich.

Jährliche FSME-Fallzahlen in Deutschland (Quelle: RKI)

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
255 239 277 275 432 546 239 289 313 260 424 195 420




Als Risikogebiete ausgewiesen sind mittlerweile die meisten Kreise in Baden-Württemberg und Bayern, die angrenzenden Gebiete in Süd-Thüringen und Süd-Hessen sowie drei weitere Landkreise in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Eine Impfung gegen die meldepflichtige FSME wird immer wieder heiß diskutiert. Wer sich für eine Impfung entscheidet und in einem Risikogebiet lebt, kann mit einer Übernahme der Kosten durch Krankenkassen rechnen. Viele Kassen haben dies auch schon auf Reisende in die Zeckengebiete ausgeweitet.

FSME kann auch durch Milch übertragen werden



FSME kann aber nicht nur von Zecken, sondern auch von der Milch infizierter Tiere übertragen werden. Diese Art der Übertragung war lange Zeit sogar weiter verbreitet als die Infektion nach einem Zeckenstich.

Erleiden Milchtiere wie Kühe, Schafe oder Ziegen einen Zeckenstich und werden mit FSME infiziert, scheiden sie das Virus mit der Milch aus. Erst seit die Milch vor dem menschlichen Verzehr pasteurisiert wird, ist die auch als „biphasisches Milchfieber“ bekannte FSME selten geworden. Möglich ist eine solche Übertragung aber nach wie vor: 2008 erkrankten in Österreich vier Menschen nach dem Genuss von erregerhaltigem Ziegenkäse an FSME.

Wie kann man sich vor Zecken schützen?



Einen gewissen Schutz vor Zeckenstichen bietet geschlossene Kleidung und festes Schuhwerk, also keine Angst vor der Zecke! Doch im Falle eines Falles ist das rasche Entfernen einer Zecke wichtig, um das Infektionsrisiko einzudämmen. Dies gilt insbesondere für die Borreliose, da hier das Risiko mit der Saug-Dauer steigt. Bis zu einer Infektion mit Borreliose-Bakterien, die sich im Zeckendarm befinden, vergehen durchschnittlich 12-24 Stunden, die Übertragung von FSME-Viren dagegen beginnt direkt nach dem Einstich.

Wer auf Zeckenschutzmittel zur Zeckenabwehr schwört, dem sei nahegelegt, sie halten nicht, was sie versprechen. Viele chemische Mittel gegen Zecken gelten als völlig wirkungslos. Natürlicher Zeckenschutz kann daher durchaus eine Alternative darstellen, sowohl als Zeckenmittel für Katzen oder Hunde als auch für Menschen.

"Das A und O ist die Fleischbeschau“, bringt Dr. Hubert Hortig vom Gesundheitsamt Miltenberg die wohl wichtigste Vorsorgemaßnahme zum Zeckenschutz auf den Punkt. „Sich selbst und seine Kinder sollte man nach dem Aufenthalt im Freien am Abend gründlich nach Zecken absuchen und sie gegebenenfalls sofort entfernen.“ Die winzigen Larven und Nymphen der Tiere seien bisweilen jedoch nur schwer erkennbar, die Virenlast aber wiederum bei den Adulten im Allgemeinen wesentlich höher. Wer weiße Kleidung trägt, ist klar im Vorteil. Außerdem sollten Risikogruppen eine FSME-Impfung in Betracht ziehen, rät der Mediziner.

Beim Entfernen einer Zecke gilt die Devise: Hautnah, langsam und kontrolliert. Die Zecke sollte nicht gequetscht, gedreht oder ruckartig ausgerissen werden. Keinesfalls sollte man Öl oder Klebstoff auf das Tier tropfen, da es dadurch noch mehr möglicherweise infizierte Körperflüssigkeiten abgibt. Als Hilfsmittel eignen sich eine Zeckenkarte oder Zeckenzange aus der Apotheke oder schmale Pinzetten, die quer direkt über der Haut angesetzt werden.  

Und keine Panik, wenn der „Kopf“ steckenbleibt: Dabei handelt es sich nicht wirklich um den Zeckenkopf, sondern lediglich um einen kleinen Teil des Stechapparates, der kein zusätzliches Gesundheitsrisiko darstellt und nach einer Weile von selbst vom Hautgewebe abgestoßen wird. (proplanta)
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Kommentare 
fischera schrieb am 19.03.2014 16:24 Uhrzustimmen(110) widersprechen(105)
Man kann sich nicht genug über diese Krankheiten der Zecken informieren. Hier auch eine Möglichkeit es sich vorlesen zulassen. Danke für die Veröffentlichung. http://www.wald-rlp.de/lernen-erleben/waldbesuch/vorsicht/zecken/weiterfuehrende-links/leserbrief.html
Grüntee schrieb am 18.03.2014 18:11 Uhrzustimmen(100) widersprechen(99)
Für Ihren Zeckenbeitrag vielen Dank. Eine Anmerkung erlaube ich mir zum Foto "Zange quetscht Zecke": So, wie es das Foto zeigt, ist es der sicherste Weg, sich eine Borreliose zu holen, falls die Zecke infiziert ist. Die Zecke wird gequetscht und erbricht sich mitsamt Borrelien in die Stechwunde. Wenn dabei Borrelien übertragen werde, können sie sich nun mühelos im gestochenen Körper breitmachen. Diese Zangen sind völlig ungeeignet!
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