Genveränderte Pflanzen, Chemikalien, Unkrautvernichtungsmittel - all diese Dinge kommen nicht ohne Zulassung auf den Markt. Wenn die EU-Staaten sich nicht einig werden, muss die EU-Kommission ran. Doch die will künftig keine Prügel mehr beziehen für Glyphosat und Co. (c) proplanta
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EU-Kommission will nicht mehr das letzte Wort haben, wenn sich diese nicht einigen können. Eine entsprechende Reform der Entscheidungsverfahren hat die Behörde am Dienstag in Straßburg vorgeschlagen.
Dabei geht es nicht um normale EU-Gesetze, sondern um Fachentscheidungen etwa über die Zulassung von Stoffen oder Produkten. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssten der Reform zustimmen.
Anlass der Vorschläge ist auch das Gezerre um den Unkrautvernichter Glyphosat im vergangenen Jahr. Am Ende verlängerte die EU-Kommission die Zulassung selbst, weil die EU-Staaten sich nicht einig wurden.
Wie die einzelnen Staaten sich positioniert haben, ist derzeit nur unter der Hand zu erfahren, künftig will die EU-Kommission das Abstimmungsverhalten ab dem zweiten Votum öffentlich machen.
Um die Mitgliedsstaaten zu heiklen Entscheidungen zu zwingen, will sie auch den Umgang mit Enthaltungen ändern. Bisher können Länder ohne Position leicht verhindern, dass die nötige Mehrheit von 55 Prozent der EU-Länder (also 16 von 28 Staaten) zustande kommt, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Geht es nach der Kommission, würden Enthaltungen bei dieser Rechnung künftig nicht berücksichtigt. Ein Quorum gäbe es aber: Es müsste mindestens mehr als die Hälfte der EU-Staaten abstimmen.
Was trocken klingt, hätte konkrete Auswirkungen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner befürchtet, der Vorschlag könnte sich als Trick entpuppen, der der Industrie leichter die nötigen Mehrheiten für die Zulassung von Unkrautvernichtern oder genveränderten Pflanzen verschafft. «Wenn Enthaltungen überhaupt nicht mehr betrachtet werden, könnten schon kleine Minderheiten von EU-Staaten Mehrheiten für solche Zulassungen zusammenbekommen. Das wäre dann alles andere als überzeugend und vermittelbar», meint er.
Wenn dennoch auf Expertenebene wiederholt kein Beschluss zustande kommt, will die EU-Kommission eine Stellungnahme der Staaten auf Ministerebene einholen. Wenn hier keine Entscheidung fällt, wäre am Ende wieder die EU-Kommission gefragt - aber dann hätten die Minister die Richtung vorgegeben, so die Hoffnung.
Ob die EU-Länder der vorgeschlagenen Reform zustimmen, ist fraglich. Es wäre für sie dann schwieriger, kontroverse Entscheidungen an die EU-Kommission abzutreten. Insgesamt 17 Mal musste die Behörde in den vergangenen beiden Jahren über die Zulassung von Produkten und Stoffen befinden, weil die Staaten sich nicht einigen konnten.